Ideologische Instrumentarien

Ausstellung Mit "Between Walls and Windows - Architektur und Ideologie" richtet das Haus der Kulturen der Welt den Blick nach Innen und nimmt eine Selbstpositionierung vor

Wer das Haus der Kulturen der Welt in Berlin kennt, wird vielleicht gleich beim Eingang die Veränderung bemerken. Das Foyer wirkt noch großzügiger und lichtdurchfluteter, als es ohnehin schon charakteristisch für diese Ikone der Nachkriegsmoderne ist. Für die aktuelle Ausstellung Between Walls and Windows – Architektur und Ideologie wurden alle Einbauten, die nachträglich in die 1957 gebaute Kongresshalle installiert wurden, entfernt. Sitzgelegenheiten, Leitsysteme und auch die Kassenhäuschen, die das Foyer sonst beherbergt, sind verschwunden.

Das Gebäude wird dem Besucher als begehbare Großplastik und als der ideologisch gefärbter Bau zugänglich gemacht, den die USA den West-Berlinern schenkten: Innen Weite und Offenheit, ein demokratischer Raum in dem jede Position einen anderen Blickwinkel ermöglicht; außen die riskanten Bögen der Dachkonstruktion, die – im geteilten Berlin – leicht angeberisch zeigen sollten, welches politische System für Innovation steht.

Between Walls and Windows ist konzipiert als eine Art Selbstreflexion des HKW. 1989 gegründet als Institution, die vor allem außereuropäische Kulturen präsentieren sollte, vollzieht das Haus nun, wie es in den Postcolonial Studies schon länger gängige Praxis ist, den Blick nach Innen. Wer ist man selbst? Von welchem Standpunkt guckt man? Und was sind die ideologischen Ausgangspunkte, die die eigene Perspektive bestimmen?

Das Botschaftsgebäude als Bunker

Um diese Fragen kreisen die Arbeiten von zehn Künstlern, die zum Teil direkt ortsspezifische Interventionen sind, zum anderen Teil genereller die verschiedenen Aspekte zwischen Ideologie und Bauen beleuchten.

Der Kanadier Terence Gower dokumentiert in seiner Arbeit Baghdad Case Study die Entwicklung der Amerikanischen Botschaft im Irak – von den Anfängen der Planung in den fünfziger Jahren als offenes, transparentes Gebäude, das Dialogbereitschaft symbolisieren sollte, bis zu der Nachfolgebau aus dem Jahr 2009, das eher einem Bunker gleicht.

Die Politisierung von Unbeseeltem thematisiert auch die Arbeit des Berliners Arno Brandlhuber. Sein Garten der Ideologien besteht aus Orchideen-Züchtungen, die vor allem in Asien zu Staatsbesuchen verschenkt werden und die Namen der Gäste tragen: eine Kimilsungia ist genauso zu finden wie das Dendrobium Angela Merkel. Und auch an Blumen kann man Geschichte ablesen. Die Cattleya General Patton hieß früher einmal Cattleya Joseph Stalin.

Merkwürdige Allianzen

Die vielleicht aktuellste Arbeit zum Thema Ideologie der Märkte findet sich an der Garderobe. You rate it! Neither poor, nor standard! des Think Tanks Supersudaca erklärt wie die berühmt-berüchtigten Rating Agenturen funktionieren. Auf Bildschirmen wird eine fiktive Modenschau präsentiert, die Models tragen die Flaggen aller von den Vereinten Nationen anerkannten Staaten. Die aktuelle Bewertung der New Yorker Agentur Standard & Poor's wird für jedes Land eingeblendet. Je länger man zuschaut, desto mehr merkwürdige Allianzen ergeben sich: Uganda und die Ukraine haben die gleiche Benotung - ein B, noch eine Stufe unter Ramsch-Niveau. Doch kann man diese beiden Länder wirklich vergleichen, die in geopolitischer Lage, Geschichte und Größe unterschiedlicher kaum sein könnten?

Bei Supersudaca erfährt man aber nicht nur, wie Standard and Poor's Staaten bewertet, der Besucher kann selbst Ratings verteilen. Flagge aus der Garderobe auschecken, Aufkleber verteilen und schon wird aus einem „Not rated“-Staat wie Venezuela ein Land mit der Bestnote AAA. Es wird sehr deutlich: Auch für den Besucher gibt es allein in der Fiktion eine Position außerhalb des ideologischen Gefüges.

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