Wie bei der Sendung mit der Maus

Medientagebuch Was macht heute-journal-Moderatorin Marietta Slomka mit dem mündigen, aber sofa-liebenden Bürger? Sie erklärt ihm in ihrem neuen Werk wie Politik funktioniert
Ausgabe 33/2013

Als Bürger hat man in diesem Bundestagswahljahr zwei Möglichkeiten: Man folgt Botho Strauß in die misanthropischen Winkel der Uckermark und feiert die Idiotie als einzig zeitgemäße Lebensform. Leider gelingt dies nur wenigen. Oder man bleibt, mit oder auch ohne Jogginghose, auf seinem Sofa sitzen und begreift sich als mündig. Letzteres ist nicht sehr intellektuell, dafür deutlich lustiger.

Denn mündige Bürger können seit Anfang der Woche – zum Beispiel in einer dieser Filmpausen zwischen der Werbung – auf ein alternatives Rundum-Programm ausweichen, das pädagogisch humorvoll Politik vermitteln will. Eigentlich findet man dieses in sich widersprüchliche Ansinnen sonst nur bei Marietta Slomka, die alle zwei Wochen das heute-journal im öffentlich-rechtlichen ZDF moderiert. Praktischerweise meint es der Bertelsmann Verlag aber gut mit den Mündigen und stellt Slomka nun auch auf analogen 550 Seiten außerhalb ihrer Sendezeit zur Verfügung. Kanzler, Krise, Kapital. Wie Politik funktioniert heißt ihr Werk, das nach eigenen Angaben ein „ungewöhnliches Handbuch“ sein will, das einladen möchte, genau hinzusehen, nachzufragen und sich einzumischen.

Ob der mündige Bürger das nun möchte oder nicht, sei dahingestellt. Für den Fall, dass er oder sie in einen politischen Hinterhalt geraten sollte, versorgt Slomka ihn oder sie quasi vorsorglich mit Munition. Oder wüssten Sie, so ganz spontan gefragt, wie Diplomatie funktioniert? Ob Journalisten immer mehr wissen, als sie schreiben? Überhaupt: Was hat uns der Euro bisher gebracht? Muss man als guter Demokrat für ihn sein?

Wenn eine glaubhaft Antworten darauf geben kann, dann ist es Marietta Slomka. Schließlich hat sie einen dafür eigenen Moderationsstil erfunden: eine Art Sendung mit der Maus-Ansprache für Erwachsene, stets verpackt mit einem kühlen Lächeln.

Die bissige Slomka

Also, muss man als guter Demokrat für den Euro sein? „Nö. Müssen tut man gar nichts.“ Umwelt? Globalisierung? (Kapitel-Zwischenüberschrift „Wenn die Frikadelle wiehert“): „Nun ist es natürlich nicht so, als seien es nur die Chinesen, die voller Gier jede Moral und Vorsicht vergessen. Bereits 1985 mischten österreichische Winzer das Frostschutzmittel Glykol in ihre Weine, um sie süßer schmecken zu lassen.“ Siehste mal!

Im Fernsehstudio darf Slomka die Antworten manchmal auch den Politikern überlassen. Was weit weniger amüsant ist – für die Betroffenen. Unvergessen bleibt zum Beispiel Wolfgang Schäubles genervter Gesichtsausdruck, als sich Slomka bei einem Interview im heute-journal ein wenig festgebissen hatte an dieser Sache namens Eurorettungsschirm. „Aber Frau Slomka“, meinte er irgendwann voller Abscheu, „jetzt unterstellen Sie mir, dass ich das Gegenteil meine, was ich gesagt habe. Das finde ich jetzt nicht nett von Ihnen!“ Tja. Wohl wahr.

Aber nett ist ja auch eine dieser Kategorien, die eher in die Polit-Epoche eines Rainer Brüderle passen. Frauen sind längst nicht mehr nett. Schon gar nicht, wenn sie als Anchorwoman vor der Kamera Politik vermitteln. Das mag im Slomka-Gestus schon mal nerven. Es katapultiert die Smart-TV-User immerhin nicht zurück in eine grauhaarige Zeit der netten Onkels, die bei der ARD nun wieder das Sagen haben. Die sollte besser die Maus und den Elefanten in die Tagesthemen abberufen – sie hat schließlich das Original! Für Thomas Roth bliebe vielleicht eine Reportage aus der Uckermark?

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Geschrieben von

Susanne Lang

Freie Redakteurin und Autorin.Zuvor Besondere Aufgaben/Ressortleitung Alltag beim Freitag

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