Der Austragungsort: Berliner Olympiastadion. Gut, ist ja schon länger Vergangenheit. 73 Jahre, um genau zu sein, seit der Führer und sein Architekt eines der wirkmächtigen Puzzlestücke ihrer Welthauptstadt Germania fertig stellen und eröffnen ließen. 1936 gingen dort die Olympischen Spiele mit ihren Leibeswettkämpfen über die Bühne. Heute ist heute, und wenn der Bau-ohne-Sponsor-im-Namen immer noch ein unglaubliches Pathos ausstrahlt, dann ist das niemandem vorzuwerfen, weder den Veranstaltern (IAAF), noch der Stadt oder gar den internationalen Zuschauern, die auf den Rängen jubeln und im Falle deutscher Herkunft jederzeit der Grünen-Wählerschaft zugeordnet werden können. Wenn die Sonne dann langsam unter- und das Flutlicht a
und das Flutlicht angeht, gibt es prima "Kessel"-Stimmung, das heißt: Die Welt da draußen ist noch weiter weg, die Kulisse in diesem Raumschiff noch geschlossener und der Jubel all der Fahnenschwenker genau das, was sich dann so schön "intensives Fanerlebnis" nennt. Gänsehaut kriegen alle, aus welchem Grund auch immer. Perfekte Startbedingung also für das Megaevent.Die Gastgeber: Die Berliner. Und ihr Bürgermeister. Integrativ, wie es sich für Berlin gehört, konnte auch dieses Ereignis stattfinden, ohne dass sich wirklich jemand daran gestört hätte. Ignorant, wie man es aus Berlin kennt, interessierte sich die Masse eher weniger für das Ereignis, was auch nur die Fans störte, die sich mehr Stimmung auf den Straßen gewünscht hätten. Kreativ, wie man es sich in Berlin zu sein verordnet hat, errichtete man am Brandenburger Tor ein "Kulturstadion", im Grunde Essbüdchen, die neben der Currywurst im Angebot erneut unter Beweis stellten, dass die Stadt weltoffen ist. Menschen mit Kokosnüssen in den Händen, aus denen sie mit Strohhalm tranken, fügten sich prima zu all den anderen, die afrikanische Kochbananen oder amerikanisches Barbeque zu sich nahmen. Gutes Fundament.Die Akteure: Die Athleten. Ein Generationswechsel war angestrebt, vor allem bei den deutschen Teilnehmern. Der Jamaikaner Usain Bolt hat das Ziel dann erfüllt und die Maßstäbe definiert, wie diese neue Sportler-Generation ihren Job erledigt: Mit unglaublichen Ergebnissen (Weltrekord, 100 Meter spielerisch in 9:58 Sekunden), mit individuellen Verkaufsmaßnahmen der eigenen Leistung, sprich Branding (die Sieg-Geste, gestreckter Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger schräg nach oben, was selbst in diesem Stadion assoziativ kein Problem mehr ist). Ihm folgten dann zum Beispiel die "Furie" Ariane Friedrich, deutsche Hochspringerin mit kleineren Zelteinlagen während des Wettkampfs und beeindruckenden Masse-Steuerungserfolgen: Zeigefinger auf den Mund gelegt und alle im Stadion waren still. Unterhaltungsfaktorisch einmalig.Das Publikum: Sport- und trainingsaffin. Auch im eigenen Leben. Einige rannten nach dem Männer-Marathon selbst die Strecke nochmal. Andere führten ihre Kinder aus frühpädagogischen Absichten ins Stadion und sorgten für erkenntnisreiche Sendung-mit-der-Maus-Stunden. ("Mama, wo sind jetzt die Weitspringer?" "Da unten Schatz". "Mama, die kehren die Grube ja mit einem Besen" "Aber nein, die haben einen Rechen." usw. etc. pp.) Wiederum andere, wenn sie nicht gerade fotografierten oder filmten, feuerten auch die Athleten aus all den anderen Ländern an, auch wenn "die Afrikaner schon alle gleich aussehen" und bei "unseren" der Jubel doch lauter ausfiel. Ganz andere posierten ordentlich "Unter den Linden" an der Absperrung der Marathonstrecke und hatten hilfreiche Tipps parat. Etwa als ein Läufer kurz vor dem Brandenburger Tor im offensichtlichen Erschöpfungszustand nicht mehr lief, sondern ging: "Kann dem mal einer sagen, dass die Richtung nur gerade aus ist und es nur noch 200 Meter sind?" Die Vermittler: Die Medien. Und der Stadionsprecher. Waren wahnsinn, wie immer. Außer der boykottierenden Taz machten alle wie gewohnt ihren Job. Fragen, auf die jeder alles antworten kann. Viel Emotionalität beim Schreien angesichts sportlicher Leistungen. Stilprägend sei vielleicht noch Wolf-Dieter Poschmann genannt, der seinem Ruf alle Ehre machte und den Berliner Ost-Bezirk Marzahn würdigte ("Wenn man in Marzahn aufgewachsen ist und das unbeschadet überlebt hat, ist man zu allem fähig.")Die Sponsoren: Vattenfall, unter anderem. Schön, dass nun die Werbeplakate wieder verschwinden, die schon ihren Sinn gehabt haben werden. Was aber eine Athletin in Sportdress über den Atomkraftwerkbetreiber aussagt, wenn sie so ihre Spagetthi aus einem großen Kochtopf kippt, könnte nochmal geklärt werden.Der Star: Berlino. Das Bärchen, das Maskottchen der WM, das alle soo ins Herz geschlossen haben, vor allem deshalb, weil die Leute unter dem Berlino Kostüm alle Athleten diverse Male auf und in die Arme genommen haben. Mit Bolt fing es an, wie im Grunde das gesamte Event, und mit Bolt endete es: "Ich bin ein Berlino" (Bolt-Trikot). "Ich bin ein Bolt" (Berlino-Trikot).Der rote Teppich: war blau. Laufbahn umgefärbt. Alle im zulässigen Promillerahmen berauscht. Es kann Herbst werden.