Die mit den guten Tipps

Porträt Maria Krautzberger ist als Chefin des Umweltbundesamts darauf angewiesen, dass die Politik ihre Vorschläge aufgreift – weitergehende Kompetenzen fehlen ihr
Ausgabe 41/2015
Mit Verwaltung und Klimaschutz kennt sich die Spitzenbeamtin zwar aus, aber sie hat noch nie auf großer Bühne Politik gemacht
Mit Verwaltung und Klimaschutz kennt sich die Spitzenbeamtin zwar aus, aber sie hat noch nie auf großer Bühne Politik gemacht

Foto: ipon/imago

Es gibt Zeiten, da ist man froh, eine oberste Umweltschützerin in Deutschland zu haben. Zum Beispiel, wenn sich herausstellt, dass der deutsche Autobauer Volkswagen bei den Abgastests seiner Dieselfahrzeuge systematisch geschummelt hat. Die betreffenden Autos belasten Umwelt und Klima dementsprechend viel stärker als zuvor angenommen. Beobachter der Branche vermuten, dass die Affäre längst nicht nur VW betrifft, sondern auch viele andere Hersteller. Nun ist die oberste Umweltschützerin gefragt: Maria Krautzberger, Chefin des Umweltbundesamts, kurz UBA. „Eine solche Abgas-Betrügerei täuscht ja nicht nur die Kunden“, sagt sie zu dem Abgasskandal. Auch die Luftqualität sei betroffen. „Damit muss Schluss sein.“

Vor knapp anderthalb Jahren trat sie als erste Frau die Leitung des UBA an. Da war Krautzberger im Berliner Politikbetrieb weitgehend unbekannt. Dafür hatte die damals 59-Jährige schon jahrzehntelange Erfahrung in Verwaltung und Umweltschutz. Viele Umweltaktivisten befürchteten jedoch, die Behörde könne zu zahm werden. Krautzbergers Vorgänger Jochen Flasbarth hatte sich in fünf Jahren Amtszeit den Ruf erarbeitet, dem UBA einen bissigen Tonfall verliehen zu haben – bevor er als Staatssekretär ins Bundesumweltministerium geholt wurde. Unter Flasbarth, dem ehemaligen Präsidenten des Naturschutzbundes, hatte es das UBA oft gewagt, radikalere Öko-Positionen einzunehmen als das Umweltministerium – obwohl es zu dessen Geschäftsbereich gehört. So kritisierte Flasbarth etwa öffentlich den Koalitionsvertrag 2013, weil die Klimaschutzpolitik darin zu schwach sei.

Marsch durch die Verwaltung

Krautzberger hingegen hat bislang eher ruhig im Hintergrund gearbeitet. Die studierte Soziologin und Verwaltungswissenschaftlerin wurde 1986 Abteilungsleiterin im Amt für Stadtentwicklung und Umweltschutz der Verwaltung in Wuppertal, ein paar Jahre später dann Umweltsenatorin in Lübeck. Es folgten kurze Exkurse – einer in die Politik (die Sozialdemokratin wurde 1997 Lübecks stellvertretende Bürgermeisterin) und einer in die Wirtschaft (1998 arbeitete sie wenigen Monate für die Vereinigte Energiewerke AG). Ab 1999 ging es dann zurück auf den alten Weg: Krautzberger wurde Staatssekretärin in der Berliner Staatsverwaltung für Stadtentwicklung. Dort erarbeitete sie zum Beispiel den ersten Stadtentwicklungsplan, in dem die Auswirkungen des Klimawandels für die Hauptstadt vorkamen. 2011 ging sie vorübergehend in den Ruhestand – bis sie im Mai 2014 von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zur UBA-Chefin gemacht wurde.

Würde sie nun auf großer Bühne Politik machen? Die Wahrheit ist: Egal, wie bissig Krautzberger wäre – in Fällen wie dem VW-Abgasskandal kann sie ohnehin kaum etwas ausrichten. Das wäre anders als Chefin des US-amerikanischen Pendants zum Umweltbundesamt. Dort könnte sie höchstpersönlich gegen Unternehmen vorgehen, die Umwelt- und Klimaschutzvorgaben verletzen. Die Environmental Protection Agency (EPA), die den Betrug bei VW aufdeckte, hat weitreichende Kompetenzen. Sie kann sich auf das Luftreinhaltegesetz der Vereinigten Staaten berufen, den Clean Air Act. In dem steht genau, welche Branche welche Abgasgrenzwerte einzuhalten hat – und dass die EPA bei Verstoß dagegen auch Sanktionen verhängen darf. Die können richtig wehtun: Bis zu 37.500 US-Dollar kann die EPA für jedes zurückgerufene Fahrzeug verlangen. Bisher ist von 480.000 Rückrufen in den USA die Rede. Sollte die EPA das höchstmögliche Bußgeld ansetzen, hätte Volkswagen also eine Zeche von 18 Milliarden US-Dollar zu berappen.

Wissenschaftliche Politikberatung

Krautzberger ist allerdings nicht die Chefin der EPA, sondern des Umweltbundesamts. Ihr bleibt deshalb nichts anderes übrig, als immer wieder zu betonen, dass man in ihrer Behörde gute Tipps für Klima- und Umweltschutz parat habe. „Das Umweltbundesamt weist schon seit Ende der 90er Jahre darauf hin, dass auch in Deutschland die realen Schadstoffemissionen höher sind als die Typprüfwerte, die auf dem Rollenprüfstand ermittelt wurden“, sagt sie dann etwa. „2014 lagen immerhin 62 Prozent der städtischen verkehrsnahen Messstellen über dem EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid.“ Die Diesel-Pkw hätten daran einen großen Anteil.

Die wichtigste Aufgabe des Umweltbundesamts ist die Politikberatung. Als die Behörde im Jahr 1974 die Arbeit aufnahm, rühmte man sie als Europas erstes wissenschaftliches Umweltamt. Recht schnell konnte das UBA seine Existenzberechtigung unter Beweis stellen: 1975 deckte es auf, dass in der Bundesrepublik rund 50.000 wilde Müllkippen existieren. Wenig später wurden 20.000 davon geschlossen. Die Behörde stellte anschließend Kriterien auf, wie eine Mülldeponie auszusehen hat, damit sie ökologisch zumindest tolerabel ist.

Im Jahr 1978 warnte das Amt als eine der ersten offiziellen Stellen vor der Bedrohung durch den Klimawandel. In der Folge schlug die Behörde viele Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz vor. Manchmal auch mit Erfolg, wie beim Verbot von bleihaltigem Benzin 1988 oder beim Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 1996. Der Knackpunkt: Die Behörde ist stets davon abhängig, von der Politik erhört zu werden.

Die UBA-Chefin Krautzberger weist nun darauf hin, dass Europa endlich zuverlässigere Testzyklen und unabhängige Kontrollen der Abgaswerte einführen müsse. Derzeit ist die Manipulation im VW-Stil innerhalb der EU nicht einmal ausdrücklich verboten. „Die USA sind bei der Emissionskontrolle – allen Manipulationen zum Trotz – schon weiter“, räumt Krautzberger ein. Hätte sie doch bloß mehr Handlungskompetenzen. Dann könnte man sich noch mehr freuen, eine oberste Umweltschützerin in Deutschland zu haben.

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