„Ich gehe jungen Müttern lieber aus dem Weg“

Porträt Bastian Pastewka verdankt seiner Mutter sein Aussehen. Und ist glücklich, dass er nie einen Auftragskiller auf sie ansetzen wollte

Die Tür des Kinosaals öffnet sich, und ein gut gelaunter Mann in Jeans und Hemd betritt das Foyer. Bastian Pastewka grüßt höflich erfreut, fragt, ob man etwas trinken möchte und weist dann den Weg zurück in den Saal des Programmkinos „Filmkunst 66“, wo das Gespräch stattfindet. Als die Tür ins Schloss gefallen ist, klingen die Stimmen dumpf, das Licht ist gedimmt, wir nehmen in der ersten Reihe Platz. Eigentlich wollen wir über Mütter sprechen, da Pastewka im ZDF-Fernsehfilm Mutter muss weg (18. Oktober, 20.15 Uhr) die Hauptrolle spielt: einen neurotischen Sohn, der einen Auftragskiller auf die Mutter ansetzt. Aber erstmal spricht er über zwei Talk-Formate im deutschen Fernsehen, die ihn zur Zeit „schwer unterhalten“: Roche & Böhmermann (ZDF-Neo). Und Augstein & Blome (Phoenix). Das Aufnahmegerät läuft längst, als er sich selbst unterbricht ...

... Tschuldigung, wir verplaudern uns hier ... Wo waren wir?

Der Freitag: Wir kommen hoffentlich gleich zu den Müttern...

Ich hoffe doch, wir können über meine sprechen, darüber wird sie sich sehr freuen.

Ja?

Sie war Grundschullehrerin, seit diesem Jahr ist sie pensioniert.

Welche Neurosen verdanken Sie Ihrer Mutter?

Das wäre schön, wenn ich meine Neurosen zuordnen könnte. Ich glaube, ich bin eine gute Mischung aus meinen Eltern. Von meinem Vater habe ich ein wenig die aufbrausende Art übernommen. Von meiner Mutter habe ich das Aussehen. Sie hat mich übrigens bestens durch die Grundschule geführt.

Klingt bedrohlich ...

Sagen wir so: Das war eine intensive Zeit, sie hat mir verständlich gemacht, worum es in der Schule geht. Ich war eher ein Träumer, der überhaupt keinen Bedarf sah, jeden Morgen um acht Uhr in der Schule zu sitzen.

Sondern?

Ich wollte auf dem Spielplatz sein, rumlaufen oder basteln – oder, fast noch wichtiger als die anderen drei Sachen, ich wollte fernsehen.

Was sagte die Grundschullehrerin dazu?

Meine Mutter hat diesbezüglich versucht, eine klare Linie durchzuziehen. Wenn ich meine Hausaufgaben gut gemacht hatte, durfte ich zur Belohnung fernsehen. Das war der richtige Weg.

Das sagen Sie heute. Sahen Sie als Kind das auch so?

Bitte, man findet die Mutter immer schrecklich, wenn sie einen Dienstagabend nicht Heinz Erhardt gucken lässt! Für ein Kind ist das eine Riesenenttäuschung.

Wie nehmen Sie die jungen Mütter von heute war?

Da muss ich sofort an die klassischen Spielplatz-Mütter mit dem Apfel im Mund denken.

Apfel im Mund?

Ja, den beißen sie beim Betreten des Spielplatzes an und geben dem Kind den Rest, damit es die Schale nicht durchknacken muss. Aber da ich persönlich erstmal nicht plane, Kinder zu bekommen, habe ich mit Müttern glücklicherweise nicht allzuviel zu tun. Viele meiner Freundinnen haben keine Kinder. Und immer dann, wenn eine Mutter wurde, ließ der Kontakt automatisch nach. Sobald Kinder ins Leben treten, verändert sich das ganze Leben komplett.

Keine Party mehr?

