Kein Witz: Es gibt eine staatliche Erholungspflicht. Aber wie erfüllt man die eigentlich?

Die Ratgeberin Auf Arbeit erholt man sich von der Freizeit. Kennen Sie das? Dann lassen Sie sich nicht erwischen!
Ausgabe 33/2022
Schonmal was von einer Pflicht zur Erholung gehört?
Schonmal was von einer Pflicht zur Erholung gehört?

Foto: Sara Kamouni/AFP via Getty Images

Freie Tage! Herrlich! Endlich mal keine Termine, keine Besprechungen, keine Vorhaben, einfach gar nichts. Nur die To-do-Listen für meine freien Tage! Die sind allerdings lang. Und da bin ich keine Ausnahme. Die meisten Leute arbeiten an freien Tagen mehr als sonst, lese ich und fühle mich ertappt.

Meine To-do-Listen reichen nämlich für ein ganzes Sabbatical. Ab und zu denke ich darüber nach, ob ich tatsächlich mal eins machen sollte – aufräumen, ausmisten, reparieren, Geräte warten, Verträge überprüfen, Formulare ausfüllen, reklamieren, Allgemeines organisieren, Mietrechtsstudium, Deep Cleaning, renovieren, ordnen und archivieren. Danach könnte ich wieder frisch loslegen.

Allerdings ist fraglich, ob ich dazu das Sabbatical überhaupt nutzen dürfte. Die freien Tage zum Beispiel nämlich eher nicht, denn an denen soll ich mich erholen. „Der Arbeitnehmer hat nicht nur ein Recht auf Erholung, sondern auch eine Pflicht dazu“, behauptet zumindest karrierebibel.de. Deshalb seien – laut Bundesurlaubsgesetz – „alle Tätigkeiten verboten, die dem Urlaubszweck der Erholung im Weg stehen“. Und hier wird es jetzt knifflig. Studien zufolge sind viele Leute während ihrer freien Tage mehr gestresst als während ihrer Arbeitszeit. Also erholen die sich eher auf der Arbeit von den freien Tagen. Besonders betroffen davon: Frauen – wegen des Mental Load. Ein Begriff, der auf pfiffige Weise tatsächliche Aufgaben in ein mentales Phänomen umwandelt: Nicht die Aufgabenfülle selbst sei das Problem, sondern dass man ständig daran denken müsse! Das ist bei mir nicht der Fall. Ich schreibe alles, wirklich alles, in meine To-do-Listen und vergesse es daraufhin sofort. Es funktioniert fantastisch. Nur die To-do-Listen sind dann halt entsprechend lang.

Um meiner Erholungspflicht Genüge zu tun, wäre es daher für mich und vielleicht auch andere Frauen am besten, wir könnten uns vor diesen der Erholung im Weg stehenden Erledigungen in eine entspannende Urlaubserwerbsarbeit flüchten. Und da wird es nun wirklich absurd. In dem Fall kann nämlich sogar ein Bußgeld fällig werden, als trüge das zur Erholung bei!

Wirklich gut zu wissen wäre: Wann soll man seine To-do-Listen abarbeiten? Hat der Gesetzgeber – analog zum Bildungsurlaub – einen To-do-Listen-Urlaub oder zumindest ein paar To-do-Listen-Stunden vorgesehen? Nein! Entweder soll man arbeiten oder sich erholen, damit man für die Arbeit wieder fit ist. Also irgendwie ist da ein Wurm im System. Im Internet wird folgende Lösung vorgeschlagen: Ausmisten, so lese ich, kann ausnahmsweise erlaubt sein, wenn man es nach Marie Kondo macht. Denn dann ist es eine Art Meditation und Seelenmassage.

Tja, gewusst wie! Das inspiriert mich: Die Steuererklärung können wir zum Steuersudoku umfunktionieren, das wohltuend die grauen Zellen anregt, Bodenschrubben kann in eine sowohl dehnende wie kräftigende Yoga-Übung (das Silberfischchen) verwandelt werden. Und wenn wir in unseren Behörden endlich jene Herzensfreunde erkennen, die sie schon immer vorgeben zu sein, wird das Formularausfüllen unser emotionales Erleben enorm bereichern und intensivieren. So realisieren wir Erholung und Erledigung gleichzeitig! Aber Achtung: Aus Versehen könnte es uns doch wieder mitreißen, und schwups, arbeiten wir wieder stur, ohne auf Wellness-Effekte zu achten, unsere To-do-Listen ab.

Wenn das jemand mitkriegt! Wird unser Erholungsurlaub dann zwangsvollstreckt? Vielleicht in staatlichen Urlaubscamps, wo wir mit anderen Renitenten Yoga-Atmung und Seelenbaumelung betreiben, während die Wohnung und unser Leben im Chaos versinkt? Huch, es läutet an der Tür. Jetzt holen sie mich.

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