"Union in der Opposition angekommen"

Bundespolitik Er sieht sich als Generalist, will die Wirtschaftskompetenz der CDU mit Klimapolitik verbinden und die vermehrte Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt vor eine massenhafte Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte setzen.

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Das erklärte der erste parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, bei der Veranstaltungsreihe „bwg Sitzungswoche – Sprechstunde“ in der „Ständigen Vertretung StäV“ am Berliner Schiffbauerdamm. Dabei gab der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete und frühere Oberbürgermeister von Donaueschingen Auskunft über seine Karriere und Ziele. Aufgewachsen in Säckingen direkt an der Grenze zur Schweiz und nah an Frankreich hat er früh die pragmatischen Lösungen des Zusammenlebens und des sprachlichen Austauschs im kleinen Grenzverkehr schätzen gelernt. Sein Interesse an der Politik entwickelte sich 1989 durch das Gefühl „Geschichte live mitzuerleben“, erklärte er dem Journalist und Gründer der Veranstaltungsreihe Christoph Nitz. Aus Interesse für Politik wurde Leidenschaft, deshalb fühle er sich als „Glückskind“, dass er aus dem Hobby den Beruf machen konnte.

Das Jurastudium in Freiburg wählte er wegen der breit angelegten Ausbildung, ein Generalist eben. Nach kurzer Zeit als Rechtsanwalt führte ihn sein Weg 2002 als Referent zum baden-württembergischen Staats- und Europaminister. Nur zwei Jahre später wurde aus dem CDU-Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat von Säckingen der Oberbürgermeister von Donaueschingen, der er bis 2013 blieb, zuletzt ohne Gegenkandidat mit 99,2 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Als der CDU-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises, Siegfried Kauder, Bruder des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag Volker Kauder, wegen CDU-internen Streits nicht mehr nominiert werden sollte, wurde Frei gebeten zu kandidieren, und gewann das Bundestagsmandat mit über 56 Prozent, allerdings „mit schlechtem Gewissen“ seinen vielen Wählerinnen und Wählern in Donaueschingen gegenüber.

Geplant sei der Wechsel in den Bundestag nicht gewesen, denn das Oberbürgermeisteramt sei das schönste politische Amt, mit viel Kontakt zu den Menschen und „ohne die Chance sich hinter Phrasen zu verstecken, das erdet ungemein“, resümierte Frei in der StäV diese Jahre. Nach den Jahren in der Kommunalpolitik wollte er im Bundestag neue Erfahrungen machen und wandte sich zunächst der Außenpolitik zu. Allerdings folgten auch wieder innenpolitische Fraktionsaufgaben und heute sieht er sich als parlamentarischer Fraktions-Geschäftsführer als „Mädchen für alles“. Der Abschwung der CDU in Baden-Württemberg ist auch an ihm nicht folgenlos vorübergegangen, sein Direktmandat gewann er 2021 nur noch mit 36,4 Prozent, Damit holte er immerhin zehn Prozent mehr Stimmen, als seine Partei an Zweitstimmen im Wahlkreis erhielt. Im Gespräch zeigte er sich aber optimistisch, dass die CDU in Baden-Württemberg wieder stärkste Kraft werde.

Die Einsparungen bei der Bundeswehr, die er als Wehrpflichtiger der deutsch-französischen Brigade in ihren Anfängen miterlebt habe, sei „als Friedensdividende mit der Zeit überdreht“ worden, für Sicherheit müssten die Ausgaben wieder steigen. In der Frage der Kampfpanzer habe Scholz Deutschland zunächst politisch isoliert, bis endlich die Entscheidung gefallen sei.

Statt einer prognostizierten nötigen Arbeitskräftezuwanderung von mehr als 400.000 Menschen pro Jahr fordert Frei, erst „das Potenzial in Deutschland zu heben“. Solche großen Zahlen seien nicht zu integrieren, meinte Frei. Deshalb brauche es mehr Anstrengung, Arbeitslose in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Die Rente mit 63 Jahren sei „ein schwerer Fehler gewesen“, auch die Arbeitszeit könne nicht weiter verkürzt werden, „wenn wir den Wohlstand halten wollen“.

Die Union sei inzwischen in der Opposition angekommen, behauptete Frei, sie habe sich in der Impfdebatte, beim Bürgergeld und bei den Waffen für die Ukraine sogar durchgesetzt. Dem Einwand des Moderators, das sehe die SPD wohl ganz anders, entgegnete er, „außer der SPD sehen das alle so.“ Die Union müsse sich jetzt „mit den großen Linien“ beschäftigen, dazu zählte er die Energiepolitik. Die Atomkraftwerke sollten mit neuen Brennstäben weiterlaufen, Speicher- und Leitungskapazitäten ausgebaut werden, damit erneuerbare Energie auch eingespeist und verteilt werden könne. Das vergangene Jahr habe bei den LNG-Schiffen gezeigt, wie schnell Planung in Deutschland sein kann. „Bei den großen Infrastrukturprojekten sind wir zu langsam, weil wir zu vielen Menschen die Möglichkeit geben, ihre Einwände vorzubringen. Wir müssen auch an das Gemeinwohl denken“, forderte der CDU-Politiker.

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Die Veranstaltungsreihe „bwg sitzungswoche – Sprechstunde“ ist eine Kooperation von bwg Berliner Wirtschaftsgespräche, sitzungswoche Unabhängiges Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Medien StäV Ständige Vertretung Berlin, Wöllhaf Gruppe und OSI Club mit Unterstützung von Studio Schiffbauerdamm, Landau Media und berlin bubble,

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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