Taschen aus Plastik

Nachhaltigkeit Unsere Kolumnistin würde gern ein Kostümchen aus Plastiktüten tragen
Ausgabe 23/2019
Mehrzwecktüte heißt nicht, dass der Mehrzweck vorgegeben ist
Mehrzwecktüte heißt nicht, dass der Mehrzweck vorgegeben ist

Foto: AFP/Getty Images

Neulich entfaltete sich vor meinen Augen eine tolle Tütenmatroschka: Ein Baumwollbeutel wurde auf den Tisch gestellt. Aus diesem wurde eine Papiertüte gezogen. Aus dieser wiederum mit spitzen Fingern ein Einweg-Plastikbeutelchen. Dieses Beutelchen schützte ... einen neu gekauften Baumwollbeutel, in dem wiederum ...? Nein, das Letzte war jetzt nur ein Witz, tatsächlich enthielt das Beutelchen nur Fleisch für den Hund. Pfui, pfui, pfui und noch mal pfui! So viel weiß ich. Fleischproduktion verschärft den Klimawandel, Einweg-Plastiktüten töten Meerestiere, zur Herstellung von Papiertüten werden idiotische Mengen von Wasser, Energie und Chemikalien gebraucht. Und der Stoffbeutel, das ist inzwischen raus, ist noch schlimmer.

Der braucht noch viel mehr von dem ganzen Zeugs, weshalb er rund 100 Jahre benutzt werden muss, um sich moralisch besser als eine Einweg-Plastiktüte fühlen zu dürfen. Ja, aber wie, was zum Geier soll man denn ...? Als Anfang dieses Jahres in der Türkei eingeführt wurde, dass es Plastiktüten im Laden nur noch gegen Geld gibt, las ich in einem Artikel, wie überraschte und sparsame Türken versuchten, sich ihren Einkauf in kleinste Strickjackentaschen zu stopfen. Das erinnerte mich an tolle Mäntel und Jacken, die ich in den 80er Jahren trug.

Nur sehr selten benötigte ich damals Einkaufstüten, weil alles in die gigantischen Kleidertaschen passte. Gut, ich war damals Single, aber das heißt ja nicht, dass sich dieses Prinzip nicht erweitern ließe: einfach für Familienleute ein paar Kleidertaschen mehr drauf. Lange T-Shirts und Hemden könnten vorne wie hinten zu Rucksäcken hochgeknöpft werden. Vorteil: Diese Taschen kann man gar nicht vergessen. Leider zieht die Modeindustrie nicht mit. Im Gegenteil. Burberry versuchte letztes Jahr, die Plastiktüte als Modeaccessoire einzuführen. Zu den Tüten trugen die Models riesige Trenchcoats, aber komplett ohne geräumige Taschen. Was für ein Quatsch. Deswegen bleibt vorerst nur eine Tüten-Lösung: Man greife zur Superheldin der Einkaufstüten, der Mehrweg-Plastiktüte! Die Rede ist von diesen übergroßen Taschen – aus dickem recycelten Plastik, meist mit sehr bunten Aufdrucken. Weil ich die bis vor kurzem für die schlimmste aller Tragetaschen gehalten habe, musste ich sie von ganz unten aus unserem Einkaufstaschenimperium ziehen. Aber jetzt benutze ich sie täglich. Wenn sie kaputtgeht, kriege ich umsonst eine neue, das war mir auch nicht klar. Ebenso wenig habe ich damit gerechnet, welch sonderbare Gedanken mich überfallen, wenn ich mit ihr unterwegs bin. Zum Beispiel, so überlege ich, könnte ich statt des ganzen Baumwollzeugs, das mir um den Leib flattert, ein schickes One-Day-Kostümchen aus Plastiktüten tragen und hätte damit – am Ende – ökologisch noch was verbessert. Irre!

Dass ich solche abseitigen und schöngerechneten Gedanken über Go-and-throw-Plastikblusen hege, hängt mit dem eingangs im Text erwähnten Fleisch zusammen. Wenn dieses in verarbeiteter Form aus dem Hund herauskommt, lasse ich es nämlich erneut in einer Einweg-Plastiktüte verschwinden. Mehrfach habe ich bereits gelesen, wie ökologisch problematisch das ist.

Dummköpfe bieten inzwischen als ökologische Alternative Hundetüten aus Papier und Poo Picker aus Wellpappe an. Wenn die Hundetütenentwicklung denselben Weg geht wie die der Einkaufstüte, ist klar, was kommt, was kommen muss: die mehrfach verwendbare Hundetüte. Davor habe ich Angst.

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