Social Audio ist nicht mehr wegzudenken

Mediensalon Neues Jahr, neue Trends? Für Podcasts und Newsletter ist die Prognose gut, Social Audio ist nicht mehr wegzudenken und das Arbeiten in Teams wird immer wichtiger. Das ist das Fazit des ersten Berliner Mediensalons im Jahr 2022.

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Die Pandemie bestimmte auch diesen Berliner Mediensalon: Moderator Johannes Altmeyer hatte zum Thema „Quo vadis 2022? Medientrends des neuen Jahres“ wieder nur digital zur Diskussion bitten können. Diese startete er mit einem Ausblick auf das neue Jahr, der sich auf den „Digital News Report 2021“ des Reuters Institutes in Oxford gründete, und für ihn als Leitenden Redakteur des Newsletters „Business Insider“ positive Aussichten bietet: Newsletter und Podcasts liegen weiter voll im Trend. „Ein Hype für Podcasts?“, fragte er die Audio-Reporterin des SPIEGEL, Regina Steffens. „Stimmt auf jeden Fall optimistisch“, meinte die Podcasterin, aber ein Hype seien Podcasts schon länger nicht mehr.

Neue Erzählweisen etablieren sich, der Trend gehe weg vom linearen Programm, Social Audio und Podcast würden wichtiger, meinte auch Johannes Kuhn vom Hauptstadtstudio des Deutschlandfunks. Aber gerade sein Sender mit Deutschlandfunk, Dlf Kultur und Dlf Nova habe viele Sendeflächen zu bespielen und dürfe das Kerngeschäft nicht vernachlässige: Für den Deutschlandfunk ist das die absolute Primetime am frühen Morgen mit den langen Interviews.

Große Veränderungen für seine Arbeit sieht Ibrahim Naber, Investigativ-Journalist für die WELT, nicht im vergangenen Jahr, eher in den letzten fünf Jahren. Seine Reportagereise als Burns-Stipendiat durch die USA zur Situation ein Jahr nach dem Sturm auf das Capitol habe ihm noch deutlicher gemacht, dass Geschichten – auch aus finanziellen Gründen - von Beginn an für die unterschiedlichsten Formate konzipiert werden müssen und Teamarbeit zu vielfältigeren Ansätzen führe. Als Gast in US-amerikanischen Redaktionen konnte er das Sterben der Tageszeitungen beziehungsweise deren Zusammenschlüsse auch mit Sendern zu größeren, rein journalistisch orientierten Einheiten miterleben, wie etwa bei „The City“, „an independent non-profit newsroom for New York“. Jüngstes Beispiel vor wenigen Tagen ist die Chicago Sun Times, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete.

Für den freien Autor und Reporter für Vice oder ZEIT, Paul Schwenn, sind nicht nur die Geschichten wichtig, sondern die Einordnung. Mehr Medienkonsum auf digitalen Plattformen, deren Abozahlen seit der Corona-Krise gestiegen sind, müsse nicht heißen, Dingen von Relevanz auf den Grund zu gehen. Das habe der jüngste Bundestagswahlkampf gezeigt. Viele Chat-Runden seien auch voller Leute, die nichts zu sagen hätten: „Es wird auch viel gesabbelt“, war seine deutliche Kritik.

Für den Wahlkampf jetzt in Nordrhein-Westfalen setzt Selina Marx von der WDR-Redaktion Landespolitik sehr viel auf die direkte Diskussion mit den Hörer*innen, natürlich durch Reisen durch das Berichtsgebiet, aber auch durch Social Audio wie Twitter Spaces, oder auch durch direkte Antworten auf Kommentare zu den Landespolitik-Podcasts. Natürlich habe auch sie in der Landespolitik die aggressiver gewordene Stimmung gegen Journalist*innen zu spüren bekommen. Sie sieht bei aller Ausgewogenheit aber nicht die Pflicht, das Mikro „für jeden Quatsch“ hinzuhalten.

Wieweit können Journalist*innen Leute in ihrer eigenen „Bubble“ von Corona oder auch Extremismus noch erreichen, müssen sie selbst auf „Telegram“ präsent sein oder sich darüber Gedanken machen, ob sie zu sehr „von oben“ berichten? Müssen Redaktionen diverser werden oder sind sie das schon geworden? Bewerben sich zu wenig Kandidat*innen abseits des Akademiker-Mainstreams in diesem Beruf, weil ein Studium von vielen selbst gewollt sei, wie Charlotte Bauer von der Berliner Morgenpost vermutete. Oder kommen diese gar nicht bis zur Bewerbung, weil sich viele sozial schlechter gestellte junge Leute die unbezahlten Praktika als Eintrittsticket in den Journalismus gar nicht leisten können, wie Schwenn einwarf? Sucht man möglicherweise gar nicht wirklich nach jungen Kolleg*innen mit anderem Hintergrund, weil die Prägung in den Führungsebenen dies eigentlich nicht zulasse und das Thema in Wahrheit seit Jahrzehnten verschlafen werde, wie Kuhn anmerkte? Fragen, die offen, aber auch ohne wirkliche Antworten debattiert wurden. Deutlich sei aber, so Kuhn, dass der Journalismus an Attraktivität verloren habe und die Tendenz zur Prekarisierung nicht abzustreiten sei.

Einen „Fachkräftemangel im Journalismus“ habe man sich vor Jahren nicht vorstellen können, erinnerte Altmeyer, doch inzwischen gehen die Bewerberzahlen an Journalistenschulen - und bei Volontariaten – deutlich zurück. „Irgendwas mit Medien“ war vor Jahren ein häufig gehörter Berufswunsch. „Hat die Faszination nachgelassen?“ fragte der Moderator des Mediensalons in die Online-Runde. Die Chancen für Berufseinsteiger sind durch den Spardruck weniger geworden, konstatierte Naber, und die Aussicht auf „ein normales Leben“, auf Work-Life-Balance, wichtiger geworden. Viele Junge haben den Eindruck, dass dies im Journalismus nicht funktioniere. Vielfach befristete Verträge seien als Werbung für den Beruf auch nicht gerade attraktiv, pflichtete Steffens der Einschätzung bei.

Zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten erleben Journalist*innen und Redaktionen noch einen weiteren Bedeutungsverlust: Durch Social Media, Influencer-Kanäle, eigene TV-Produktionen wie der FC Bayern, eigene Podcasts wie die Kanzlerin, sind Politiker, Unternehmer, Künstler nicht mehr auf die Reichweite journalistischer Formate angewiesen und können deren kritischen Fragen ausweichen. Dagegen müssten sich Qualitätsmedien als vertrauenswürdige Marke positionieren. Wird Twitter demnächst aber eine Bezahlschranke haben, sei das allerdings auch ein Startschuss für mehr Unabhängigkeit von freien Journalist*innen von den Redaktionen als Auftraggebern, unterstrich Naber. Dann könnten sie sich mehr als jetzt zu profitablen eigenen Marken in Konkurrenz zu Medienunternehmen aufbauen.

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#Mediensalon ist eine Veranstaltung der gemeinnützigen meko factory – Werkstatt für Medienkompetenz in Kooperation mit Deutscher Journalistenverband DJV Berlin – JVBB e.V., Deutscher Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, unterstützt von der Otto Brenner Stiftung und Landau Media. Den Livestream gestaltete die taz kantine.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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