Ich mach einfach mal nix! Und das effizient

Sommer Unsere Kolumnistin entdeckt die Sonnen- und Schattenseiten des Müßiggangs
Ausgabe 27/2019
Am siebten Tag ruhte sich Gott von seiner Arbeit aus und sprach: „Ich habe große Lust auf Milchkaffee."
Am siebten Tag ruhte sich Gott von seiner Arbeit aus und sprach: „Ich habe große Lust auf Milchkaffee."

Foto: Imago Images/Westend61

Diesen Sommer wollte ich eine Woche lang nichts mehr machen, einfach gar nichts. Als ich am ersten Morgen dieses königlichen Nichtstuns aufwache, habe ich große Lust auf Milchkaffee. Aber wie kann ein Mensch, der nichts tun will, sich einen solchen beschaffen? Ohne Sklaven? Oder einen anderen Menschen, der nicht gleichzeitig nichts tun will. Okay, natürlich erkenne ich den gedanklichen Fehlschluss. Milchkaffee trinken ist nicht Nichtstun, muss also wie alles, was nicht Nichtstun ist, erarbeitet werden - von einem selbst oder eben von Sklaven. Während ich darüber nachdenke, kommt der Sohn, der ebenfalls nichts tun will, weil ja Ferien sind, und fragt, ob ich vielleicht Kaffee mache. Ich raffe mich also auf, koche Kaffee, dann wieder: Nichtstun.

Für kurze Zeit gelingt es. Dann beginne ich zu müffeln. Ich beschließe zu duschen. Nach dieser Anstrengung bekomme ich Hunger. Woher kriege ich etwas Essbares? Sklaven könnten mir ein herrliches Mahl zubereiten, mich danach in einer Sänfte in eine Strandbar tragen und mir dort einen Apérol Spritz reichen und ...

Ich glaube, eins ist klar geworden: Meine Idee vom Nichtstun ist menschenverachtend, weil sie nur mit Sklaven funktioniert. In „Herrenhaus und Sklavenhütte“ beschreibt der brasilianische Soziologe Gilberto Freyre meinen Traum: „Der Herr verließ die Hängematte weder, um den Sklaven Befehle zu erteilen, noch um seinem Plantagenschreiber oder Kaplan Briefe zu diktieren, noch um mit einem Verwandten oder Kumpan ein Spielchen zu machen. Fast immer reiste er in der Hängematte, denn er hatte keine Lust zu reiten, lieber ließ er sich in der Hängematte schütteln wie ein Pudding in der Schüssel.“ Das ist es. Ich will ein Wackelpudding sein. Gibt es inzwischen sklavenfreie Lösungen hierfür?

Das Internet überschlägt sich erst mal vor Begeisterung: Nichtstun sei das Beste überhaupt - für alles. Wir müssten viel mehr nichts tun, hätten es aber verlernt. Aber Hilfe naht: „Überlegen Sie, wie Sie Ihr Nichtstun mit Leben füllen möchten“, lese ich und weiter: „Nichtstun bedeutet, das zu tun, was Ihnen im Moment wichtig ist. Vielleicht genießen Sie es, einfach auf der Couch zu liegen, vielleicht hören Sie schöne Musik, vielleicht ist es auch der Spaziergang mit dem Hund oder die Joggingrunde.“

Oder – um diesen Ansatz weiter auszuführen – Sie spekulieren ein bisschen am Aktienmarkt, misten die Wohnung aus, graben den Garten um oder machen ihre Steuererklärung. Wichtig ist nur, dass Sie sich bewusst für dieses Nichtstun entscheiden und Ihr Umfeld informieren: Jetzt ist Quality-Time für mein Selbst. Falls Sie einen Hund haben, wäre es natürlich günstig, wenn Ihnen mehrmals täglich wichtig wäre, ihn Gassi zu führen. Sonst müssen Sie den Hundespaziergang doch wieder auf die Todo-Liste setzen. Dasselbe gilt für viele andere Nichtstun-Aktivitäten. Denken Sie nach! Alles, was Sie nicht in ihrer Nichtstun-Zeit schaffen, müssen Sie in der anderen, der schweißtreibenden Zeit erledigen. Das bedeutet: Leute, die in ihrer Nichtstun-Zeit genüsslich ihre Steuererklärung machen, sind fein raus. Aber das nur so als Randbemerkung. Muss jeder selbst erspüren, was für ihn Nichtstun ist.

Nur eines sollten Sie in Ihrer Nichtstun-Zeit nicht tun, nämlich einfach gar nichts! Studien zufolge soll das derart qualvoll sein, dass viele Probanden um Elektroschocks betteln. Hm. Vielleicht ist das die moderne Lösung fürs Wackelpudding-Feeling.

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