Der Geschmack von Freiheit

Junk Food I Junk Food ist ungesund, ökologischer Wahnsinn und manchmal ekelhaft. Außerdem will sich keiner damit sehen lassen. Warum wir nahrungspolitisch Korrekten es dennoch lieben

Kann denn Nahrung Sünde sein? Dieses Problem glaubte man in säkularisierten Zeiten, lange nach Evas verhängnisvollem Biss in den paradiesischen Apfel, doch gelöst zu wissen: Nein, kann sie nicht. Während die religiösen Bäume der Erkenntnis tatsächlich kaum mehr Früchte tragen, ist der Sündenfall heute mittels ernährungssoziologischer und wissenschaftlicher Wahrheiten leider wieder möglich geworden.

Zumindest gilt dies für jene Kreise, die sich selbst in bester Tradition der Aufklärung sehen: das konsumverantwortliche, körperbewusste Bürgertum, das sich versuchungstechnisch maximal auf gesundheitsfördernde Frühlings-Diäten einlässt. Oder wann hat man den lieben Kollegen, Nachbarn, Verwandten (und all seine anderen Spiegelbilder), die sonst in der Biomarktwirtschaft anzutreffen sind, zuletzt mit einer BiFi im Einkaufswagen gesichtet? Oder mit einer "Heißen Hexe" an der Tanke um die Ecke? Bloß nicht, wie peinlich wäre das denn! Genau. Und hier wären wir bei der eigentlichen Verlogenheit: Weniger der Konsum des sündhaften, ungesunden Junk Foods ist tabu, sondern sich dabei erwischen zu lassen. In der Öffentlichkeit sollte man sich dafür nur: schämen.

Emanzipation vom Öko-Ich

Nun mag die Entstehung des Scham- und Peinlichkeitsgefühls durchaus ein zivilisatorischer Fortschritt sein, doch auch der Fortschritt blickt ja bekanntlich mal über seinen Tellerrand hinaus und kann heute nur darin bestehen, sich vom übergroßen Ökofit-Ich zu emanzipieren. Wenigstens für einen kleinen Moment – und den Burger aus der Mikrowelle mit extra Sprüh-Cheese einfach mal genießen, hm? Wie es in jedem Haushalt ja wohl auch geschieht – die mäßig kaufkräftige Bevölkerung dürfte jedenfalls kaum für einen Jahresumsatz von gut 160 Millionen Euro in der Lebensmittelindustrie sorgen, dessen Hauptanteil 2009 auf sogenannte Convenience Food, also Fertiggerichte entfiel. Zur Erinnerung: Es gab Zeiten, in denen der Konsum von Fertigprodukten als Akt der Emanzipation galt, für beide Geschlechter.

Offiziell jedoch regelt heutzutage ein anderer Diskurs die Verhaltensweisen: Adäquate Ernährung folgt vordergründig der Logik des Selbstschutzes. Die seit der Aufklärung als niedere Instinkte geltenden Geruchs- und Geschmackssinne hat man dabei neu eingemeindet – rationalisiert im Gesundheitsdiskurs und zelebriert in der Kochkunst. Was übel schmeckt, ist am gesündesten, was würzig riecht, kann nur gut sein. Und so erfreut sich die Gastrosophie munter an ihren Experimenten, leider nicht im Sinne des Frühsozialisten Charles Fourier, der sie als Wissenschaft der hohen Sozialpolitik analysierte, in ihr Zentrum jedoch die Leidenschaft und den Genuss stellte und nicht Verbote oder Tabus. Wie Forscher jüngst am Scripps Research Institute in Kalifornien im Versuch mit Ratten nachgewiesen haben, hebelt sogenanntes Junk Food das chemische Gleichgewicht im Hirn ähnlich aus wie jede andere Droge: Es löst ein Wohlgefühl aus. Macht bei mäßigem Genuss also einfach: glücklich.

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Geschrieben von

Susanne Lang

Freie Redakteurin und Autorin.Zuvor Besondere Aufgaben/Ressortleitung Alltag beim Freitag

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