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Libra Facebook kündigt eine eigene Währung an. Für Schwellenländer wäre sie ein Eingriff in die Souveränität
Ausgabe 39/2019
Facebook-Mann David Marcus sieht da überhaupt kein Problem. Und setzen, bitte
Facebook-Mann David Marcus sieht da überhaupt kein Problem. Und setzen, bitte

Foot: Alex Wong/Getty Images

Libra, das ist nicht nur das Sternzeichen der Waage, Libra war auch ein römisches Gewichtsmaß, das Pfund. Und Libra soll was werden: eine eigene digitale Währung, die der Facebook-Konzern schaffen will und mit der ab nächstem Jahr weltweit bezahlt werden soll. Kaum war das Projekt angekündigt, meldeten sich Kritiker zu Wort. Sie warnten, die „Konzernwährung“ stelle eine „Privatisierung des Geldes“ und einen Angriff auf die staatliche Geldhoheit dar. Letztlich allerdings verläuft beim Streit um die Libra die Front nicht zwischen privaten Unternehmen auf der einen Seite und den Staaten auf der anderen. Vielmehr ist die Libra Teil des globalen Kampfes der Staaten darum, wessen Geld die Welt dominiert.

Laut Ankündigung von Facebook soll die Libra ein elektronisches Zahlungsmittel werden. Facebook-Manager David Marcus wirbt damit, dass dank Libra Summen einfach, schnell und billig international transferiert werden können, schlicht per App auf dem Smartphone. Als potenzielle Kunden sieht Facebook vor allem jene 1,7 Milliarden Menschen, die nicht über ein Bankkonto verfügen.

Damit die Libra auch als Zahlungsmittel verwendet wird, muss ihr Wert stabil sein, anders als beispielsweise im Fall der Kryptowährung Bitcoin, deren Kurs wild auf und ab schwankt und daher für Spekulanten zwar attraktiv ist, sich für Kauf und Verkauf allerdings nicht eignet. Im Unterschied zu Bitcoins soll die Libra dadurch stabil gemacht werden, dass sie eins zu eins mit einer Reserve aus anerkannten Währungen unterlegt wird. Der Wert der Libra entspräche damit dem eines Währungskorbes aus Dollar, Euro, Yen und anderen. Jede Libra wäre von entsprechenden Weltgeldern in den Tresoren der Libra Association „gedeckt“.

Das würde das Facebook-Geld zwar für Konsumenten attraktiv machen. Dennoch wird vor ihm gewarnt. Denn Geld ist nicht nur ein Mittel zum Kaufen und Zahlen und Sparen. Es ist auch Mittel des Staates, der sich die Macht über das Geld gesichert hat. Jeder Staat gibt seine eigene Währung heraus, er kann sie aus eigener Kraft schaffen und ist daher jederzeit zahlungsfähig: Eine Regierung kann sich über die Ausgabe von Anleihen verschulden und lässt die Zentralbank die Anleihe erwerben. Die Zentralbank tut dies mit „gedrucktem“ Geld.

Derartige Techniken der staatlichen Selbstfinanzierung sind in vielen Ländern des globalen Südens gang und gäbe. In den USA, der Eurozone und Japan ist seit einigen Jahren eine Variante davon zu beobachten, die „quantitative Lockerung“. Hier gibt der Staat Anleihen aus, verkauft sie an die privaten Banken, die sie an die Zentralbank weiterverkaufen, die sie mit aus eigener Kraft geschaffenen Mitteln erwirbt.

Diese Form der Staatsfinanzierung könnte die Libra allerdings gefährden, wenn sie zur Konkurrentin staatlicher Währungen aufsteigt. Denn „die einheimische Zentralbank ist in den meisten Staaten der größte Käufer von Staatsanleihen“, so das ifo Institut für Wirtschaftsforschung. Finde die Libra in einem Land große Verbreitung, könne die einheimische Zentralbank weniger eigene Währung in Umlauf bringen. Damit könne sie weniger Anleihen des eigenen Staates kaufen und „die Regierung muss dann andere Nachfrager für ihre Staatsanleihen finden“.

