Spionage-Skandal ist kein Wahlkampfthema

Ablenkungsmanöver Laut verschiedener "Experten" taugt die Spionageaffäre nicht als Wahlkampfthema, da man eh nichts dagegen unternehmen kann. Dabei geht es lediglich um Stimmenfang

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Ex-Innenminister Otto Shilly gab dem Spiegel letzte Woche ein Interview, in dem er seiner Partei riet, die Spionage-Affäre nicht als Wahlkampfthema zu nutzen. Hans-Peter Uhl, CSU-Innenexperte, erklärt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zur "Idylle aus vergangenen Zeiten", die USA könnten dieses Grundrecht also gar nicht verletzt haben. Der technologische Fortschritt würde am Datenschutz sägen und dagegen wäre man so oder so machtlos. Auch vom Ex-Präsident des Verfassungsschutzgerichts Hans-Jürgen Papier hört man, obwohl er sich sonst ganzheitlich gegen die Überwachung ausspricht, dass die Regierung den Bürger gegen die Zugriffe außerhalb der Bundesrepublik rechtlich und tatsächlich nicht schützen könne.

Ist unsere Regierung wirklich so machtlos?

Auch Innenminister Friedrich schließt sich dieser Meinung mit einer schizophrenen Aussage an: Auf der einen Seite erklärt er die Sicherheit zum Supergrundrecht, auf der anderen Seite kann er selbige in Bezug auf unsere Kommunikation nicht garantieren und empfiehlt dem Bürger, einfach selbst zu verschlüsseln. Die taz bezeichnet das passenderweise als "Bankrotterklärung".

Liest man als "normaler" Bürger diese ganzen Aussagen, muss man sich zwangsweise fragen: Kann unsere Regierung wirklich nichts machen? Ist sie wirklich so machtlos?

Die Antwort darauf lautet schlicht und ergreifend: Nein. Es gibt durchaus Möglichkeiten. Der Deutsche Datenschutz hat bspw. schon eine erste Konsequenz gezogen: an amerikanische Unternehmen werden vorerst keine Genehmigungen nach dem Safe Harbor-Abkommen mehr erteilt. Auch ein offener Brief der Datenschützer wurde an die Bundesregierung versandt. Darin enthalten ist die Forderung, auch vorhandene Genehmigungen an amerikanische Unternehmen unter dem o.g. Abgekommen zu streichen. Damit könnte man Druck ausüben auf jene Unternehmen, welche wiederum Druck auf die Regierung der USA ausüben könnte. Europa ist ein wichtiger Markt für sie und ihre Lobby könnte gewiss auch einmal für positive Zwecke genutzt werden. Auch das geplante Freihandelsabkommen wäre ein passendes Druckmittel nicht nur für Deutschland, sondern auch für die EU, da die USA ein genauso großes Interesse daran haben wie Europa selbst.

Lieber Nebelbomben werfen

Möglichkeiten, etwas zu unternehmen, sind der Regierung also tatsächlich gegeben. Die Frage ist allerdings: Warum wird nichts unternommen?

In erster Linie muss man dabei die Angst und die Unterwürfigkeit gegenüber den USA ins Spiel bringen. Der beste Beweis dafür sind die Überflugsverbote und das Durchsuchen der Maschine des bolivianischen Staatschefs Evo Morales, in der Edward Snowden vermutet wurde. Das geschah genau aus den oben genannten Beweggründen. Würde ein anderes, weniger "bedrohliches" Land in diesem Umfang ausspähen, würden sich unsere Politiker vor Empörung überschlagen und sofort Gegenmaßnahmen einleiten.

Das wäre alles nicht weiter schlimm für unsere Politiker, wäre da nicht dieser recht große Bevölkerungsanteil, der solche Maßnahmen fordert. Was tut man also, um dieses Problem zu "lösen"? Ganz einfach: Man startet Ablenkungsmanöver und wirft mit Nebelbomben. Man lässt den Innenminister kurz rüberfliegen, man setzt eine Kommission zur Klärung ein, aber effektiv macht man nichts dagegen. Aber es wird zumindest irgendetwas getan, mag es auch noch so ineffektiv sein. Und das sehen natürlich die Unentschlossenen unter den Wählern. Dazu kommen dann noch ein paar Prisen von "Das ist kein Wahlkampfthema" und "Können wir so und so nichts machen" sowie "Die Geheimdienst bewegen sich Rahmen des Rechts" und schon sagt sich so mancher Wähler: "Na, wenn das so ist, dann passt das schon. Irgendwie." Und wählt wieder SPD, CDU und Grüne.

Das ganze hat einen einzigen Grund: Der Wähler soll im September nicht mit der Spionage-Affäre im Hinterkopf zur Wahlurne gehen. Würde er das nämlich tun, dann müsste er sich die Unfähigkeit der jetzigen schwarz-gelben Regierung vor Augen halten und sich an die Verfehlungen der ehemaligen rot-grünen Regierung zu diesem Thema erinnern und dürfte nichts davon wählen, womit die Stimmen hauptsächlich der Piratenpartei, den Linken und der AfD zufallen würden. Und das wäre natürlich für die etablierten Parteien fatal. Für den Bürger selbst wäre es höchstwahrscheinlich besser. Dabei gibt es allerdings ein Problem, das den etablierten Parteien in die Hände spielt: viele Menschen scheinen aus den Augen zu verlieren, was wirklich gut für sie ist. Grundrechte wie Meinungsfreiheit werden als selbstverständlich angesehen. Dabei fangen Regierungen weltweit langsam damit an, diese Grundrechte auszuhöhlen.

Selbst aktiv werden

Das Fazit daraus ist leider: Die Verschleierungstaktik funktioniert. In aktuellen Umfragen liegt die CDU immer noch weit vorn, und auch die SPD/Grünen haben noch mehr als genug Zuspruch. Man hört selbst aus informierten und gebildeteren Kreisen Aussagen wie "So schlecht macht die Merkel den Job doch gar nicht". Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte.

Es kann nur jedem geraten werden: Alternativen wählen. Und dieser Rat muss verbreitet werden, denn die meisten unserer Medien berichten nicht bis wenig über die Alternativen. Über diese Themen muss gesprochen werden, es muss diskutiert, es kann hoffentlich überzeugt werden. Ob Eltern, Großeltern oder am Stammtisch. Die politische Meinungsbildung über die klassischen Medien wird durch eine einseitige Berichterstattung getrübt. Deswegen gilt es umso mehr: selbst aktiv werden, andere Möglichkeiten aufzeigen und wählen. Denn nur so können wir Veränderungen bewirken und eines Tages auf eine Regierung hoffen, die sich nicht damit beschäftigt, Probleme zu verschleiern, sondern sie zu lösen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Steve König

Männlich, 24 sucht Demokratie zum zusammen alt werden. Ernsthafte Absichten sind ein Muss.

Steve König

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