Tag der Menschenrechte

Vietnam Angesichts des kürzlich beschlossenen TPP-Freihandelsabkommens wird es höchste Zeit, dass Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität beim EU-Partner die Oberhand gewinnen

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Nguyen Tan Dung und Jean-Claude Juncker
Nguyen Tan Dung und Jean-Claude Juncker

Bild: EMMANUEL DUNAND/AFP/Getty Images

Angesichts der Zelebrierung des kürzlich beschlossenen TPP-Freihandelsabkommens zwischen den USA und 11 weiteren Ländern, wurde die Dynamik der Menschenrechtsdialoge besonders in Vietnam wiederbelebt.

Es heißt, Vietnam sei das wirtschaftlich am stärksten profitierende Partnerland der Transpazifischen Partnerschaft. Einziges Problem: Die sich seit Jahren verschlechternde Menschenrechtslage wird zu Gunsten wirtschaftlicher Interessen ignoriert.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte zum Tag der internationalen Menschenrechte an die globale Wahrung und Förderung der vier Grundprinzipen: freie Meinungsäußerung, freie Religionsausübung, Freiheit von Not und Freiheit von Furcht. In Vietnam, jenem vermeintlich größten Profiteuer des TPP, sind keine dieser Grundfreiheiten uneingeschränkt vertreten, vielmehr stehen Repressionen gegenüber der Zivilgesellschaft und regierungs-kritischen AktivistInnen an der Tagesordnung.

In der vergangenen Woche wurden in Hai Phong zwei vietnamesische Studierende zu sechs Monaten Haft verurteilt, weil sie auf Facebook einen Beitrag veröffentlichten, der Taxifahrer auf polizeiliche Verkehrskontrollen hinwies. Das Urteil lautete: „Illegale Informationsverbreitung im Internet“. Eine Maßnahme, die den klaren Verstoß gegen Meinungsfreiheit bedeutet.

Ähnlich ging es in derselben Woche in der Provinz Nghe An zu. Der vietnamesische Jurist Nguyen Van Dai wurde auf seinem Rückweg nach einem von ihm durchgeführten Seminar zum Thema Menschenrechte gewaltsam niedergeschlagen. Noch während der Veranstaltung forderten Polizisten nach nur 30 Minuten die sofortige Beendigung des Seminars, in dem mit Hinblick auf den Internationalen Tag der Menschenrechte über den Schutz ebenjener universellen Grundprinzipien diskutiert werden sollte. Eingeladen waren u.a. zahlreiche MenschenrechtsaktivistInnen. Dieser politisch-motivierte Angriff auf Nguyen Van Dai stellt keine Ausnahme dar. Eine polizeiliche Strafverfolgung der Täter gab es noch nie, vielmehr saß Dai wegen seiner kritischen Politikseminare bereits in Haft.

Die menschenrechtswidrige Gewalt der vietnamesischen Polizei wurde besonders beim Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping Anfang November diesen Jahres ersichtlich. Angesicht seiner aggressiven Vorgehensweise im Territorialstreit im Südchinesischen Meer demonstrierten in Hanoi und Ho Chi Minh City AktivistInnen gegen den diplomatischen Besuch des chinesischen Präsidenten. Hierbei handelte es sich um jeweils 20 DemonstrantInnen, die blutig geschlagen, verhaftet und wie Tiere abtransportiert wurden.

Die Liste solcher Fälle ist endlos, die Menschenrechtslage eskalierend. Auch Human Rights Watch warnt vor dieser desolaten Lage:

“Freedom of expression, association and assembly are tightly controlled. The police routinely use torture and beatings to extract confessions and punish detainees. Religious minorities and activists are harassed, intimidated and imprisoned. The criminal justice system lacks independence and operates under the direction of the government and party. State-run drug rehabilitation centers exploit detainees as forced laborers making goods for local markets and export. Despite the pressure, increasing numbers of courageous bloggers and activists are vocal in calling for democracy and greater freedoms.” (HRW 2015)

Trotz aller ermahnenden Einschätzungen werden Freihandelsbeziehungen mit der USA, und nun auch mit der EU, gewissenlos oder zumindest scheinheilig befangen, verabschiedet. In der schriftlichen Erklärung zum Abkommen versichert Vietnam die Einräumung von Presse- und Meinungsfreiheit, Recht auf Versammlung und Bildung autonomer Gewerkschaften, striktere Einhaltung der Umweltschutzmaßnahmen und die Lockerung von Internetregulationen. Kritiker bezweifeln, dass es überhaupt zu einer ansatzweisen Implementierung genannter Vereinbarungen kommen wird, vielmehr scheint eine Verschärfung der bisherigen Repressionen realistisch, um den noch wenigen verbliebenen Dissidenten den letzten Funken ihrer Kraft zu nehmen. Im unangenehmsten Fall verhängt die USA wegen Menschenrechtsverletzungen temporäre Sanktionen oder Verschärfungen in der Zoll- und Tarifpolitik, im besten Fall wird weggeschaut.

Wiegt die vietnamesische Regierung die individuelle Freiheit ihrer Bürger und das auf Ausbeutung beruhende Wirtschaftswachstum ab, entscheidet sie sich für Wirtschaftswachstum. Wiegt sie ihre Abhängigkeit von China und ihre Abhängigkeit von der USA ab, entscheidet sie sich für die USA. Nicht zuletzt, liegt dies der Rhetorik und Kultur-Ideologie der transnationalen kapitalistischen Klasse zugrunde: exzessiver Konsumismus, Existenzen zerstörender Wettbewerb und Deportationen und Zwangsenteignungen im Namen der Privatisierung (siehe in Van Giang, Eco Parc)

Am internationalen Tag der Menschenrechte sollte nicht „nur“ Ban Ki Moon, sondern zumindest die vietnamesische Diaspora ihren Hunger nach endlosem Wirtschaftswachstum überdenken und an die globale Implementierung universeller Menschenrechte appellieren. Es wird Zeit, dass Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in einem noch sozialistischen Land die Oberhand gewinnen. Die internationale Beteiligung an der "Online Petition Movement" kann dafür ein Anfang sein.

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