Querschnittsaufgabe Frauenförderung?

DEUTSCHE ENTWICKLUNGSPOLITIK Reduziert Bevölkerungspolitik als Konfliktvorbeugung Frauen zur Gefahrenquelle, der man mit allen Mitteln zu Leibe rücken darf?

Das Bundesministerium für wirt schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bekennt sich zur Querschnittsaufgabe Frauenförderung und überprüft alle Projekte und Programme darauf, ob sie den Interessen der Frauen vor Ort entsprechen. Trotzdem knüpft die neue Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, Sozialdemokratin und in ihrer Partei als Linke bekannt, in der Bevölkerungspolitik an die Tradition ihres Vorgängers an. Sie wirbt sogar, wie vor ihr schon Rita Süssmuth, für die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW), eine bevölkerungs politische Lobby-Organistaion, die die Reduzierung des Bevölkerungswachstums in den Ländern des Südens als ihre Aufgabe ansieht.

Wer den neuen Jahresbericht der DSW aufschlägt, blickt, wie bei einer hauseigenen Publikation des BMZ, zuerst ins Gesicht der Ministerin - eingerahmt allerdings durch die Konterfeis des Stiftungsgründers und des Geschäftsführers der DSW. Darunter der kryptische Satz: »Bevölkerungswachstum verschärft Konflikte«. Diese Message wird später in Variationen mehrfach wiederholt, aber nicht eigentlich begründet - gerade so, als handele es sich um eine unbestreitbare Tatsache. Den »großen Herausforderungen« des Weltbevölkerungswachstums will Wieczorek-Zeul mit - so ihre Wortschöpfung - »bevölkerungspolitischer Zusammenarbeit« begegnen, denn diese reduziere »die Risikofaktoren für lokale und regionale Konflikte erheblich«.

Das Argumentationsmuster ist so schlicht wie alt und ge hört seit langem ins Repertoire der Kassandrarufe von Bevölkerungsexperten: Indem man das Bevölkerungswachstum zur Kriegsursache umdefiniert, werden soziale und politische Konflikte zu demographischen - und letztlich biologischen - umgedeutet. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg fand diese Argumentation eine große Anhängerschaft - als wolle man den Propagandisten vom »Volk ohne Raum« noch im Nachhinein recht geben.

In jüngster Zeit erhält die These, daß Kriege demographische Ursachen hätten, neue Popularität im Zusammenhang mit der Debatte um Migration und Einwanderungskontrollen. Die Zuwanderung aus den armen Regionen der Erde, so das Argument, stelle für die wohlha benden Staaten nicht nur eine ökonomische Last dar, sondern bedrohe auch ihre politische Stabilität. Daraus folgt dann in bestechend einfacher Logik, daß in den armen Ländern weni ger Kinder geboren werden müßten, damit weniger Menschen in die Wohlstandsregionen einwanderten - und ihre hei mischen Konflikte dort weiterführten.

Als kürzlich der rechtsgewendete Soziologieprofessor Bernd Rabehl behauptete, die nach Westeuropa kommenden Asylbewerber würden Bürgerkriege aus der Dritten Welt hierher importieren, löste er heftige Kritik aus. Wohl nur, weil man solch rassistische Töne gerade von einer ehemaligen Symbolfigur der 68er-Revolte nicht erwartet hatte. In der Debatte um das globale Bevölkerungswachstum werden derartige Thesen dagegen seit langem auch in liberalen Zeitungen (Zeit, Geo, Aus Politik und Zeitgeschehen, Süddeutsche Zeitung) sowie in FAZ und Woche vertreten - und bisweilen mit der Forderung nach bevölkerungspolitischen Zwangsmaßnahmen verknüpft.