Das ist mir gar nicht so wichtig, ich bin noch nie gerne um die Häuser gezogen. Für mich ist es eher ein Problem, dass man sich mit Müttern nicht mehr spontan verabreden kann, das Kind bestimmt die Tagesstruktur. Oft höre ich dann den schönen Satz: „Dich stört es doch nicht, dass das Kind dabei ist?“

Lassen Sie mich raten ...

Natürlich stört mich das nicht. Aber man kann sich das Treffen dann sparen, denn man kommt zu keinem wirklichen Gespräch. Zwischendurch heißt es ständig: „Susanne, lass das doch bitte mal sein, Susanne!“ Deshalb gehe ich jungen Müttern lieber aus dem Weg. Ich bin sehr stolz darauf, dass mir das immer mal wieder gelingt.

Sie wollen keine Kinder?

Das weiß ich nicht. Wie immer ist alles noch nicht entschieden.

Wie immer?

Ja, ich glaube, es gibt Dinge, die sich aus einem Gefühl heraus ergeben. Kinder zu bekommen, genau wie heiraten, heißt aber hier in Deutschland in erster Linie planen, organisieren. Das habe ich nicht so gerne. Zum Standesamt zu gehen und sich mit Sachbearbeitern auseinanderzusetzen, das ist für mich keine Herangehensweise an eine Liebe, sondern ein trauriger Wurmfortsatz von Zusammensein.

So ähnlich könnte das auch Tristan sagen, den Sie in Mutter muss weg spielen, er hat eine sehr romantische Vorstellung von Liebe. Gibt es Überschneidungen zwischen ihm und Ihnen?

Es ist mir sehr schwer gefallen, einen Zugang zu der Rolle zu bekommen. Aus dem wahren Leben konnte ich nicht schöpfen, denn bisher bin ich glücklicherweise noch nicht auf die Idee gekommen, einen rumänischen Auftragskiller, den ich betrunken in einer Bar kennengelernt habe, auf einen Familienangehörigen anzusetzen. Ich habe dann Teile meiner Persönlichkeit, die andere an mir sehen, hineingelegt. Und irgendwann hat Tristan ein Eigenleben entwickelt. In einigen Szenen sehe ich Reaktionen bei ihm, die ich nicht bewusst hergestellt habe.

Welche zum Beispiel?

Blicke, kleine Irritationen in den Augen, die sich ergeben haben. Film ist immer Verabredung, ich bin da ein Kontrollfreak, aber das sind Szenen, wo ich mich frage: Alter haste da gespielt oder müsstest du für den Drehtag eigentlich das Geld wieder zurückgeben? Ich konnte mich in der Rolle fallen lassen, zumal sie im Verlauf der Erzählung immer passiver wird, und nur von den anderen Figuren bestimmt und geschoben wird .

Bei seiner Therapeutin ist Tristan in seiner Fantasie sehr aktiv.

Ja, aber er prallt bei allen Menschen ab. Im Grunde sogar bei seiner Therapeutin. Und da hat seine Wagner liebende, ehemalige Sexfilmdarstellerin und Mutter ganz recht: Dieser Tristan kann wirklich nichts. Andererseits ist das ja ein Part des Mantras, das Eltern den Kindern einimpfen: Du kannst gar nichts. Und: Ich bin enttäuscht von dir. Beides zusammen ist ein tödlicher Cocktail. Die Orientierungslosigkeit, die daher rührt, war für mich der Kern der Rolle.

Waren Sie überrascht, dass man bei dieser Figur an Sie als Darsteller gedacht hat?

Ehrlich gesagt schon. Ein Muttersöhnchen mag man vielleicht mit mir verbinden, aber es 90 Minuten lang zu spielen, wäre ja langweilig. Das Buch hat mich aber schnell überzeugt, denn die Geschichte startet da, wo Tristan merkt: „Ich habe mir 40 Jahre lang von meiner Mutter die Möhre an einem Strick vor der Nase wegziehen lassen, jetzt muss ich endlich was anders machen.“ Das fand ich interessant. Und es hat unglaublich Spaß gemacht, auch wenn dieser Satz nun abgedroschen klingt.

