Käufer von Elektro- und können ab diesem Monat einen Rabatt in Höhe von 4.000 Euro einstreichen. Dafür will der Bund insgesamt 600 Millionen Euro ausgeben. Wenn der Topf leer ist, spätestens aber Ende 2019, ist es mit der Förderung vorbei.
der Freitag: Herr Lottsiepen, Sie arbeiten für den ökologischen Verkehrsclub Deutschland. Nach dem Willen der Regierung sollen 2020 eine Million E-Autos auf deutschen Straßen fahren. Derzeit sind es rund 25.000 rein elektrisch betriebene Pkw und 130.000 Hybride. Mit einer Kauf-prämie will die Regierung der Elektromobilität nun zum Durchbruch auf dem Automarkt verhelfen. Werden die Kaufzahlen in die Höhe schnellen?
Gerd Lottsiepen: Mit Sicherheit nicht. E-Autos sind auch mit den 4.000 Euro Rabatt immer noch teurer als vergleichbare Benziner. Es gibt natürlich Schnäppchenjäger, die auf jede Prämie anspringen – aber diese Prämie wurde so dilettantisch entwickelt, dass ich keinen großen Effekt erwarte.
Wie meinen Sie das?
Das fängt schon beim politischen Hickhack an, aus dem sie hervorgegangen ist: Ewig ging es hin und her, ob es überhaupt einen Zuschuss geben soll. Und jetzt haben wir ein Ergebnis, das von fast allen Seiten kritisiert wird.
Unter anderem von Ihnen. Woran stören Sie sich?
Ökologisch ist die Prämie ein Desaster. Man kann das Geld für jedes Elektroauto kassieren, auch für den größten Stromfresser. Bei Hybrid-Modellen, die mit Strom aufgeladen werden können, aber auch einen Verbrennungsmotor haben, kann man immer noch 3.000 Euro sparen. Wir wissen allerdings aus den Niederlanden, wo es eine Prämie von 5.000 Euro gibt, dass viele Hybrid-Fahrer den Stromantrieb kaum nutzen. In Deutschland wird nun jedes E-Auto gefördert, außer wenn es mehr als 60.000 Euro kostet. Diese Grenze ist zu hoch. Wer sich ein Auto für 50.000 Euro leisten kann, braucht das Geld nicht. Aber so bekommt die Autoindustrie ein Geschenk.
Die darf pro Elektroauto 2.000 Euro staatlichen Rabatt ge-ben, wenn sie selbst ebenfalls 2.000 Euro erlässt.
Der Clou ist: Die Herstellung der E-Autos wird immer billiger, weil die Batterien weniger kosten und mehr Fahrzeuge produ-ziert werden. Die Autokonzerne werden diese Ersparnis einfach weitergeben und als Geschenk an den Kunden im Rahmen der Kaufprämie tarnen.
Welches Konzept zur Förderung wäre denn besser gewesen?
Eine Kaufprämie kann durchaus zielführend sein, aber nicht so. Jetzt soll die Allgemeinheit dafür zahlen. Stattdessen müssten die Verschmutzer zur Kasse gebeten werden, zum Beispiel über eine erhöhte Kfz-Steuer auf besonders spritdurstige Autos. Produkte mit einem offensichtlichen finanziellen, aber auch ideellen Makel werden kaum gekauft – fast keiner will das Auto fahren, für das „Strafzahlungen“ fällig werden. So etwas wollte die Autoindustrie natürlich unbedingt verhin-dern, denn mit genau diesen sogenannten Premium-Modellen macht sie große Gewinne.
Das Geld für die neue Prämie kommt aus dem Energie- und Klimafonds. Wie viel Kohlendioxid spart man denn durch Elektroautos im Vergleich zu Benzinern?
Das ist schwer zu sagen. Spätestens seit dem Abgasskandal wissen wir, dass Angaben der Hersteller zum Energieverbrauch nicht glaubhaft sind. Wir nehmen an, dass das bei E-Autos besonders stark der Fall ist. Die Werte werden im Labor bei hochsommerlichen Temperaturen ermittelt, allerdings steigt der Stromverbrauch im Winter stark. Den CO2-Ausstoß dürfen die Autobauer bei reinen E-Autos sogar mit null angeben. Das ist aber unrealistisch, denn diese verursachen zwar während der Fahrt keine Emissionen, beim derzeitigen Energiemix aber sehr wohl durch die Stromproduktion.
Und wenn man das einrechnet?
Beim VCD haben wir das mit unserer Auto-Umweltliste versucht. E-Autos verursachen zurzeit pro Kilometer zwischen 67 und 103 Gramm Kohlendioxid. Benziner und Erdgasautos gibt es auch schon deutlich unter 100 Gramm.
