Das Henne-Ei-Problem der digitalen Identität

Digitaler Personalausweis Seit 2010 können Bürgerinnen und Bürger die elektronische Identität ihres Personalausweises nutzen, aber nur wenige tun es. Im Herbst 2021 hat die eID eine Erwähnung im Koalitionsvertrag der Ampel erhalten, doch was hat sich getan?

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Darüber diskutierten beim Roundtable von Elfnullelf Public Affairs-Beratung Vertreter*innen aus Politik, Verbänden, der Software-Entwicklung und kommunalen Verwaltungen unter dem Titel „eID wagen: Booster für die Verwaltungsdigitalisierung?“. Die Planung dazu komme bisher noch aus dem Bundesinnenministerium, erklärte Manuel Höferlin, FDP-Sprecher im Innenausschuss des deutschen Parlaments und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Digitales. Für ihn gibt es immer noch zu wenig interessante Anwendungen der eID, die Bürger*innen locken könnten, ihre digitale Identität freizuschalten und zu verwenden.

Nicht nur auf die Ausweisfunkion dabei schauen will Rebekka Weiß, Leiterin Vertrauen & Sicherheit beim Verband Bitkom, denn die digitale Identität sei mehr als nur das. Das ganze „Ökosystem“ der digitalen Identität müsse weiterentwickelt werden. Bisher, so Tarek Alhossni, Projektmanager E-Government bei der Stadt Ennepetal in Nordrhein-Westfalen, sei die eID für die Nutzung der Online-Möglichkeiten in Nordrhein-Westfalen nicht besonders hoch. Wichtiger sei hier das „Serviceportal NRW“. Um gute Chancen bei künftigen Nutzer*innen zu haben, müssten die Online-Anträge nicht nur am PC oder am Tablet machbar sein, sondern auch am Smartphone. Auch Daniela Heiermann vom Benutzerservice/Consulting des Ennepe-Ruhr-Kreis, sieht noch keine sehr große Nutzung der eID, am ehesten bei der Kfz-Zulassungsstelle.

Auf die Frage des Moderators Fabian Haun von Elfnullelf, warum es bisher so wenige Anwendungsmöglichkeiten gebe, erklärte Matthias Kess, langjähriger technischer Leiter der Cryptshare AG aus Freiburg, die sichere und einfache Kommunikationslösungen für Behörden entwickelt, dass seine Firma rechtssichere Authentifizierung und Anwenderfreundlichkeit zu verbinden suche. Aber es sei ein „Henne-Ei-Problem“, wenig Anwendung, wenig Nachfrage und umgekehrt. Man habe die Chance verpasst, die das Impfen gegen Corona geboten hätte. In den Niederlanden wurden die Impfzertifikate mit dem digitalen Ausweis verbunden und die Nutzerraten schossen in die Höhe. Für Markus Wolfer, Head of Sales DACH Cryptshare AG, ist es wichtig, dass die Wirtschaft bei der Nutzung der eID mit ins Boot geholt würde, gerade in der Versicherungswirtschaft gebe es dafür viele Möglichkeiten.

Der Politiker und Digitalunternehmer Höferlin erklärte, die wirklichen Vorteile der digitalen Verwaltung ergäben sich erst, wenn alle Vorgänge so durchdigitalisiert seien, dass nicht an irgendeiner Stelle die Anträge oder Bescheide dann doch wieder von Hand eingetippt werden müssen. Dann würden auch die Verwaltungsangestellten erst wirklich entlastet. Wertvoll für die Verwaltung ist die Digitalisierung nach Darstellung Alhossnis, wenn die digitale Unterschrift möglich ist.

Schon seit 2010 hätte es laut Höferlin und Kess viel mehr Werbung für die Nutzung der eID geben müssen, auch in den Ausstellungsbehörden, um eine so hohe Akzeptanz der eID zu erreichen, wie sie beispielsweise in Schweden schon seit Jahren selbstverständlich ist, wie Wolfer bestätigte. Die Unterstützung in den Kommunen ist auch für Marc Danneberg, Referent Public Sector bei Bitkom, der entscheidende Faktor für die Verwirklichung des Onlinezugangsgesetzes. Gerade im „City-Kontext“ könne vom Hotel über den ÖPNV bis zum Mietwagen so vieles in einer eWallet, einer elektronischen Brieftasche, zusammengefasst werden. Weiß wies darauf hin, dass es genug Anwendungen gebe, die gar nicht alle Aspekte der eID nutzen müssten, weil es dafür nicht die volle staatliche Authentifizierung brauche.

Höferlin befürwortete im Roundtable, dass die Kommunen mehr Cloud-Lösungen wählen sollten, die „sind am schnellsten auszurollen“. Die Nutzung der digitalen Identität der Bürger*innen ermögliche es dem Staat, schneller in Krisen wie der Corona-Pandemie zu reagieren, meinte Danneberg in der Schlussrunde.

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Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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