Beschweren ist eine Lebensentscheidung

Die Ratgeberin Unsere Autorin verzweifelt an ihrem Internet-Anbieter: Über das Ersatzinternet, das Ersatzersatzinternet und Profi-Beschwerdetechniken
Ausgabe 40/2017
Empfang ist Glückssache
Empfang ist Glückssache

Foto: MiS/Imago

Seit Wochen ist dauernd das Internet weg. Dann ist es wieder da. Juhu! Und schwupps – wieder weg. Aus allen Zimmern gellen dann die Entsetzensschreie. Die Teenagerin fordert: „Ihr müsst euch mal beschweren, wir zahlen doch dafür!“ Nicht nur der elegante Switch von „ihr müsst“, weil „wir zahlen“, rührt mich. Zu Herzen geht mir ihre Unschuld: Sie glaubt, dass es irgendwo Leute gibt, die sich um unser Internet kümmern. Das ist so süß! Sie weiß noch nicht, dass Beschweren eine Lebensentscheidung ist, die man sich gut überlegen sollte.

Will man wirklich seinen Job aufgeben, um sich am Ende zerrüttet irgendwo nackt anzuketten? Will man das? Oder will man lieber ein Ersatzinternet? Zum Beispiel eine kleine Mobilflat auf dem Handy. Meine gibt dubioserweise seit Neuestem nach nur drei Snapchat-Snaps den Geist auf. Ob ich mich da schon beschwert hätte, will meine Tochter wissen. Ich grinse diabolisch und erkläre wahrheitsgemäß: „Unser ehemals sehr guter Ersatzinternet-Anbieter ist – nachdem er wie alle guten Sachen aufgekauft wurde – untergetaucht. Der hat nicht mal mehr eine Postadresse!“ Ich habe bereits ein Ersatzersatzinternet. Einen Webstick. Gleich geht’s los. Nur noch schnell das Stickgehäuse abschieben oder es den Mann abschieben lassen oder die Tochter, die schiebt und sagt: „Der geht nicht auf, du musst dich beschweren!“ Nein, nein, nein! Andererseits will ich auch kein Ersatzersatzersatzinternet. Mit Nachbars Internet ergoogle ich mir Profi-Beschwerdetechniken. Der Stick gehe nicht auf, laut §1452k ein Fall für die Garantie, schreibe ich dem Support, um mich als Fuchs des AGB-Rechts zu outen. Begeistert schickt man mir eine Anleitung, wie ich den Stick aufschieben soll. Ich bedanke mich für diese sehr gut verständliche Anleitung, die ich jetzt doppelt hätte. Als kleine Aufmunterung ergänze ich, dass sich das Gehäuse nach meiner Einschätzung allenfalls wegsprengen ließe.

Tage später – nach einem Erinnerungsgruß von mir – fordern sie Fotos des Sticks an. Fotos!? Ich hätte den Witz mit dem Wegsprengen nicht machen sollen. Zehn Tage später erkläre ich den Stick-Hersteller zum Eskalationsfall. Ich schleiche mich auf sein Facebook-Profil und beschwere mich dort lauthals. Es funktioniert! Ich bekomme einen Retourenschein. Benebelt vom Erfolg fahnde ich auch nach dem Profil des untergetauchten Ersatzinternet-Anbieters. Viele Leute hatten bereits vor mir die Idee. Die meisten wollen wissen, wann dieser unterirdische Saftladen ihnen ihr Geld erstattet. Der Anbieter verweist an die Hotline, worauf ein Raunen durch die Menge geht: „Waaas? Es gibt eine Hotline?“ Aber auch: „Hotline?! Hört auf, uns hier zu verarschen!!!“ Fünf Minuten später sieht auch der Anbieter ein, dass er keine Hotline hat, und rät zum Chat. „Chat?! Hört auf, uns hier zu verarschen!!!“ Hm. Will ich mich da jetzt reinwerfen – mit meinen Profi-Beschwerdetechniken? Oder will ich lieber mal Glück haben? Mein Ersatzersatzinternet-Hersteller meldet nämlich: Mein Stick sei irreparabel. Deshalb bekomme ich bald einen neuen. Keine Ahnung, was ich mache, wenn der auch nicht aufgeht.

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