Wir sind die Einheitsarchitekten

Einheitsdenkmal Die elitäre Debatte über zu schlechte Entwürfe aus der Ausschreibung für ein Einheitsdenkmal ist absurd: Wo, wenn nicht hier wäre ein demokratisches Verfahren angebracht?

Zwei Ausschreibungen gehen der Pleite voraus. Aber alle eingereichten Entwürfe für das geplante Denkmal werden von der sechsköpfigen Jury, drei Architekten und drei Bildhauer, abgelehnt. Begründung: Sie seien einfach zu schlecht und außerdem zu teuer. Eine gewisse Monumentalität erwarte die Öffentlichkeit aber schon, zumindest die elitäre, kunst- und geschichtsverständige. Und nun? Der geschäftsführende Ausschuss hat eine geniale Lösung und vergibt den Auftrag für das große Nationaldenkmal an einen ausgewählten Künstler. Drei Jahre später geht der dritte Entwurf auf Reisen, wird in fast allen größeren deutschen Städten ausgestellt und findet dort Zustimmung. 1883 schließlich ist es soweit und das Niederwalddenkmal bei Rüdesheim kann von Kaiser Wilhelm I. im September feierlich eingeweiht werden.

125 Jahre später gibt es zwar keinen Kaiser mehr. Aber das Prozedere, um ein nationales Denkmal in Deutschland vorerst nicht auf den Weg zu bringen, ähnelt sich. Mit einem praktischen Unterschied: Jetzt darf elitäres Denken als ­demokratischer Akt verkauft werden. Eine Jury kann sich aus 532 im Rahmen eines demokratischen, ­offenen Wettbewerbs eingereichten Entwürfen für das 2007 vom Bundestag beschlossene Freiheits- und Einheitsdenkmal nicht mal auf eine Vorauswahl von 20 Arbeiten einigen und bläst das Ganze ab. Die Naivität vieler Entwürfe sei „verheerend“, verlautete es aus Jurykreisen. Zudem habe sich „kompletter Schrott“ darunter befunden. Den stellt man dann aber gerne einer breiten Öffentlichkeit zur Diskussion: im Berliner Kronprinzenpalais, räumlich also in schöner Nachbarschaft zum Schlossplatz mit seinem Sockel des alten Kaiser-Wilhelm-Reiterbildes. Dort soll das „Wie-auch-immer-Denkmal“ stehen. Chancenlose Entwürfe zu debattieren bleibt schließlich Debatte und die zeichne flankierend ein modernes Denkmal aus; so jedenfalls werden seit Jahren ­Geschmacksdiskussionen um Berliner Mahn- oder Denkmäler legitimiert. Besser redet es sich nur noch über die ­unmöglichen Ansprüche für das Denkmal – 1848 und 1989 inmitten der historischen Berliner Fassadenwelt des 20. Jahrhunderts zu symbolisieren.

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Kulturstaatsminister Bernd Neumann gibt währenddessen den schönen Hinweis, was gewünscht sei: „Ein Monument, mit dem sich die Demokratie selbstbewusst darstellt.“ Ein bisschen staatstragend darf es auch sein, vor allem soll es ein neues Verständnis von Deutschland herüberbringen. Das dürfen nun ausgewählte Künstler und Architekten erledigen (warum haben die sich eigentlich nicht am Wettbewerb beteiligt?) Devise: munter zurück in die Zukunft.

Wer in ihr ein bisschen angekommen ist, könnte zumindest eines berücksichtigen: Ein modernes Denkmal kann kein Monument zum „Bloß-gucken-nicht-anfassen“ mehr sein. Es beweist sich vielmehr darin, ob es nutzbar ist, ob es seinen Standort in einen vitalen Platz verwandelt, der nicht an seiner Vieldeutigkeit scheitert, sondern wegen seiner Offenheit ernst genommen werden kann. Bei aller miesepetrigen Qualitätsmangel-Debatte rund um das Berliner Holocaust-Mahnmal: Genau diesen Anspruch erfüllt das Stelenfeld, auf dem jeder selbst wissen muss, ob er mit Eis in der Hand durchspaziert oder mit Gedanken im Kopf. Einer der abgewiesenen Entwürfe weist zumindest in diese Richtung: Ingo Niermanns größter beflaggter Mast (Foto), der mit 50 Metern Höhe Mittelpunkt eines Platzes für Demonstrationen sein soll. Ein Speaker’s Corner, mit schwarz-rot-goldener Flagge. Der Jury war das aber zu schlicht. Schade.

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Geschrieben von

Susanne Lang

Freie Redakteurin und Autorin.Zuvor Besondere Aufgaben/Ressortleitung Alltag beim Freitag

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