Diese Übermutter hat es ja auch in sich: 68erin, wirft ihrem Sohn vor, verklemmt zu sein, weil sie freie Liebe praktiziert und Sexfilme gedreht hat. Tristan plädiert für Liebe statt Sex. Liegt er ganz gut in der Zeit mit seiner Überforderung?

Ich glaube, die 68er haben uns sehr viel gebracht in unserem gesellschaftlichen Verständnis. Aber die Generationen, die nachfolgen, sind mit einem ambivalenten Geschenk ausgestattet: Sie haben die Wahl. Unter anderem zwischen keusch und offen. Heute dürfen wir beides leben, und niemand verunglimpft per se den anderen, der es anders lebt. Das hat nun mit Toleranz noch nicht viel zu tun, sondern mit gesellschaftlichen Modellen, in denen alles parallel nebeneinander gelebt werden kann. Ob das immer gut geht oder nicht, ist dahingestellt. Das wäre in den Fünfzigern noch unvorstellbar gewesen. Nicht umsonst gibt es aus dieser Zeit keine einzige deutsche Filmkomödie, an die man sich bis heute erinnert. Da hat sich niemand getraut, offen zu Gefühlen zu stehen. Komisch zu sein.

Gab es nichts zu lachen?

Die prüden fünfziger Jahre haben uns im Grunde gar nichts erzählt, es gab auch keine knallbunte alberne Komödie, die den Nerv der Zeit getroffen hat, Rosen für den Staatsanwalt mal ausgenommen. Interessanter aber finde ich, dass Ende der sechziger Jahre ein Outburst an Erotikfilmen folgte, mit den seltsamsten Namen: Schulmädchenreport, die Goldene Banane von Bad Porno, Graf Porno bläst zum Zapfenstreich, Bettkanonen. Das waren aber alles keine Pornofilme, sondern wie man damals verschämt sagte ‚Lustfilme‘. Ich bin froh, nicht in dieser Zeit aufgewachsen zu sein, da wäre ich nicht glücklich geworden.

Nochmal kurz zurück: Was haben Gefühle mit Komik zu tun?

Ich würde sagen, es bedingt sich. Bei einer Komödie sind Charaktere eine Voraussetzung, die ein Verlangen haben, die sich ändern möchten, ein dramatisches Unglück in sich tragen. Wir lachen über den Helden, der versucht, sich an den eigenen Haaren aus dem Dreck zu ziehen und es nicht schafft.

Wie würden Sie persönlich Ihr Verhältnis zu Ihrer Mutter beschreiben?

Meine Mutter und ich hatten immer ein super Verhältnis. Sie kriegt einmal im halben Jahr krause Falten unter den Augen und sagt, ich könne mich ja öfter mal melden, und da hat sie recht. Aber ich verspüre vonseiten meiner Mutter und von unserem Elternhaus immer noch eine wahnsinnig positive Energie, eine Sicherheit, die mich hier in einer anderen Stadt durchs Leben laufen lässt. Ich suche immer nach einer Schwierigkeit, aber finde keine. Das ist ein großer Luxus. In unserer Familie gibt es keine Querulanten, keine Neider, keine Skandale, keine Leute, die nicht mehr miteinander reden. Einzige Ausnahme: meine Eltern.

Tolle Pointe!

Nun ja, sie haben sich irgendwann getrennt. Aber die beiden hatten ja auch noch Großeltern, die bis zum Lebensende in bestem Kontakt blieben und sich Briefe geschrieben hatten, obwohl ihre jeweiligen Kinder über Kreuz waren.

Wie alt waren Sie, als sich Ihre Eltern getrennt haben?

16.

Und, gut verkraftet?

Ich glaube schon. Es war eine weitere Regel, die es zu befolgen galt. Am Anfang war es eine große Umstellung, auch irritierend, aber danach wurde es besser.

Wie gehen Ihre Eltern heute mit Ihrer Berühmtheit um?