Getarnter Imperialismus?

Jene Länder, die die Weltwährungen herausgeben, müssen die Libra aber nicht fürchten. Denn Euro und Dollar sind als Deckung des Facebook-Geldes vorgesehen. Anders gesagt: Die Libra fungiert als ihr Stellvertreter. Wer Libra erwirbt, erwirbt im Prinzip Euro und Dollar, die ihren Wert garantieren. Das gibt Europa und den USA die Macht, die Verbreitung der Libra unter den Vorbehalt ihrer Genehmigung zu stellen. Das kündigen sie auch selbstbewusst an.

Benoît Cœuré, Direktor der Euro-Zentralbank EZB, äußerte jüngst „sehr starke Bedenken“ bezüglich der Libra. Sein Kollege Yves Mersch sagte: „Privatwährungen haben wenig Aussichten, sich als tragfähige Alternative zu den von den Zentralbanken herausgegebenen Währungen zu etablieren.“ Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire warnte: „Die Libra darf keine souveräne Währung werden.“ US-Zentralbankchef Jerome Powell erklärte, dass das Libra-Projekt „nicht fortschreiten kann, bevor nicht ernsthafte Bedenken ausgeräumt worden sind“. Angesichts dessen versicherte Facebook-Manager David Marcus dem US-Kongress, mit der Libra werde keine Konkurrenz zu den etablierten Währungen aufgebaut.

Während das Facebook-Geld also keine Gefahr für Euro und Dollar darstellen dürfte, ist dies bei vielen anderen Ländern anders. Dem hält das ifo Institut allerdings entgegen: „Insbesondere für Schwellen- und Entwicklungsländer mit schwachen finanziellen Infrastrukturen und weichen Währungen drängen sich die Vorteile der Libra auf.“ Dabei würde in diesen Ländern – wenn die Menschen in die Libra flüchten, um sich vor Entwertung zu schützen – die einheimische Währung immer seltener verwendet. Der betroffene Staat sähe sich seiner Macht über das eigene Geld beraubt. Er verlöre die Steuerung der Geldpolitik und die Möglichkeit, sich autonom Zahlungsmittel zu verschaffen.

Er erlitte damit das gleiche Schicksal wie jene Länder, deren Wirtschaft dollarisiert wird, sprich: in denen eine ausländische Währung die einheimische verdrängt. Geschieht dies, werden diese Länder abhängig von der Politik in den USA oder der Eurozone. Eine gängige Kritik an der Dollarisierung lautet daher, dass sie eine Form des Neokolonialismus darstelle, vermerkt die britische Financial Times (FT), die Weltmächte erhielten durch sie Kontrolle über schwächere Spieler. Das Gleiche liege vor im Fall von digitalen Währungen, die durch Dollar oder Euro gedeckt seien. „Ihre Einführung in Ländern wie zum Beispiel Argentinien halten wir daher für eine Form des getarnten Imperialismus“, so die FT.

Da es sich bei den hinter der Libra stehenden Konzernen vor allem um US-Unternehmen handelt, die den Weisungen Washingtons unterworfen sind, könnte die Regierung der USA die Libra als verlängerten Arm ihrer Finanzmacht schätzen lernen. Das fürchtet man offensichtlich auch in Peking, wo man ohnehin unter der globalen Dominanz des US-Dollar leidet. Wang Xin, Chef der Forschungsabteilung der Zentralbank Chinas, plädiert daher dafür, eine eigene chinesische Digitalwährung zu schaffen, „deren Aufgabe es vor allem wäre, mit der Libra zu konkurrieren“. Werde das Facebook-Geld zu mächtig, dann drohe eine Welt „mit einem Boss, dem Dollar, Amerika“.

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