Sind Kinder enttäuscht, schreien und heulen sie vor Wut. In sehr frustrierenden Fällen, etwa wenn sie ein guter Freund im Stich lässt, wälzen sie sich auf dem Boden oder schlagen gar den Kopf gegen die Wand. Wenn Angela Merkel enttäuscht ist, schickt sie ihren Regierungssprecher vor die Kameras und lässt ihn mit ernster Miene sagen: „Viele Menschen sind jetzt enttäuscht von Uli Hoeneß. Die Bundeskanzlerin gehört auch zu diesen Menschen.“
Wenn Angela Merkel enttäuscht ist, wechselt sie wie eine strenge Fünfziger-Jahre-Mutter in den Modus der absoluten Berherrschtheit und distanziert sich – nicht nur von Verfehlungen, sondern gleich ganz von den Buben, auf dass kein Schaden oder gar üble Nachrede auf die Familie komme. Nicht auszudenken, wenn am Ende jemand nach dem Elternhaus fragte: Ob da nicht irgendetwas schief gelaufen sein könnte oder zumindest die Werte nicht ganz nach Wunsch vermittelt worden sind?
In ihrer aktuellen Amtszeit konnte Merkel das oft genug üben. Nun also war der FC-Bayern-Präsident und Vorzeige-Wurstfabrikant an der Reihe. Anfang der Woche beließ es Merkel nicht bei einem Schweigen wie ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble. Im Gegenteil. Sie setzte moralische Maßstäbe für die weitere politische Debatte und ließ ihre Enttäuschung verkünden. Was sie dabei vielleicht nicht bedacht hat: Jeder Enttäuschung geht eine mitunter selbst verursachte Täuschung voraus. Uli Hoeneß war nie der gute Mensch, als der er Merkel und den Konservativen so genutzt hat. Und Moral ist mittlerweile das bessere Geschäft der ökobürgerlichen Opposition.
Die weiß derzeit noch gar nicht so recht, bei wem sie sich mehr bedanken soll für das Wahlgeschenk – bei der Nummer-Eins-Hassfigur unter Linken namens Uli Hoeneß oder dem Wartezimmerblatt namens Focus, der die Ermittlungen gegen Uli Hoeneß sowie dessen Selbstanzeige in die Öffentlichkeit gebracht hat. Jedenfalls macht sie wie immer das Besserwissenste daraus. Bei Hart aber fair konnte man das beispielhaft beobachten. Steuer-CDs seien besser als ein Abkommen, das Anonymität garantiere. Klar, sonst gäbe es auch keinen wahlkampftauglichen Einsatz der medialen „Jagdgesellschaft“, wie sie Hans Leyendecker kritisierte.
Renate Künast von den Grünen gefällt dieser Begriff, sie kritisierte das gleichmal mit, auch wenn es aus ihrem Mund eher nach „Yachtgesellschaft“ klang, was ja nun auch nicht ganz unpassend ist. Schließlich geht es um „die Leute wie Hoeneß“, die Reichen also, die nun stellvertretend am Pranger landen.
Lässt man alle Selbstlügen und Enttäuschungen weg, bleibt ein klares Problem: Viele Menschen vertrauen dem Staat nicht und zahlen zu wenig Steuern. Die Bundeskanzlerin mag nicht dazugehören. Das macht das politische Dilemma nicht einfacher. Selbst aus sozialen Marktwirtschaftlern, immer noch der proklamierte Kompromiss zwischen sozialen Planwirtschaftlern und gierigen Kapitalisten, werden nicht selbstverständlich gute Menschen. Auch ein Uli Hoeneß kann mit seinem Börsenpager gezockt haben, bevor er mit Angela Merkel T-Shirts gegen Homophobie im Fußball verteilt hat. Auch wenn das sehr bedauerlich sein mag.
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