Der passende Job für jede Körpertemperatur

Glosse des Tages Schweizer Ärzte und Arbeitgeber empfehlen Kranken, im Homeoffice weiterzuarbeiten. Unsere Kolumnistin hat die Grippe und konnte es ausprobieren
Home Office, 1919
Home Office, 1919

Foto: Topical Press Agency/Getty Images

Im heroischen Kampf gegen meine Grippe schreibe ich diese fiebrigen Worte. Denn: "Leichte Tätigkeiten, die einen Kranken von seinem Leiden ablenken, können sehr wohl den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen." So lese ich in einem Kommentar zu einem aktuellen, vieldiskutierten Vorschlag aus der Schweiz. Arbeitgeber und Ärzte fordern dort: Kranke Arbeitnehmer könnten und sollten – mit reduziertem Pensum – im Homeoffice weiterarbeiten.

Als Freiberufliche nutze ich die Möglichkeit, mich durch Arbeit zu kurieren, natürlich schon länger. Und ich kann nur sagen: Ja, es verblüfft mich immer wieder aufs Neue, dass ich für eine leichte Tätigkeit, die ich normalerweise in zehn Minuten erledigt hätte, dann mindestens eine Stunde brauche. Dann schlafe ich ein Stündchen, um danach die Fehler der gearbeiteten Stunde zu korrigieren. Selbst ein komplett fiebriges Gehirn kommt so mittels Selbstbeschimpfung wieder etwas auf Touren. Während der Kranke, der NUR krank ist, ohne geistige Anregung immer tiefer in seinen elenden Dämmerzustand hinabrauscht und womöglich nie wieder herausfinden wird. Schlimm!

In den etwas längeren Pausen, die ich mir nun gönne, kann ich sogar Pläne entwerfen, wie das Leben weitergehen könnte, falls mein vermindertes Arbeitstempo gar nicht auf die Grippe zurückzuführen ist, denn wer weiß das schon. Oder bin ich überhaupt nur krank geworden, weil ich immer schon Zeugs, das ich eigentlich nicht einmal in einer Stunde schaffe, in zehn Minuten zu erledigen suchte? Gut möglich. Auf keinen Fall kann es verkehrt sein, wenn ich als arbeitende Kranke nach Jobs suche, die meinem aktuellen Gesundheitszustand besser entsprechen als diese Kolumne hier zu schreiben.

Schmerzlich vermisse ich dabei ein Internetportal, auf dem sich Stellenangebote nach erforderlicher Körpertemperatur (37, 38, 39, 40, 41 ...) filtern ließen. Wäre doch praktisch. So könnte ein Firmenchef, der zum Beispiel wie ich mit einer Grippe darniederliegt und in seinem Zustand natürlich keine wichtigen Entscheidungen mehr treffen sollte (maximal 37,2 Grad Körpertemperatur), schnell in die Poststelle seiner Firma vermittelt werden. In einem abgetrennten Raum könnte er in aller Ruhe ein paar Briefe sortieren (geht vielleicht sogar bis 38,9 Grad, aber das vermag ein Schweizer Arzt sicher besser und genauer zu sagen). Auf der Poststelle kann der Firmenchef wenig Schaden anrichten und tut zudem noch was für seine Gesundung (lenkt sich von seinem Leiden ab).

Warum nicht? Das wäre ganz leicht zu organisieren. Man marschiert zum Arzt und dieser – anstatt einen einfach arbeitsunfähig zu schreiben – guckt genauer: Was kann diese Person in ihrem derzeitigen Zustand noch für die Gesellschaft beziehungsweise für welche Firma leisten? Die entsprechenden Arbeitsempfehlungen werden per Rezept verschrieben: "Leichtes Telefonieren im Callcenter – zur Stimmerhaltung, 4h täglich + Ibuprofen 50.950mg, 3x täglich". In der Apotheke holen sich die arbeitenden Kranken dann nicht nur ihre Medikamente, sondern auch die Kontaktdaten zu ihrer Krankenarbeitsstelle.

Noch zu klären wäre, ob die Krankenkassen die gesamten Kosten dafür übernehmen. Oder hat jetzt jemand gedacht, dass man für diese Arbeiten Geld kriegen sollte? Hehe! Ist doch Therapie. Mir selbst geht es inzwischen allerdings wieder derart gut, dass es sich bei dieser Kolumne um die kostenpflichtige Arbeit einer komplett Gesunden handelt. Ich schwöre es hüstelnd.

Susanne Berkenheger schreibt alle vier Wochen für den Freitag die Kolumne Die Ratgeberin

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