Haben Sie kürzlich Monopoly gespielt? Vielleicht erst gestern, mit ihren Kindern, die dabei nicht nur den krisenanfälligen Kapitalismus verstehen lernen, sondern Sie mit der Bank im Rücken regelmäßig abziehen? Oder doch vor längerer Zeit, mit politischen Weggefährten, die noch eine Ausgabe der kämpferischen Variante im Keller liegen haben, in der agitiert wird, bis die Hegemonien auf dem Spielbrett endlich nach links verschoben sind („Provopoli“)? Oder haben Sie diesen Klassiker des Gesellschaftsspiels, der in drei von vier deutschen Haushalten bekannt ist, auf Ihren persönlichen Index gesetzt, seit Sie Anfang der Woche diese Abbildungen von Hakenkreuzen, Konzentrationslagern, Juden-Ghetto und, klar, dem Führer höchstpersönlich auf einer ganz anderen Abwandlung des Spielfeldes gesehen haben?
„Pogromly“ heißt die makabere Persiflage des Spiels, vertrieben haben es Neonazis, vermutlich, um die untergetauchten rechtsextremen Terroristen Beate Z., Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos finanziell zu unterstützen. 100 Mark soll es gekostet haben. Und Frau Z. höchstpersönlich war mit größter Leidenschaft von der Partie, wenn es darum ging, Runde um Runde zu ziehen, Juden abzuliefern, KZs zu kaufen und sich mit dem Besuch-Beim-Führer-Feld vor der Pleite zu retten. Wie? Genug erfahren? Eigentlich wollen Sie das gar nicht so genau wissen?
Dank der nun doch unvermittelt einsetzenden Aufklärungsarbeit des Thüringer Verfassungsschutzes und einiger Medien weiß die Restgesellschaft aber all diese Details über ein Spiel, das in der rechtsextremen Szene eine gleichwohl unterhaltende wie sozialisierende Funktion hatte. Dieses Wissen erzeugt bei manchen Abscheu, bei anderen Entsetzen. In allen Fällen aber erzeugt die öffentlich vorgeführte Existenz dieses Pogromly ein Erschrecken, weil der sonst so weit weggedrängte Alltag eines Neonazis plötzlich so nahe an den eines ganz gewöhnlichen Homo ludens rückt, dessen kulturelle Systeme aus spielerischen Verhaltensweisen entstanden sind. Mit Pogromly pervertiert der Neonazismus genau diese Systeme. Spielerisch. Und unheimlich, ganz im Sinne Freuds, der dieses Unbehagen schon ethymologisch dem eigenen Heim und Haus näherrückt, als manchem lieb sein mag.
Zum Monster gemacht
Spätestens hier aber stellt sich die Frage, ob dieses Gefühl der Unheimlichkeit aktuell nicht ganz bewusst erzeugt wird. Ob das faschistische Subjekt nicht ganz bewusst mit einem Voyeurismus der Abscheu öffentlich durchleuchtet wird. Denn auf diese Weise werden aus den Tätern monströse, wie es so oft hieß „kalt-herzige“ Unmenschen. Monster. Und man muss sie nicht mehr als alltäglich handelnde, jedoch hochgefährlich und brutal agierende Mitglieder dieser Gesellschaft begreifen.
Genau das sind sie aber. Denn die „Heilen Welten“, wie sie Astrid Geisler und Christoph Schultheis in ihren Reportagen über den Neonazi-Alltag im Osten beschrieben haben, zitieren ja gerade all die demokratischen, konsumistischen, popkulturellen Praktiken der pluralistischen Gesellschaft und führen sie so ad absurdum. Paulchen Panther war weder ein besonderes Kunststück noch die Ausnahme. In den Regalen von Supermärkten steht braun gehandelte „Faire Milch“. In Klamottenläden hängen braun codierte Markenstücke. Im Internet vertickt ein Österreicher Schnapsflaschen mit Hitlerkonterfei. Und an so manchem deutschen Amtsgericht sitzen Schöffen, die für die Todesstrafe sind. Das ist unheimlich? Ganz genau.
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