Clemens Tönnies, Unternehmer und seit 2001 Aufsichtsratsvorsitzender des Fußballclubs Schalke 04, hat in einer Rede beim Tag des Handwerks in Paderborn Afrikaner pauschal beleidigt und diskriminiert. Laut einem Artikel in der Zeitung Neue Westfälische habe er gesagt, er würde gerne im Jahr 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren.“
In verschiedenen Medien wurde er dafür kritisiert und seine Aussagen wurden als rassistisch bewertet. Hans Sarpei und Gerald Asamoah, ehemalige Schalke-Spieler und Ikonen des Vereins verurteilten die Aussagen entschieden:
„Die Aussagen von #Toennies zeigen ein Weltbild, dass an die Kolonialzeit erinnert. Es sind rassistische Bemerkungen, die in keinster Weise mit dem Leitbild des @s04 vereinbar sind.“ (Hans Sarpei auf Twitter am 02. 08.2019).
„Seine Äußerung hat mich sehr überrascht, geschockt und auch verletzt. […] Er beleidigt mich und alle anderen Betroffenen" (Gerald Asamoah auf Instagram am 05.08.2019).
Am 06.08.2019, noch während der Sitzung des Ehrenrats des Vereins, der zusammengekommen war, um über Konsequenzen innerhalb des Vereins und den Verbleib des Managers an der Spitze des Aufsichtsrats zu befinden, äußerte sich Kai Gniffke, Intendant des SWR und Chefradakteur der Tagesthemen in dieser Sendung in einem Kommentar zu der Angelegenheit. Seine Argumentation ist ebenso sehenswert wie bedenklich und verlangt klaren Widerspruch.
Ich kenne Clemens Tönnies nicht und ich kann daher nicht beurteilen, ob er ein Rassist ist. Aber seine Aussage war nicht nur „Blödsinn“ und eine „Zumutung“ als die sie Kai Gniffke leichtfertig abwiegelt, sondern sie war rassistisch und muss daher als solche benannt werden! Rassismus ist tatsächlich eklig, Rassismus ist menschverachtend und Rassismus ist aggressiv – da ist Gniffke zuzustimmen. Und ja, genauso ist richtig, dass wir Rassismus nirgends verharmlosen dürfen!
Wir kennen die lauten, die widerlichen, die gemeingefährlichen Rassisten, die pöbeln und ihre abwertenden und menschenverachtenden Parolen grölend verkünden. Es gibt aber auch die leisen Rassisten, die im Schafspelz der Kultur und des Anstands gekleidet auftreten und ihre ebenso abwertenden, ebenso menschenverachtenden Meinungen geschickt verpackt und wohldosiert verbreiten. Viele Protagonisten in der AfD „kultivieren“ diese diabolische Kunst und ihr Ziel ist es gerade, die „Grenzen verschwimmen“ zu lassen, die Grenzen des Sagbaren. Der Literaturwissenschaftler Heinrich Detering hat dies in einem sehr lesenswerten Essay anschaulich geschildert („Was heißt hier „wir“?“ – Reclam, 2019).
Geschwätz, das wir als „gedankenlos gestrig“ oder als „Altherrengeschwätz“ verharmlosen ist häufig, ist meist rassistisch. Wir dürfen nicht den Rassisten auf den Leim gehen, indem wir dieses Geschwätz akzeptieren oder als belanglos entschuldigen. Nicht durch eine Kritik am Unsagbaren spielen wir den braunen Hetzern in die Hände, sondern durch eine offene oder eine stillschweigende Legitimierung oder eine Verharmlosung des Gesagten. Wenn Menschen „gedankenverloren alte Vorurteile pflegen“ und diese eine Gruppe von Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft herabwürdigen, ist dies rassistisch. Die Grenze des Akzeptablen wird an dieser Stelle bereits überschritten und nicht erst, wenn Menschen ihren Hass im laut grölenden braunen Mob auf die Straße tragen oder wenn sie physische Gewalt gegen „die Anderen“ ausüben. Wir sollten die Macht der Worte nicht unterschätzen – Journalisten als diejenigen, die mit Worten, die mit der Sprache arbeiten, schon gar nicht!
Nach der Sitzung des Ehrenrats verkündete Tönnies, dass er seine Funktion im Verein drei Monate ruhen lassen werde. Der Ehrenrat kam zum Ergebnis, „dass der gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden des S04, Clemens Tönnies, erhobene Vorwurf des Rassismus unbegründet ist. Vorzuwerfen ist ihm allerdings, gegen das in der Vereinssatzung und im Leitbild verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen zu haben.“
Hier irrt der Ehrenrat, denn Diskriminierung von Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft ist Rassismus und es ist die Verantwortung eines solchen „Ehrenrats“, dies auch so zu benennen – ohne Ausflüchte und ohne Relativierungen. Wenn Tönnies selbst diese Einsicht nicht erbringt, sollten wenigstens der Ehrenrat wie auch der gesamte Verein ihrer Verantwortung nachkommen und die notwendigen Konsequenzen ziehen. Wir dürfen nicht akzeptieren, dass die Grenzen immer weiter verschwimmen und Fremdenfeindlichkeit und Rassismus wieder hoffähig werden!
Kommentare 7
so viele abwertende Adjektive, so wenig Gehalt ...
