Gut, es mag an der humanistischen Ausrichtung des Gymnasiums gelegen haben. Unser Physikunterricht (Mathe nur bedingt) war in jedem Fall so schnell nicht zu toppen. Achte Klasse (erstes Jahr Physik, so war das damals vor 20 Jahren in Bayern), dritte Stunde, wir bekamen unseren neuen Lehrer in diesem neuen Fach zum ersten Mal zu Gesicht. Und nicht nur ihn. Als sich die Türe öffnete, kam ein Wägelchen hereingeschoben, mit allen möglichen Kabeln und was man sich als Laie eben so unter Physikutensilien vorstellte. Auf dem Wägelchen thronte ein Gerät, das uns alle latent ans Mittelalter der Elektronik erinnerte. Dann hörten wir ein Brummen, ein kurzes Fluchen (ja, das passierte schon mal, damals) und dann stand er vor uns: grauer Wuschelkopf, tiefe Stimme, wirrer Output. Unser neuer Physiklehrer sagte "Grüß Gott" und dann sagte er: "Ich zeig euch jetzt mal was, es geht ja nichts über die alten Geräte".
Wow.
Das gab es im Unterricht allgemein eher selten. Zeigen. Er legte los. Fummelte an den Kabeln herum. Fingerte an der Steckdose rum. Fluchte. Grummelte. Und sagte plötzlich: "Jetzt, passt mal auf." Es zischte laut. Es knallte. Wir sahen eine kleine süße Rauchwolke. Aus dem Gerät heraus in den Himmel des Klassenraums schwebend. Unser neuer Physiklehrer lachte. "So geht es also nicht."
Fehler und Scheitern kamen nun auch eher selten vor - jedenfalls nicht mit einvernehmlichen Gelächter.
Wie ein Stromkreis funktioniert, wussten wir alle nun auch nicht besser als zuvor. Aber in jedem Fall waren wir uns sicher, dass wir die alten Ausstellungsgeräte neben den Physikklassenzimmern in ihren Vitrinen besser dort lassen sollten, wenn wir üben wollten. Und wir wussten, auch wenn Annette Schavan noch lange keine Bildungsministerin war und uns Top-Elite-Manager als Physiklehrer an die Schule schicken wollte, dass wir diesen Lehrer alle mal lustiger finden würden als einen Leistungs-Top-Informatiker, der ansonsten in einem Unternehmen für Gewinnsteigerungen arbeitet.
Warum sollten die nun plötzlich an die Schulen, wie es Schavan fordert, weil nach einer Bildungsökonomiestudie dort mittlerweile nur die Leute mit den schlechtesten Abis als Lehrer arbeiten? Wer bestimmt denn nun, wer ein guter Lehrer ist? Der Abi-Durchschnitt? Da fordern wir doch lieber ein ganz anderes Kaliber zurück an die Schulen:
Kommentare 7
Ist eine Frage von Ausbildung und Engagement. Grundsätzlich würde ich Schavans Anliegen nicht ablehnen, es käme auf die Umsetzung an. In Bayern werden beispielsweise FH-Ingenieure in den Bereichen Metall und Elektro als Berufsschullehrer umgeschult, einschl. Begleitstudium. Das kann doch Sinn machen, wenn die entsprechenden Berufserfahrungen vorliegen.
Sonst, denke ich, wird es nicht so einfach sein, berufsfremde Personen den Bedingungen auszusetzen, die an vielen Schulen herrschen. Gerade die "input -outcome"-Diskussionen verdeutlichten in der Vergangenheit, dass rein betriebswirtschaftliches Denken an der Schule eher praxisfremd ist, da der soziale Auftrag der Lehre dadurch häufig nicht erfüllt wird. Andererseits könnten manche Kollegien auch schon mal einen "Schuss" Innovation vertragen, wenn "Newbies" aus der freien Wirtschaft antreten...
Wäre schön, wenn sich hier einige Kollegen/innen äußerten, die diese Vorstellung (vom Betrieb in die Schule) schon praktizierten und dazu von Erfahrung geleitete Erkenntnisse veröffentlichten.
Schavans Vorschlag lenkt im Wesentlichen davon ab, dass es wirkich wichtige Entscheidungen zur Verbesserung des Unterrichts zu treffen gäbe. Da fallen mir ohne großes Nachdenken, kleinere Klassen, die Auflösung des Drei-Klassen-Schulsystems und die Entschleunigung der Bildung ein. Es gibt sicher noch eine Reihe anderer Probleme. Die Qualität von Unterricht , dass ist der grundsätzliche Fehler Schavans und anderer konservativer Denker , hängt nicht primär vom Lehrer ab, sondern ist das Ergebnis des Zusammenspiels von Schülerbiographien, durchlässigem Schulsystem heterogenen Lerngruppen, Ausstattung von Schulen, Unterrichtsbelastungen von Lehrern etc. Lernen, dass nicht die Fachwissenschaft im Mittelpunkt sieht, sondern den Lernprozess, der in seiner Vielfalt kaum zu unterschätzen ist. und individuell gefördert werden muss, können nicht von Praktikern, die lediglich ihr Fachwissen - und -erfahrung einbringen können geleistet werden.
