Zurück in die Zukunft

Wireless Charging Der Sohn unserer Kolumnistin lädt sein Handy mittlerweile kabellos. Faszinierend! Doch bei unserer Kolumnistin ruft das Trotzreaktionen hervor
Ausgabe 39/2019
So geht's auch ohne Kabelsalat
So geht's auch ohne Kabelsalat

Foto: Frederic J. Brown/AFP/Getty Images

Der Sohn hat ein neues Smartphone. Es hat großartige Features: „Guck, die Rückseite hier, die ist aus Glas!“ – „Damit es leichter zerbricht?“, frage ich unqualifiziert. Er lächelt gequält und klärt auf: Über die Glasrückseite könne man kabellos laden, vorausgesetzt, man besitze ein kabelloses Ladegerät, das sich jedermann kaufen könne, vorausgesetzt, er sei nicht so broke wie er selbst. Tja.

Als Ablenkungsmanöver schwärme ich schnell von Kabeln. Es gibt doch jetzt so schöne, was hat er nur gegen die? Wenige Stunden später – das war ja klar – ist auch in mir eine Begierde nach kabellosem Laden erwacht. Ich stelle mir vor, wie ich unsere Wohnung in ein unsichtbares Strombad verwandle, in dem sich alles von allein auflädt – uns selbst eingeschlossen –, während wir frei von Kabeln, Schnüren und Verstrickungen, die Smartphones schwenkend, durch die Räume tanzen. Hochenergetisch und mit abstehenden Haaren zischen wir, die Bewohner, dann nach draußen. Fantastisch! Wäre so etwas – natürlich in abgespeckter Form – möglich? Im Internet stoße ich auf rätselhafte Fotos. Nummer 1 zeigt: Ein Typ im Zug hat sein am Ladekabel hängendes Smartphone auf einem etwa DVD-großen Untersetzer liegen. Darunter: „Wireless Charging Pad für Reise“ (sic!).

Falsche Bildunterschrift? Nein, Insider des kabellosen Ladens können dieses Foto dechiffrieren. Das Ladekabel geht vom Untersetzer ab, nicht vom Smartphone, denn Letzteres ist frei und kann jederzeit einfach vom Untersetzer abgenommen werden, wobei es dann natürlich nicht mehr lädt. Wer sein Headgear vergessen hat und während des Ladens telefonieren will, legt einfach seinen Kopf drauf, denke ich mir.

Foto Nummer 2 zeigt, wie jemand eine Herdplatte in der Größe einer Mini-DVD in seine Hosentasche stopft, weil „ultra slim“, damit man sie immer mitnehmen kann. Doch wozu? Offenbar gibt es Leute, die, statt nur ein Kabel und einen Stecker einzupacken, zusätzlich gern noch eine kleine Herdplatte mitnehmen. Was treibt diese Menschen an? Mithilfe von Hunderten begeisterter Kommentare müsste das ja rauszukriegen sein. Hier mein Befund:

Die Fangemeinde teilt sich grob in zwei Lager. Lager A empfand es die letzten Jahre als eine Tortur, immer kleiner werdende USB-Stecker ins Smartphone zu nesteln. Der neue, untersetzergroße „Stecker“ löst dieses Problem. Lager B verbrachte in den vergangenen Jahren viel Zeit damit, nach verlegten Ladekabeln zu suchen. Das Tolle am kabellosen Ladegerät nun sei, dass es – weil ja mit einem Kabel gesichert – immer am selben Ort sei. Legt man sein Smartphone immer dort drauf, ist auch dieses immer am selben Ort. Beide Lager nehmen für diesen Fortschritt einiges in Kauf: Sie springen auf, um zum klingelnden und gerade ladenden Smartphone zu rennen. Sie verdödeln mehr Energie als beim herkömmlichen Laden, sie kaufen ein zusätzliches Gerät.

Noch wissen sie vielleicht gar nicht, was sie sich eigentlich wünschen, nämlich: ein fest installiertes Smartphone. So wird der nächste Hype ein kabelloses Ladegerät mit Klebefläche. Wird auf diesem ein Smartphone abgelegt, verschmilzt es unwiderruflich mit dem Ladegerät zu einer Einheit, dem Dual-Smartphone. Das Kabel dieses Geräts kann etwas länger sein, damit man es durch die Wohnung tragen kann. Die Vorteile sind klar: Man findet es immer am Ende des Kabels, nie mehr rutscht es aus der Hosentasche.

Gut, für unterwegs ist es etwas unhandlich. Aber sicher finden sich auch dafür Liebhaber.

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