Zurzeit ist der Unterschied fürs Klima also eher klein?
Das liegt an unserem Strommix. Wenn wir irgendwann nur noch erneuerbaren Strom nutzen, sinkt der CO2-Ausstoß von E-Autos quasi auf null. Wir brauchen die Fahrzeuge für den klimafreundlichen Verkehr und wir müssen sie auch jetzt schon einführen, wenn wir bald auf Verbrennungsmotoren bei Pkw verzichten wollen. Das muss aber innerhalb einer richtigen Verkehrswende passieren. Einfach nur mehr E-Autos auf den Straßen bringen nicht viel.
Was wäre nötig?
Wir müssen die Energiewende vorantreiben. Und wir dürfen die E-Autos nicht genauso einsetzen wie derzeit Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor: eine Person, ein Auto. Am sinnvollsten sind Fahrzeugflotten, also Carsharing oder die Fuhrparks von Unternehmen und Behörden. Auch Details wie unsere Verkehrsregeln müssen wir überprüfen. Zum Beispiel werden wir auf jeden Fall eine durchgängige Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn brauchen. Die Batterien der Autos sind ansonsten sehr schnell leer. Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen, können wir es uns nicht mehr leisten, durch sehr hohe Geschwindigkeiten Energie zu verschleudern.
Züge, Straßenbahnen und Co. fahren schon jetzt mit Strom. Je besser sie ausgelastet sind, desto besser fürs Klima. Dann sinken die Emissionen pro Person – und auch die Fläche, die für das Verkehrswesen zugebaut wird. Sollte man nicht vor allem versuchen, möglichst viele Menschen mit dem öffentlichen Verkehr zu befördern?
Auf jeden Fall. Für die Verkehrswende ist es wichtig, dass sich jeder zuerst die Frage stellt: Brauche ich überhaupt ein eigenes Auto? Ich zum Beispiel komme hier in Berlin hervorragend ohne aus. Neben den öffentlichen Verkehrsmitteln sind übrigens auch sogenannte Pedelecs vielversprechend, also Fahrräder, die einen beim Treten mit einem Elektroantrieb unterstützen. Besonders bei Lastenrädern ist das sehr sinnvoll. Wir vom VCD überlegen gerade, ob wir Menschen unterstützen, die sich jetzt eine Kaufprämie für Pedelecs erklagen wollen. Allerdings wurden in Deutschland schon über zwei Millionen davon verkauft – ganz ohne Prämie.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Förderung von Elektroautos als „aktive Industriepolitik“ bezeichnet. Die meisten großen Autokonzerne machen jedes Jahr Gewinne in Milliardenhöhe. Brauchen sie zur Einführung der Elektroautos in den Massenmarkt überhaupt Hilfe?
Nein, sie haben nur sehr erfolgreich um Subventionen gebettelt. In der Politik wächst sogar der Eindruck, dass wesentliche Kräfte der Industrie eigentlich gar keine E-Autos verkaufen wollen.
Stimmt das?
Tatsächlich würden sie am liebsten bei dem Geschäftsmodell bleiben, das sie jetzt seit 30 Jahren betreiben: immer größere, immer schwerere Autos mit Verbrennungsmotor immer teurer verkaufen. In Innovationen muss man jedoch nun einmal investieren. Die Handyhersteller haben auch keine Kaufprämie für Smartphones bekommen – durchgesetzt hat sich die anfangs sehr teure Technologie trotzdem, denn sie hat für die Nutzer Vorteile. Bei E-Autos könnte das auch so sein. Sie sind mittlerweile zuverlässig, leise, stinken nicht und sind mit dem richtigen Strom auch noch klimafreundlich.
Wie fördern denn andere Länder E-Autos?
Norwegen zum Beispiel macht das sehr erfolgreich. Auch dort gibt es eine Kaufprämie, auf die hiesige Befürworter gern verweisen, denn jedes dritte Neufahrzeug ist dort strombetrieben. Aber Norwegen ist ein Sonderfall. Erstens hat das Land dank Wasserkraft reichlich regenerativ erzeugten Strom. Zweitens werden E-Autos extrem begünstigt, nicht nur durch die Kaufprämie, sondern etwa auch durch den Erlass von Maut- und Fährengebühren. Drittens sind Land und Leute reich, es ist also für viele kein Problem, ein teures Auto wie den Tesla zu kaufen. Und viertens verkauft Norwegen Benzin und Diesel sehr teuer, teils für mehr als zwei Euro pro Liter. Das geht, weil das Land keine eigene Autoindustrie hat, die Widerstand leisten könnte.
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