Ich denke, die Diskussion schadet den Schulen nicht. Es gibt schlimmeres, als eine Diskussion um "Leien-Lehrer", die wir ja aber zur Zeit auch schon haben, ganz besonders im Einsatz als Vertretungslehrer.
Von dieser Seite aus betrachtet ist, es sinnvoller jemand mit Ahnung des entsprechenden Stoffs an eine Schulklasse heranzuführen. Und das Argument, dass Lehrer didaktisch oder pädagogisch so viel besser geeignet sind, muss ich aus eigener Erfahrung leider wiederlegen.
Ich habe ich meiner Laufbahn zu viele Lehrer kennengelernt, die weder fachlich noch pädagogisch in der Lage waren, vernünftigen Unterricht zu machen. Und das in einer kleinen Klasse mit eigentlich hohem Lernwillen und Motivation.
Dass die bisherige, praxisferne Didaktikausbildung von Lehrern alles andere als optimal war, steht außer Frage. Ebenso ist es ein offenes Geheimnis, dass viele Lehramtsstudenten keineswegs nur aus Liebe zu Schülern Lehrer werden möchten. In wirtschaftlich schlechten Zeiten erscheint die Tätigkeit an einer Schule gar zu oft als sicherer Option für eine langfristige Existenzsicherung. Hinzu kommt der Eindruck, man habe in diesem Beruf vergleichsweise günstige Arbeitszeiten und überdurchschnittlich lange Ferien.
Wie weit die vielerorts eingeführten Reformen des Lehramtsstudiums hier Besserung verschaffen, bleibt abzuwarten. Sicherlich ist der stärkere Praxisbezug hier kein Überfluss. Ob andererseits die starke Verschulung der Lerninhalte an Universitäten zu einer Verbesserung der Qualität führt, ist zu bezweifeln.
Das ganze Problem dadurch zu lösen, dass man nun die Damen und Herren "aus der Praxis" als Lehrkräfte gewinnen möchte, um so zu demonstrieren, dass eine didaktische Ausbildung ja letztlich ohnehin überflüssig ist, erscheint mir allerdings als billiger Populismus.
Davon kann ich aber nichts lesen, dass die didaktische Ausbildung hier überflüssig sein sollte.
Ein Einblick in eine (mögliche) Praxis der im Unterricht gelernten Dinge (abseits eines eher nutzlosen 2-wöchigen Schülerpraktikums) ist eine sicher interessante und nicht abwegige Idee, unter Umständen auch extrem motivierend.
Und ein Lehramt ist schon seit Jahren keine Option für nachhaltige Existenzsicherung, denn es gibt mehr Lehrer als Stellen und verbeamtet wird (zumindest war das bei mir an den Schulen so) mittlerweile relativ selten.
@Erbsenzähler: Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt bei der Frage, ob man Top-Manager als Laien-Lehrer einsetzen sollte: Wie wichtig ist die betriebswirtschaftliche Sozialisation an Schulen? Nach meinem Geschmack dominiert das Leistungsdenken immer noch zu sehr. Wie heißt dieser dumme Satz, den so mancher immer noch hört, wenn er oder sie eingeschult wird: Jetzt beginnt der Ernst des Lebens. Und was dieser Ernst in dieser Gesellschaft ist, weiß man spätestens, wenn man aus der Schule/ Uni raus ist.
@chrisjung: Auch ein wichtiger Punkt: Ich hätte mir auch so manchen Lehrer gewünscht, der fachlich besser da gestanden hätte und vielleicht mit ein wenig mehr inhalticher Begeisterung an den Unterricht rangegangen wäre. Vielleicht nur ließe sich das mit anderen Maßnahmen erreichen, nicht mit Leuten aus der Praxis.
@ chrisjung: Auch wenn es wie eine blöde Neusprech-Floskel klingen mag: Danke für Deine Einwände! Wenn ich Frau Schavan richtig verstanden habe, fordert sie aber doch die Arbeit von besonders guten Kräften der Wirtschaft an Schulen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass diese Leute vorher noch eine didaktische Ausbildung bekommen sollen.
Wenn man andererseits solche Personen aufgrund ihrer angeblichen Fähigkeiten an eine Schule holt, impliziert das indirekt und unausgesprochen sehr wohl, dass eine Didaktikausbildung unwichtig ist. Mich erinnert das an die seit jeher bekannte, populistische Vereinfachung von den 'Leuten aus der Praxis', die den 'Theoretikern' ohnehin überlegen sein sollen. Wünschenswert wäre für mich aber vielmehr ein vernünftiges Gleichgewicht von Theorie und Praxis.
Bei Deinen Kommentaren bezüglich der Arbeitssituation von Lehrern muss ich Dir zustimmen. Tatsächlich sind die Arbeitsbedingungen in Wahrheit oft alles andere als gut. Andererseits gibt es hier, gerade was die Verbeamtung angeht, erhebliche Abweichungen von Bundesland zu Bundesland. Dass es mehr Lehrer als Stellen gibt, ist auch wahr. In manchen Bundesländern (z.B. NRW) wird allerdings durch die Landesregierung ziemlich gezielt der Eindruck vermittelt, dass man unbedingt noch viel mehr Lehrer benötigt. Der Umstand, dass das nur für wenige Fächer gilt, geht in der öffentlichen Debatte leider oft unter. Als Resultat haben dort viele zukünftige Lehramtskandidaten sehr unrealistische Erwartungen.