Schatz, ich hab was mitgebracht!

Alltagskommentar Sommeralbtraum 2012: Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) lässt die längst vergessene deutsche Urlaubskulturpraktik Pauschaltourismus wieder aufleben

Der deutsche Urlauber ist auch nicht mehr, was er mal war. Vorbei die Zeiten, als er mit Frau Irmgard und Sohn Heinz-Rüdiger im Gepäck seinen VW-Kombi beharrlich über die Alpen nach Südeuropa oder in eines der sozialistischen Nicht-Brüderländer führte, egal wie lange diese Mission dauerte. Vorbei die Zeiten, als er dort angekommen mit Liegestuhl und harter Mark Aufbauarbeit leistete, auch wenn es ihm niemand so Recht dankte, nicht die Landsleute zuhause, schon gar nicht die Leute vor Ort, die noch immer keinen Satz Deutsch sprachen. Spätestens auf dem Bazar aber kostete er sein Engagement voll aus, wenn er nach harter Verhandlung mit landestypisch handgefertigter Gebrauchsware vom Felde zog. Wie diese Souvenirs mit dem VW harmonierten, war eine andere Frage – für die man schon eine Lösung fand („Heinz-Rüdiger!!“).

Heute erkundet der deutsche Urlauber sein Gastland selbstverständlich mit kulturellem Interesse für das Andere, nicht Fremde. Er schreibt Tausende von individuellen Sommermärchen weiter, lässt seine Reisen von großkulturellen Ereignissen flankieren, die ihn zielsicher in Länder wie Ägypten, Griechenland oder die Ukraine führen. Denn dort fährt er nicht etwa hin, weil es aus diversen Gründen gerade preisgünstig ist, sondern weil er das ansässige Kleingewerbe in harscher Kritik am allgemeinen Austeritätsdiktat individuell wachstumsfördern möchte. Oder weil er als politisch aktiver Mensch vollen Anteil am Revolutionsgeschehen nehmen möchte, da ihm das die eingeschläferten Landsleute zuhause ebenda nie danken würden. Heute also ist der deutsche Urlauber endlich zu jenem Zoon politikon gereift, das er in seinem tiefsten Inneren schon immer sein hätte wollen.

Blöd jetzt irgendwie nur, dass ein gewisser Dirk Niebel den alten pauschaltouristischen Sommeralbtraum weiterlebt. Der hat auf einer Reise nach Afghanistan kürzlich das Kleingewerbe dort entwicklungsfördern wollen und ein Souvenir erworben (Teppich), für 1.400 Dollar (laut BamS-Experte nur 1.000 wert und dem Anschein nach von Motten befallen), ohne Kenntnisse der Produktionsbedingungen (Opiumabhängige Frauen? Kinder?), noch nicht mal auf dem Bazar (zu unsicher), sondern bestellt, und ihn anschließend unverzollt und kostenlos mit einer BND-Maschine nach Hause fliegen lassen. Nun liegt er dort, in Berlin, in seiner Privatwohnung.

Was soll man sagen.

Vielleicht, dass wir sehr froh sein können, dass der FDP-liberale deutsche Entwicklungsminister nur ein Souvenir eingeschmuggelt und keine Trophäe nach Hause geschossen hat?

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Geschrieben von

Susanne Lang

Freie Redakteurin und Autorin.Zuvor Besondere Aufgaben/Ressortleitung Alltag beim Freitag

Susanne Lang

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