Die Alte Pinakothek in München ist ein gut besuchtes Museum. Die ständige Sammlung hat so viele Spitzenwerke zu bieten, dass laufende Sonderausstellungen nicht nötig sind, um das Haus zu füllen. Deshalb ist jede Ausstellung ein großes Ereignis. Meistens werden dabei Werke der Sammlung in einen größeren Zusammenhang gestellt, man kann davon ausgehen, dass die Vorbereitungszeit Jahre gedauert hat, und das Ergebnis ist fundiert und interessant.
Im Moment lockt jedoch Venus, die Göttin der Liebe, in die alte Pinakothek, und die Massen strömen. Vierzig Gemälde aus aller Welt, Zeichnungen und Druckgraphik, wurden zusammengetragen, um das Bild der Göttin über die Zeiten von der Renaissance bis ins beginnende 20. Jahrhundert zu zeigen. Allein die Künstlernamen Botticelli, Tizian, Rubens, Watteau, Cézanne und Beckmann versprechen großartige Kunstwerke, und auf Plakat und Katalog prangt freigestellt die Venus von Botticelli aus den Florentiner Uffizien. So hat es wenigstens den Anschein. Doch dies Gemälde war natürlich nicht zu haben, ebenso wenig wie die Venus von Urbino von Tizian. Dennoch wurden erstaunliche Werke zusammengetragen, auch wenn man sich mit einem Werkstattbild der Venus von Botticelli begnügen musste, auf dem lediglich die Göttin zu sehen ist, ohne Wasser, Muschel und Begleitpersonen. Im Vergleich zu ihrem Florentiner Vorbild wirkt die Dame etwas hölzern.
Vierzig Gemälde zeigen also Darstellungen der Venus mit Amor, mit Mars, mit Vulkan, mit Adonis, geordnet nach Zeiten und Orten. Schrifttafeln erläutern, welche Bedeutung die Venusbilder in der Kunst der italienischen Renaissance, in Frankreich und den Niederlanden des 17. Jahrhunderts, in Frankreich dann auch im 18. Und 19. Jahrhundert hatten. Dazu kommen noch wenige deutsche Beispiele von Cranach bis Corinth und Beckmann. Es ist ein Fest für die Augen, Voyeure haben ihren Spaß an den nackten Frauengestalten, die so viel sinnlicher dargestellt sind, als auf heutigen Werbeplakaten.
Doch viel mehr als Augenschmaus bietet die Ausstellung nicht (und will es vermutlich auch gar nicht). Es bleiben unendlich viele Fragen offen, die auch der schwergewichtige Katalog nicht beantwortet. In ihm werden zwar die Venustypen in der Kunst wissenschaftlich analysiert und darauf hingewiesen, dass das Thema der Venus Vorwand für Aktdarstellungen war, nicht aber allgemeine Fragen beantwortet. So wird weder das Verhältnis der Venusbilder zur Stellung der Frau in den unterschiedlichen Zeiten beleuchtet noch der Umstand, warum ausgerechnet die Göttin der Liebe mit dem hässlichsten aller Götter, Vulkan (griechisch Hephaistos), verheiratet war, dem Gott des Feuers und der Schmiede, den sie pausenlos betrog. Und warum war einer dieser Liebhaber ausgerechnet Mars, der Kriegsgott?
Ohne inhaltliche Fragen zu berühren, erstarren die auf edlem rotem Samt präsentierten Bilder zu einer akademischen Ausstellung, die auf Kennerschaft und Vergnügungssucht setzt. Inhaltliche Fragen sind offensichtlich unpopulär geworden. Die Lust, sich amüsieren zu wollen, ob im Freizeitpark oder in einer (angeblich) anspruchsvollen Ausstellung, wird inzwischen nicht nur von privaten Kunsthallen bedient, bei denen die Kasse stimmen muss, sondern auch von staatlichen Häusern, die einem Bildungsauftrag verpflichtet sind. Und so gerät die Kunst, die nicht nur Geschichten, sondern vor allem Geschichte erzählt, weiter in den Strom des Vergnügens, das zu konsumieren sich lohnt ohne dabei Erkenntnisse zu gewinnen, die für historische Zusammenhänge oder gar für das eigene Leben von Interesse wären.
Die Ausstellung ist noch bis 22. April 2001 zu sehen. Der Katalog kostet 45,- DM
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.