Ins neue Jahrzehnt gescheitert

Klimagipfel Auf globaler Ebene werden Regierungen nicht zur Verantwortung gezogen, wenn sie zu wenig Klimaschutz liefern. Das müssen die Menschen auf der Straße übernehmen
Ein junges Mädchen protestiert in Madrid
Ein junges Mädchen protestiert in Madrid

Foto: Oscar del Pozo/AFP via Getty Images

In zwei Wochen beginnt ein neues Jahrzehnt. Wenn wir die Erde nicht um mehr als 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten erhitzen wollen, müssen wir dann jedes Jahr 7,6 Prozent der Treibhausgase einsparen. Das hat das UN-Umweltprogramm berechnet.

Die Zahl ist global gemeint. Eigentlich hatte man sich im Paris-Abkommen darauf geeinigt, dass die Industriestaaten erst mal mehr machen müssen als ärmere Länder. Ein Land wie Deutschland müsste also eigentlich noch drastischer Treibhausgase einsparen. Davon sind wir weit entfernt. Im vergangenen Jahr gab es nach Jahren der Stagnation immerhin mal wieder eine nennenswerte Minderung: minus 4,5 Prozent.

Daran müssen wir die künftigen Klimapläne der Staaten messen: nicht an den Zielmarken für das Ende des Jahrzehnts oder die Mitte des Jahrhunderts, sondern an ihren konkreten Folgen. Klimaschutz beginnt, wenn Kohle, Öl und Gas weit entfernt von Verbrennungsanlagen bleiben. Dann sinken die Emissionen. Bisher ist das auch unter den Ländern selten der Fall, die auf Klimagipfeln nicht als Bremser auftreten.

Immerhin ist es in auf dem vergangenen Klimagipfel in Madrid gelungen, die Angriffe der egoistische Bremser unter den Staaten abzuwehren. Brasilien wollte durchsetzen, dass es seinen Klimaschutz doppelt zählen darf: Einerseits durch den Verkauf von Bescheinigungen über Emissionsreduktionen an andere Länder und andererseits in der eigenen Klimabilanz. Verkaufen und gleichzeitig behalten? Die anderen Staaten ließen sich nicht darauf ein. Zum Schluss gab es gar keine Einigung zur Regulierung von Klimaschutz-Märkten, aber das ist wohl besser als eine schlechte.

Zwischenzeitlich war zu befürchten, dass die Staaten sich nicht einmal darauf einigen würden, ihr Versprechen aus dem Paris-Abkommen zu wiederholen: nämlich nächstes Jahr neue Klimaziele vorzulegen. Ein Problem für ein Abkommen, das einzig und allein auf freiwilligen Klimazielen der Staaten beruht, die bislang nicht im Ansatz ausreichen.

Am Samstagvormittag stellte die chilenische Gipfelpräsidentschaft einen Entwurf für ein Abschlussdokument vor, in dem die Staaten plötzlich nur noch zur Ablieferung von Klimazielen „eingeladen“ waren. Keine Rede davon, dass es sich um neue oder gar bessere Ziele handeln solle, keine Rede von (Selbst-) Verpflichtung. Einer Einladung muss man schließlich nicht folgen. Nach Protesten zahlreicher Länder, vor allem aus dem globalen Süden, „ermahnt“ die Madrider Konferenz nun zur Abgabe neuer Ziele.

Es hätte also noch schlimmer kommen können. Gescheitert ist der Gipfel trotzdem: Die wichtigen Punkte der Tagesordnung hat man ins kommende Jahr verschoben. Und selbst der weiche Kern des Paris-Abkommens ist wieder diskutabel. Dieses Abkommen stellt im Grunde nur einen Verwaltungsrahmen für den globalen Klimaschutz. Es zieht Regierungen nicht zu Verantwortung. Das müssen die Menschen auf den Straßen der Welt übernehmen – und das tun sie inzwischen ja auch.

Susanne Schwarz ist Mitgründerin und Redakteurin des Onlinemagazins klimareporter

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