Der Eisenhower und ich

Die Ratgeberin Wer besorgt die Schürsenkel? Anstatt die Frage zu stellen, sollte man den Job delegieren. Das kann man lernen
Ausgabe 20/2015
Das Eisenhower-Prinzip: Aufgaben in wichtig/unwichtig und eilig/nicht eilig unterteilen
Das Eisenhower-Prinzip: Aufgaben in wichtig/unwichtig und eilig/nicht eilig unterteilen

Foto: M. McNeill/Fox Photos/Getty Images

Noch ahnen sie nichts bei mir zu Hause. Davon, dass ich sie heute doll fördere, ihnen echt mal was zutraue, Verantwortung übertrage. Denn ich delegiere heute. Und zwar nicht so nach Frauenart: „Würdest du vielleicht bitte mal ...“, „Hach, jemand müsste dringend ...“ oder „Mir träumte heute Nacht, dass ...“ So was ist Quatsch.

Ein seit Jahrtausenden von Frauen praktizierter Quatsch, der zu nichts und wieder nichts führt. Damit ist jetzt Schluss. Nach der SMART-Regel muss die zu delegierende Aufgabe spezifisch sein eine Bananenschale wegräumen), messbar eine Bananenschale auf dem Tisch), attraktiv (Wegräumen macht Spaß), realistisch (du schaffst das) und terminiert (bis 18.30 Uhr). Moment, mein Handy piepst. SMS vom Mann: „Gehst du noch einkaufen? Hab die Milch vergessen“ (Wahnsinn, wie schlecht der delegiert).

Denn nach der SMART-Regel soll man vor allem solche Aufgaben delegieren, die man selber gern übernehmen würde. Wie bitte? Dann bleibt ja der ganze Mist für mich übrig. Elegant wechsle ich zum Eisenhower-Prinzip. Das ist simpler. Man soll alle Aufgaben in wichtig/unwichtig sowie eilig/nicht eilig unterteilen. Die eiligen und unwichtigen können delegiert werden. Was hatte US-Präsident Dwight D. Eisenhower wohl für eilige, aber unwichtige Aufgaben zu erledigen?

Moment, die Tür geht auf, jemand schmeißt mir einen Zettel hin mit den Worten: „Hier, Mama, unterschreiben, dringend!“ Ich schaue auf und sehe den Sohn im Türrahmen stehen, hinter ihm der überquellende Altpapiereimer. Eisenhower hätte den Eimer schon längst wegdelegiert: „Frau Mitarbeiterin“, hätte er gesagt, „schaffen Sie das Papier hinfort!“ Mein Handy piepst wieder: „Brot auch vergessen. Mist!“ Konzentration: An wen delegiere ich nun? Der Mann ist nicht da. Der Sohn?

Für die Position „Sohn“ hängt im Flur sogar eine erst kürzlich aktualisierte Stellenbeschreibung. Unter Punkt zwei steht da: „Kleinere Aufträge werden ohne Murren erledigt.“ Eine gute Grundlage. „Mama? Was ist jetzt mit dem Zettel?“, will der Stelleninhaber wissen. „Moment, muss noch schnell ...“ Gerade Frauen sollen sich ihre Delegiersätze vorher aufschreiben und alle Nettigkeiten rausstreichen. So. Fertig: „Bis spätestens 18 Uhr hast du das Altpapier runtergebracht“, erkläre ich dem Sohn. „Ähm“, erwidert der, „apropos, ich brauch ein neues Matheheft.“ Verdammt! In meinen Delegieranleitungen steht nichts davon, dass Mitarbeiter mit Gegenaufträgen kontern. Nur eine Rückdelegation ist hier beschrieben. Die wende ich jetzt einfach selbst an: „Wenn du eh den Müll runterbringst, gehst du gleich noch weiter und kaufst dir ein neues Matheheft. Und Brot und Milch brauchen wir auch noch.“ Oho, der Mitarbeiter zieht – leise murrend – ab. Wie genial ist das denn? Der Eisenhower und ich!

Wie jede große Führungskraft kann ich nun auch in aller Ruhe meine Stärken und Schwächen bearbeiten. Zum Beispiel die ganzen Schwächen aus diesem Text herausredigieren. „Kannst dir ja noch ein Eis mitbringen“, rufe ich gönnerhaft in den Flur und pfeife fröhlich vor mich hin. Bis ich ein Fluchen höre. „Mama! Mein Schnürsenkel ist gerissen. Wie soll ich jetzt ohne ...? Es geht nicht.“ Wieso? „Haben wir keine Schnürsenkel mehr?“, schreie ich. „Nee!“, brüllt es zurück. „Dann halt ohne!“ – „Geht nicht!“ Jetzt ist es wichtig, cool zu bleiben, habe ich im Internet gelesen. „Du wirst eine Lösung finden. Ich erwarte etwas mehr Selbstverantwortung“, deklamiere ich. Stille.

Wenige Minuten später piepst mein Handy, der Mann: „Unser Sohn braucht auch noch Schnürsenkel :-)“ Nein, nein, nein! Diese Nachricht ist nie bei mir angekommen. Passiert manchmal, dass die einfach nicht zugestellt werden. Schnell tippe ich: „Ach, übrigens, du musst noch Schnürsenkel besorgen. Für den Sohn. Wichtig!“ Senden. Geschafft!

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