Retuschiert euch!

Empörungskritik Die britische Werbeaufsicht hat eine Kampagne von L'Oreal gestoppt. Grund: Das Gesicht von Testimonial Julia Roberts sei zu stark nachbearbeitet worden. Wie bitte?

Die Welt, wie sie eine britische Abgeordnete der liberalen Partei sieht, muss eine zauberhafte sein. Dort tummeln sich nicht nur Menschen wie du und ich, nein. Wahrscheinlich hüpfen dort auch die Toffeefees aus der Packung, ganz von selbst. Glätten Faltencremes innerhalb von Sekunden die Haut. Und lassen Anti-Haarausfall-Mittel unmittelbar nach Anwendung die Haare wieder wachsen. Denn nichts ist bekanntlich so ehrlich, wie die Werbung. Unter anderem deshalb hat sich die britische Parlamentsabgeordnete Jo Swinson nun dazu berufen gefühlt, gegen die aktuelle Kampagne des Kosmetik-Unternehmens L'Oreal vorzugehen und ein Verbot bei der britischen Werbeaufsicht zu erwirken.

Grund: Das Gesicht von Julia Roberts, die bei der Kampagne als Testimonial ihr Gesicht zur Verfügung stellt, sei all zu stark retuschiert worden. JA, welch ein Skandal. Denn gerade Julia Roberts, diese "natürliche Schönheit" habe das nicht nötig. Werbung dürfe ja vieles nicht, aber ganz besonders dürfe sie nicht Natürlichkeit mit Künstlichkeit zerstören."In erster Linie muss Werbung das Gebot der Ehrlichkeit aufrecht erhalten", so schreibt Swinson im Guardian.

Nun ist Jo Swinson eine ehrbare Parlamentarierin, die sich schon eine Weile für Frauen einsetzt, indem sie gegen überzogene Schönheitsideale kämpft. Die auch zugesteht, dass theoretisch alle wüssten, dass Werbeplakate dieser Art bearbeitet sind. Die jedoch dennoch davor warnt, dass die Betrachterinnen trotz dieses Wissens beim Blick in den Spiegel ein schlechtes Gefühl bekämen, da sie eben nicht-retuschiert aussähen. Sich also minderwertig fühlen müssen.

Warum in dieser Logik nur diese eine Kampagne mit Julia Roberts verboten wird, bleibt nicht nur ein Rätsel (alle FrauenmagazinFernsehzeitungscover müssten es nicht sein?). Es stellt sich gerade in diesem Fall der Julia Roberts vielmehr die Frage, ob die Begründung für das Verbot nicht wesentlich schlimmer ist als die Retusche. Dass es sich bei Julia Roberts um eine "natürliche Schönheit" handele, verkennt völlig, dass "Natürlichkeit" das begehrteste und am härtesten erarbeitete künstliche Image in der Glamour-Glitzer-Star-Welt ist. Niemand ist von Natur aus das, was in der Werbe- und Starbusiness als "natürlich" gilt. Am Ende darf das Mädchen vor dem Spiegel, das ja alle immer ganz wohlfeil im Sinn haben, mit dem Ende dieser Kampagne beruhigt sein: Es sieht, dass es keine natürliche Schönheit ist. Und nicht retuschiert wird.

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Geschrieben von

Susanne Lang

Freie Redakteurin und Autorin.Zuvor Besondere Aufgaben/Ressortleitung Alltag beim Freitag

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