„Ist das wirklich eine gute Entscheidung?“

Die Ratgeberin Wussten Sie schon, dass 36 Prozent aller Reisenden krank werden? Doch damit gehen die Risiken erst los. Unsere Autorin hat schon Angst, ob sie überhaupt je zurückkommt
Ausgabe 28/2017
Fliegen war immer schon riskant
Fliegen war immer schon riskant

Foto: Topical Press Agency/Getty Images

Demnächst fliege ich nach Sofia in Bulgarien. Ob ich wiederkomme, ist unklar. Zwar habe ich hin und zurück gebucht, aber die Reiserisiken sind gigantisch. Das Flugportal hat mir jeden erdenklichen Schutz angeboten. Ich wollte ihn nicht. Eine Glühbirne des Denkens leuchtete auf meinem Bildschirm auf und fragte: Wussten Sie schon, dass 36 Prozent aller Reisenden krank werden? Ich stutzte. Hieß das, dass in den Fliegern, die dieses Portal vermittelt, 36 Prozent aller Passagiere vor sich hin röcheln? Und was haben die? Handelt es sich um hochansteckende Infektionen? Brauche ich deshalb diese Versicherung, bei der ich im ersten Versicherungsjahr sogar 48 Euro spare? Kein anderes Problem trete so häufig auf wie diese fürchterliche Flieger-Seuche.

Aber auch die anderen 64 Prozent aller Reisenden haben wenig zu lachen. Von 19,5 Prozent wird das Gepäck vernichtet, 16,5 Prozent werden beklaut –wahrscheinlich von den Passagieren, die immun gegen das fürchterliche Killervirus sind. 12,5 Prozent erleiden einen Unfall und 10,5 Prozent werden Opfer eines Verbrechens. Wahnsinn! Eine Studie zu weiteren Risiken ist verlinkt, ich traue mich nicht, sie aufzurufen. Für nur 4,99 Euro im Monat wäre ich gegen all diese Bedrohungen geschützt. Ein absurdes Versprechen: Wie soll mich dieser lächerliche Betrag gegen derart geballt auftretende Gefahren versichern? Darauf falle ich nicht rein: Nein danke.

Das Portal reagiert entsetzt mit einer blutroten Alarmmeldung: „Ist das wirklich eine gute Entscheidung?“, fragt es mich. Und: Nein, es ist eine extrem schlechte, erfahre ich. Zehn andere Leute in den vergangenen vier Stunden trafen eine bessere Entscheidung und werden bald über mich spotten. Noch könnte ich es ihnen gleichtun. Aber ich bin beratungsresistent. Von Triumphgefühlen begleitet schlage ich alle Warnungen in den Wind. Ein Rundum-Sorglos-Paket? Wozu? Nach all den falschen Entscheidungen, die ich bereits getroffen habe, werde ich ja wohl kaum noch sorglos fliegen können.

Ich will zur Kasse, doch das Portal versucht ein letztes Mal, das Schlimmste von mir abzuwenden. Denn: Wusste ich, dass 19,5 Prozent aller Reisenden ihr Gepäck nicht wiederbekommen? Jaha, in der Tat, das wusste ich schon. Von gerade eben. Auch dass meine nicht erkrankten Mitpassagiere während des Fluges über mich herfallen werden, habe ich bereits gelesen. Das schockt mich jetzt nicht mehr. Über den gefetteten, tiefroten Alarm „Bedenken Sie!“, nämlich, wie fürchterlich alles für mich enden wird, lache ich herzlich. Dann plötzlich – ich weiß auch nicht, warum – schießen seltsame Fragen durch meinen Kopf: Was, wenn es genau jene 36 Prozent aller Reisenden, die keine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen haben, vor dem Flug regelmäßig dahinrafft? Was, wenn ausgerechnet und rein zufällig das Gepäck jener 19,5 Prozent aller Reisenden, die zu geizig für eine Gepäckversicherung sind, in spontaner, unkontrollierbarer Wut zerfetzt wird? Was, wenn just die armen 10,5 Prozent, die sich nicht gegen Kriminalität versichern, überfallen werden? Hm. Also, das wäre ja … Unsinn natürlich, kompletter, bösartiger, womöglich gar justiziabler Unsinn, den ich hier auf keinen Fall behaupte. Weil ich ja auch wiederkommen will.

Aber für den Fall, dass organisierte Verbrecher einmal ihre Schutzgeldaktivitäten auf Flugpassagiere ausdehnen wollen und nach einer geeigneten Kommunikationsstrategie dafür suchen: Voilà, Flugportal kopieren, fertig.

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