Smalltalktipps für die Weihnachtsfeier

Die Ratgeberin Unsere Kolumnistin weiß, welche Chiffren gegen allzu gesprächige Kollegen helfen
Ausgabe 47/2018
Bestenfalls ist die Weihnachtsfeier natürlich so stimmungsgeladen, dass man nicht über Belanglosigkeiten reden muss
Bestenfalls ist die Weihnachtsfeier natürlich so stimmungsgeladen, dass man nicht über Belanglosigkeiten reden muss

Foto: Glen Wilson/Cinema Publishers/Imago

Es ist so weit: Ich muss auf eine dieser Weihnachtsfeiern, die Arbeitgeber aus der Güte ihrer Herzen ihren Angestellten spendieren. Viele Jahre kam ich drum herum – mit Glück und Geschick. Zugegeben: Zu so komischen Leuten, die sich auf so etwas freuen, zählte früher sogar ich selbst. Ich erinnere mich an tolle Abende. Immer gab es launige Ansprachen, und immer wurde leise über diese Ansprachen gespottet. Danach tat man das, was man eh den ganzen Tag schon tat: mit Kollegen scherzen, rauchen und trinken (statt wie tagsüber fürchterlichen Kaffee nun fürchterlichen Wein). Aber das ist lange her, hoffnungslos verklärt – und vielleicht nutzten schon damals alle anderen diese Abende nicht als Party, sondern als Karrieresprungbrett. Das würde manches erklären.

Ich erinnere mich aber auch an einen Niedergang dieser Feiern, in Zeiten, in denen es nicht mehr viel zu feiern gab. Stattdessen wurden Einspargerüchte ausgetauscht, abgeschätzt, wann man selbst dazugehören würde, und wenn der Chef hinzutrat, wurde elegant das Thema gewechselt oder ganz Mutige machten einen brillanten Einsparwitz.Aber vielleicht war auch das schon immer so. Ich weiß es nicht. Um nun einen möglichst professionellen Wiedereinstieg in die Weihnachtsfeierszene hinzulegen, schaue ich im Internet vorbei: Nichts Neues bei den Dos and Don’ts (Do: Genau richtig gekleidet sein, Don’t: Randalieren).

Stark verfeinert erscheinen die Small-Talk-Codes beunruhigend verfeinert. Man stelle sich vor: Ich stehe mit einem Glas Punsch herum, jemand gesellt sich zu mir. Ich nicke ihm zu, will gerade die Horrorengel auf den Tischen loben, doch er ist schneller und fragt: „Und, was inspiriert dich so?“ Hui!

Wer glaubt, so was passiert doch nie, der hat sich weder die Smalltalk-Einstiege als Gratisdownload geholt noch in Der Horror hat ein Ende. Der Fragenkatalog für Small-Talk-Phobiker reingeschmökert. Umgängliche Zeitgenossen werden dort zu gemeingefährlichen Small-Talk-Attackern umtrainiert, die einen ohne Vorwarnung mit gedanklichen Schrapnellgeschossen durchlöchern: „Welcher Ort hat dich schon mal überrascht?“, „Was ist dein Lebensmotto?“, „Welches Fach, in dem du in der Schule schlecht warst, fändest du heute interessant?“

Was soll man darauf sagen? „Huch, da vorne ist ja XY. Die wollte mir was Wichtiges sagen. Und das erwähne ich jetzt nicht, weil man so höflich aus unerträglichen Gesprächen rauskommt – wie du ja weißt. Schließlich behauptet das dieselbe Webseite, die auch die Frage ‚Was inspiriert dich?‘ empfiehlt. Nein, ich sage es, weil es wirklich so ist.“ Das stimmt zwar nicht, aber he, offensichtlich hat mein Gesprächspartner – genau wie ich – die Small-Talk-Codes memoriert. Das bedeutet: In Sekunden übersetzt er „XY will mir was Wichtiges sagen“ in „Halt die Klappe, Idiot!“, etwas, das ich niemals sagen würde. Er nickt: „Ja, klar. Ich hoffe wir finden später noch Zeit, unser inspirierendes Gespräch zu vertiefen. Und das sage auch ich jetzt nicht einfach so dahin, sondern weil ich es ehrlich so meine. Als Beweis werde ich den ganzen Abend hier an diesem Pfosten auf dich warten.“ - „Oh … kay“, erwidere ich, panisch, weil ich den Pfosten-Code nicht kenne: Affront? Beleidigung? Offene Drohung? Nichts wie weg hier:

„Hat mich sehr gefreut blabla und freue mich schon auf nachher blabla.“ Als ich mich einen Schluck Punsch später zum Pfosten umdrehe, steht dort keiner mehr. Waaaas?! … mache ich denn jetzt?

Susanne Berkenheger verteilt als Die Ratgeberin regelmäßig für den Freitag gute Ratschläge

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