So weit geht die Entwicklungshilfeministerin nicht. Sie will das Bevölkerungswachstum mit humanen Mitteln eingeschränkt wis sen. Doch auch sie sieht in den Geburtenraten im Süden eine Bedrohung und in der Bevölkerungspolitik eine »Politik der Krisenprävention«. Abgesehen davon, daß man die Realität schon arg strapazieren muß, um zum Beispiel für den Krieg im Kosovo demographische Ursachen zu konstruieren, wie Hartmut Dißenbacher in der FAZ vom 3. Juli 1999, hat diese Argumentation noch einen weiteren Haken. Wenn nämlich Geburtenraten zur Kriegsursache umgedeu tet werden, verändert sich auch der Ansatzpunkt für eine Friedenspolitik. Nicht mehr gegen Waffenlieferanten, Militärstrategen oder die Propagandisten von »Luftschlägen« und »ethnischer Säuberung« richtet sich eine solche Politik, sondern gegen Frauen, die nach Ansicht der Demographen »zu viele« Kinder bekommen. Je dramatischer die Kriegsgefahr ausgemalt wird, desto eher er scheint es legitim, sich dieser Bedrohung auch mit drasti schen Mitteln zu erwehren.

Auf der Weltbevölkerungskonferenz, die vor fünf Jahren in Kairo stattfand, ist ein viel beachtetes Aktionsprogramm ver abschiedet worden. Darin wurde das Recht von Frauen auf einen freien Zugang zu Verhütungsmitteln betont und jeglicher Zwang in der Bevölkerungspolitik ebenso abgelehnt wie die Orientierung der Politik an demographischen Zielvorgaben. Dennoch werden nach wie vor in der Dritten Welt vornehmlich solche Verhütungsmittel vertrieben, die den Entscheidungsfreiraum der Frauen stark einschränken und ih nen die Möglichkeit nehmen, das jeweilige Mittel jederzeit wie der abzusetzen.

Die Absichtserklärungen von Kairo haben auch nicht dazu geführt, daß Zwangsmaßnahmen aus der Bevölkerungspolitik verschwunden wären, wie die Berichte über die jüngsten Sterilisationskampagnen in Peru zeigen. Dort wurden im Rahmen sogenannter Gesundheitsfestivals mehrere tausend Indiofrauen sterilisiert, ohne daß sie zu vor über die ir reversiblen Folgen des Eingriffs angemessen informiert wor den wären. Das Personal der staatlichen Gesundheitsbürokratie war unter Androhung von Kündigungen verpflichtet worden, monatlich eine vorab festgelegte Zahl von Sterilisationen durchzuführen. Als »Belohnung« wurden nach der Operation Lebensmittel an die sterilisierten Frauen ausge teilt. An diesen »Festivals« beteiligte sich auch die Bevölkerungsorganisation der Vereinten Nationen (UNFPA), zu deren Finanzierung die Bun desrepublik - aus Mitteln des BMZ - jährlich mehr als 40 Millionen DM beisteuert.

In einem offe nen Brief der Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt auf die sen Sachverhalt angesprochen, bekannten sich die Ministerin und ihre Parlamentarische Staatssekretärin Uschi Eid (Bündnis 90/Die Grünen) zu den in Kairo verabschiedeten Prinzipien einer freien Entscheidung in der Familienplanung - ohne sich zu den kon kreten Vorwürfen überhaupt zu äußern. Das Schweigen ist beredt und bringt die Doppelzüngigkeit der »bevölkerungspolitischen Zusammenarbeit« zum Ausdruck: Die freie Entscheidung über die ei gene Kinderzahl wird nur dann respektiert, wenn sie sich am Ideal der Kleinfamilie ori entiert. Solange die Reduzierung der Geburtenzahlen in anderen Ländern als Schwerpunkt bundesdeutscher »Entwicklungshilfe« gefördert wird, ist der Verstoß gegen die hehren Prinzipien der Weltbevölkerungskonferenz quasi sy stem imma nent.

Susanne Heim ist gemeinsam mit Ulrike Schaz Autorin des Buches Berechnung und Verschwörung. Überbevölkerung. Kritik einer Debatte. Verlag Schwarze Risse Rote Straße, 29,80 DM

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