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Die Ratgeberin Wie Sie Ihren E-Mail-Verkehr geregelt kriegen
Ausgabe 04/2015

Heute werden meine E-Mail-Partner aber gucken. Heute kriege ich die Dinge nach der Getting-Things-Done-Methode von David Allen geregelt. Und das geht so: Alles, was maximal zwei Minuten dauert, also die Beantwortung der allermeisten E-Mails, wird sofort und ohne dass ich mich dabei gedanklich zu sehr darauf einlasse, erledigt. Gut. Ich zähle 21 derartige E-Mails in meinem Postfach. Das wären dann, ich überschlage kurz ... 42 Minuten? Na ja, ich hatte mir die Zeitersparnis größer vorgestellt. Allein schon durch diese Rechnung habe ich eine weitere Viertel-E-Mail-Zeit verschwendet. Um von der verlorenen Zeit wieder was reinzuholen, beginne ich selbst eine E-Mail-Anfrage zu schreiben. Genial. So spare ich die Zeit zum Öffnen und Lesen einer Fremd-E-Mail.

Mein Betreff: „Veranstaltung im Mai“. Mein Text: „Kannst du mir bitte sagn wie hoch dass Budget ist?“ Zack, weg damit. Nur eine Sechstel-E-Mail lang habe ich dafür gebraucht. Gut, ein paar Tippis sind drin, aber sonst: großartig. David Allen funktioniert! Jetzt darf ich mich aber nicht in Triumphgefühlen suhlen, sondern muss mich gleich auf die nächste E-Mail werfen. Ah, da ist sie ja schon. Beziehungsweise eine gerade eintreffende neue schiebt sich davor: „Re: Veranstaltung im Mai“. So flutscht die Arbeitswelt. Ich öffne und lese: „Ja dake. bitte erinere mich daran dass ich dr das noch ssge! cu. mp.“ Hm. „mp“, von dem ich den Tipp mit der Allen-Methode ja habe, testet wahrscheinlich gerade die Zwei-Sekunden-Regel für Fortgeschrittene. Ich, der Neuling im Dinge-geregelt-Kriegen, frage mich dagegen: Wächst sich dieser E-Mail-Verkehr gerade zu einer Doch-mehr-als-Zwei-Minuten-Sache aus? Das hieße ja dann: Ab damit auf den Später-erledigen-Haufen!

Anderthalb E-Mails lang analysiere ich die Situation. Die Sache ist doch die: Wenn ich „Ja dake. bitte erinere mich daran dass ich dr das noch ssge! cu. mp.“ jetzt schließe, verbrauche ich nachher, wenn ich die Mail erneut öffne, zusätzliche Zeit. Zeit, die ich mir durch sofortige Beantwortung sparen kann. Das ist ja der durchtriebene Gedanke von Allen. Also, ganz klar, diese E-Mail ist sofort zu bearbeiten. Ich schreibe: „Hiermit erinnere ich daran, dass du mir heute um 9.10 mir die höhe des Budgets verrätst.“ Ein raffinierter Schachzug von mir! mp ächzt nun unter einem Allen’schen Doppelreiz: Termin und Zwei-Minuten-Regel. So. Jetzt aber ran an die nächste E-Mail. Allerdings zögere ich, weil ja doch gleich „Re: Re: Re: Veranstaltung im Mai“ reinkommt, und da bin ich gedanklich schon drin. Wäre Zeitverschwendung, wenn ich mich vorher noch in was anderes reinbohren würde.

Deshalb trinke ich einen Schluck Tee und warte. Empörende drei oder vier E-Mails lang warte ich auf eine Antwort des angeblichen Allen-Apostels. Ah, jetzt geht’s weiter: „Re: Re: Re: Veranstaltung im Mai“ hüpft rein, mit der Mitteilung: „sorry, war gerde beshäftigt“. Mehr steht nicht drin. Langsam steigt Verärgerung in mir auf, davon hat Allen nichts geschrieben. Ich also: „Nenn mir doch einfach eine Zahl!“, und er: „Zahl?“ Ja, verdammich! Von wegen getting things done! Das funktioniert ja überhaupt nicht! Ich könnte mp jetzt anrufen. Aber dann stieße er nur ab und an was aus, „Warte, sorry, muss hier noch kurz ...“, während er weiter seine Zwei-Minuten-E-Mails abarbeitete. Das kenn ich schon. „Fantastisch!“, schreibe ich daher. „Vielen Dank. Dann sind 40.000 Euro für die Veranstaltung im Mai also gebongt. Schöne Grüße.“ E-Mail abschicken! Telefon läutet. Jetzt nur nicht rangehen.

Von Susanne Berkenheger erschien zuletzt das Taschenbuch Ist bestimmt was Psychologisches. Berkenheger, die im schwäbischen Maulbronn geboren wurde, wird künftig im Wechsel mit der Konsumentin, dem Koch und der neuen Kolumne des Sportsfreundes ihre guten Ratschläge an die Leser erteilen

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