Beide werden öfter auf ihren Sohn angesprochen, weil sich der Name einfach nicht wegblenden lässt. Sie können ebenso wenig wie ich damit gut umgehen. Die Leute projizieren so viel auf einen, gerne an der Supermarktkasse und erwarten dabei auch noch, dass ich komisch bin. In Extremfällen bin ich sogar schuld am humoristischen Untergang des Abendlandes.

Inwiefern?

Ich höre oft: Die Engländer machen das so toll, und hier?! Blablabla. Da kann ich nur sagen: Das stimmt, wir haben in Deutschland ein anderes Humorverständnis, was unter anderem damit zu tun haben könnte, dass es eine Zeit gab, in der ein tausendjähriges Reich als Projekt wichtiger war als Hochkultur. Humor war lange nicht zugelassen. Danach hat es erstmal 35 Jahre gedauert, bis wieder eine eigene komödiantische Erzählform im deutschen Film entstanden ist, Theo Lingen und Heinz Erhardt mal ausgenommen. Das ist ein Phänomen, das ich an der Supermarktkasse jedoch nicht eben mal mit Treueherzchen lösen kann.

Was verstehen Sie unter einer guten Komödie?

Ich persönlich habe überhaupt nichts gegen kreuzalberne Komödien und Schenkelklopferhumor, aber es gibt einen Unterschied zwischen trivial und banal. Komödie ist meistens trivial, aber es ist sehr schwer, das gut zu machen. Das kann uns bei Mutter muss weg auch um die Ohren fliegen.

Ich habe bei der Voransicht des Films auch nicht viel gelacht. Aber ich finde ihn sehr komisch.

Ah, das ist das schönste Kompliment, das Sie dem Film machen können! Das meine ich jetzt nicht ironisch.

Sie wirken grundsätzlich nicht sehr ironisch.

Nö, das bringt ja auch nichts.

Bastian Pastewka, geboren am 4. April 1972 in Bochum, begann seine Karriere als Komödiant auf klassischem Weg: Er brach sein Studium der Pädagogik, Germanistik und Soziologie schnell wieder ab und konzentrierte sich auf die Auftritte der „Comedy Crocodiles“. Die Comedygruppe hatte er 1992 während des Studiums mit seinen Freunden Bernd Hoëcker und Keirut Wenzel gegründet.

Nachdem das Trio die Frage Wer schwängerte Biene Maja schließlich geklärt hatte, löste es sich auf. 1996 wurde Pastewka Mitglied im Ensemble der bis heute legendären Comedysendung Wochenshow (Sat.1). Dort spielte er sich neben Kollegin Anke Engelke als Trainingsanzugträger Ottmar Zittlau, als indischer Rosenverkäufer („Wolle Rose kaufen?“) und als Sextalker Brisko Schneider ins kollektive, komödiantische Fernsehgedächtnis. 2008 erhielten Pastewka und Engelke für ihre Rollen als Volksmusik-Moderatorenpaar „Wolfgang & Anneliese“ den Grimme-Preis.

Gemeinsam mit Oliver Kalkofe drehte Pastewka 2004 die ebenfalls preisgekrönte Genreparodie Der Wixxer – ein ironisches Spiel mit den Edgar-Wallace-Filmen der Sechziger. 2007 folgte die Fortsetzung Neues vom Wixxer. Seit 2005 hat Bastian Pastewka auf Sat.1 auch seine eigene Sitcom Pastewka, in der er einen Comedian spielt, der sich in seinem Alltag mit allerlei Widrigkeiten herumschlägt. So wird er in der Öffentlichkeit etwa immer wieder mit anderen Promis verwechselt.

Seit Ende September läuft freitags um 22.45 Uhr auf Sat.1 die sechste Staffel Pastewka. Und am 18. Oktober sendet das ZDF um 20.15 Uhr Pastewkas neuesten Film: Mutter muss weg. Er spielt darin das 40-jährige Muttersöhnchen Tristan, das sich nicht anders von seiner Mutter zu befreien weiß, als einen Berufskiller mit ihrer Tötung zu beauftragen.

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Geschrieben von

Susanne Lang

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