Es soll ja immer noch diese Jungs geben, die bei ein, zwei Bierchen ihre Karten auf den Tisch werfen: Mein Haus. Mein Auto. Meine Frau. Mein Kind (das echte). Mein neuer Job. Mein Doktortitel. Mein Beutekind (das nichtleibliche). Mein Buch. Meine TV-Sendung. Meine Freunde.
Ja, Herr Bourdieu hätte immer noch seine wahre Freude an diesem tagtäglich praktizierten, komplexen Wettstreit um die feinen Unterschiede. Leider kann er seine praxeologische Erkenntnisweise nicht mehr persönlich anwenden. Aber er wäre sicher einverstanden, wenn wir sie uns aus aktuellen Anlässen kurz ausleihen.
Denn interessanter Weise konnten diverse Katastrophen diesem Kampf um symbolisches Kapital in unserer Gesellschaft nichts anhaben. Weder die Post-Demokratie. Noch die Post-Börsokratie. Noch die Post-Materialismus-Theorie. Nein, die Jungs sammeln eifrig weiter ihre Gadgets, ihre Ladies, ihre Titel. Sie gründen Firmen, die irgendwas mit Politik machen. Oder sie lassen sich wählen, um schließlich irgendwas mit den Medien zu machen. Am Ende beraten sie die Berater der Medien und der Politik, um später im Fernsehen misslungene Beratertätigkeiten zu kritisieren. Sie fahren ihren Dienstwagen ordnungsgemäß nicht ins Ausland, sondern aufs platte Land, sie wollen ihren Frauen etwas bieten, um potentiell allen anderen Frauen etwas bieten zu können. Sie lächeln, denn sie haben allen Grund dazu: Ihren Status!
Tragisch eigentlich
Bis irgendwann eine dieser „Geschichten“ durchgesteckt wird. Ein Kollege sich verplappert. Die Dame an der Hotelrezeption sagt, dass sie nichts wissen werde, wenn man sie frage. Oder die Putzfrau am Arbeitsplatz über das gebraucht-geschenkte Bobbycar aus dem Autohaus stolpert.
Tragisch eigentlich. Aber wir wären ja keine verantwortungsbewussten Praxeologen, wenn wir hier nichts progressives zu vermelden hätten: In Wahrheit erleben wir einen gesellschaftlichen Fortschritt. Als postmoderne Postmaterialisten sind diese Jungs längst weiter und sammeln diese Symbole nur noch, um sie verlieren zu können. Denn sie wissen: Erst der Verlust des Amtes, der Frau, des Hauses macht sie heute noch interessant. Erst die Recover-Phase – wahlweise in der Burnout-Klinik, im Knast oder Kloster – lässt den heutigen Menschen einen sozial anerkannten Menschen sein. Wichtig ist nicht mehr derjenige, der den Doktortitel hat, sondern wichtig ist Herr Dr. dann, wenn Plagiatjäger ihm überhaupt nachjagen wollen. Und richtig wichtig, wenn sie ihn auch noch zu Fall bringen. Danach kann das Spiel ganz neu beginnen.
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