Wäre eine Beleidigung eigentlich weniger schlimm, wenn es "nur" eine Beleidigung statt einer "rassistischen Beleidigung" wäre? Und wäre, weitergedacht, eine "einfache" Vergewaltigung schlimmer als eine "rassistische Vergewaltigung"? Ein "einfacher" Mord weniger schlimm als ein "rassistischer Mord"?
Tönnies hat sich mit seiner Bemerkung als Drecksack qualifiziert. Zu dieser Feststellung bedarf es keiner weitergehenden Qualifizierung seiner Aussage als "rassistisch". Die Schärfe, die sich im Blogtext als Freude an einer langen Reihung negativ besetzter Adjektive kundtut, wird gerade durch diese lange Reihung wieder entschärft.
"Wir dürfen nicht akzeptieren, dass die Grenzen immer weiter verschwimmen und Fremdenfeindlichkeit und Rassismus wieder hoffähig werden!"
Die Grenzen verschwimmen auch dadurch, dass man zulässt, das Rassisten (also gemeingefährliche, abwertende und die Menschenwürde verachtende Menschen) in einer Masse untertauchen. Diese Masse wird erzeugt, wenn man Menschen wie Clemens Tönnies aufgrund eines einzigen Satzes zu einem Rassisten erklärt.
Mich würde etwas anderes interessieren. Investiert Herr Tönnies in Afrika, oder labert er nur?
Ist der Tönnies erst ab jetzt ein schlimmer Mensch, weil er diese Sätze gesagt hat? Der Autor und mit ihm viele aus der Mainstreampresse gerieren sich zutiefst empört über Tönnies ausgesprochene Gedanken. Das macht einem den Mund zu, denn allzuleicht könnte man unbedachter Weise in diesen Fettnapf treten. Schwieriger zu umschiffen sind nur noch die Stromschnellen der gegenderten Sprache.
Der Autor warnt uns alle: "Wir dürfen nicht den Rassisten auf den Leim gehen, indem wir dieses Geschwätz akzeptieren oder als belanglos entschuldigen."
Wir sollten aber auch die Kneipe im Dorf lassen. Tönnies ist Milliardär. Er nutzt die kapitalistischen Freiräume bis zur Neige, indem er seit Jahren mit nur einem geringen Teil tariflich abgesicherter Arbeitsverhältnisse auskommt, sonst jedoch auf Werksvertragnehmer aus dem In- und Ausland setzt, vornehmlich aus dem osteuropäischen.
Jochen Empen von der Beratungsstelle »Faire Mobilität« sagt dazu: »Diese Betriebe haben einen Werkvertrag mit dem deutschen Unternehmen und müssen eine gewisse Leistung in einem gewissen Zeitraum abliefern, sonst verlieren sie ihn wieder. Das schaffen sie nur, wenn ihre Arbeiter schnell und lange arbeiten und nicht krank werden. Dabei müssen sie auch noch günstiger sein als andere Anbieter, denn der Wettbewerb um die Aufträge ist knallhart.«
Sein Gebaren als Geschäftsmann wurde von den Tönnies'schen Rassismuskritikern bisher nicht wahrgenommen oder als - um ein Wort des Autors aufzugreifen - "belanglos" erachtet. Deshalb ist diese Empörungswelle wenig überzeugend.
Gebe Ihnen vollkommen Recht. Rassismus, der alltägliche und schlimmer noch der latente, haben sich unbemerkt in unserer Gesellschaft gehalten und wieder ausgebreitet. Rassismus ist nicht schwarz, es ist die Mißachtung, Minderbewertung anderer Menschen, es zeigt sich nicht im Bild des "Neger", der die untersten Arbeiten erledigt. Wir sind die Rassisten, die gedankenlos, selbstverständlich und mit zunehmender Arroganz hinnehmen, dass andere die Drecksarbeit machen, "die werden doch bezahlt". Mir ist die deutliche Sprache eines Tönnis lieber, da weiß ich, was ich zu denken habe.
Das Problem ist nicht, was ein Herr Tönnies sagt, sondern welches Bild von Afrika bei uns das vorherrschende ist. Der eine lässt es ungeschickterweise ungefiltert raus. Die anderen spüren irgendwie, dass sich das nicht gehört. Das heißt aber nicht, dass ein Herr Tönnies, "Rassmus WIEDER hoffähig macht." Der Rassismus, Vorurteile, Diskriminierungen sind in den meisten Köpfen, in den gesetzlichen Regelungen und in vielen Bereichen der Entwicklungshilfe voranden. Schon allein das Wort "Entwicklungshilfe" ist diskriminierend, denn es unterscheidet zwischen den entwicklten Staaten (das sind wir) und den "unterentwicklten", denen wir sagen müssen, wo es langgeht. Letztere sind oft diejenigen, die einen deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck haben als wir .... Also: Tönnies ist nur ein Symptom. Ich habe ihm mal unterstellt, dass er wie all die Menschen, die die Afrikaner bemitleiden, weil sie so "unterentwicklt" sind, es am Ende gut gemeint hat. Solchen Äußerungen sollte man mit Ironie begegnen und den alltäglichen Rassismus, der subtil und daher unbeachtet daher kommt, mal ins Visier nehmen.Tönnies: Vom Clemens zum Demens zum Paulus?
Tönnies ist der Franz von Papen der Revier-Sportfunktionärsszene.