„In der Mietenfrage eng am Puls der Leute“

Sprechstunde Für den Kreuzberger Bundestagsabgeordneten Pascal Meiser von der Linken sind die wichtigen Themen im Wahlkreis und im Bundestag ziemlich deckungsgleich: Mieten, Wohnen, Arbeit und die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie.

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Als nun einzige linke Oppositionspartei im Bundestag sei die Aufgabe der Linken größer geworden als in der vorigen Legislaturperiode, erklärte der Linken-Abgeordnete Pascal Meiser bei der „bwg sitzungswoche Sprechstunde“ zur morgendlichen Stunde in der „Ständigen Vertretung“ in Berlin. Für ihn als Abgeordneten aus Berlin-Kreuzberg gebe es eine große Übereinstimmung der gegenwärtig besonders wichtigen Themen in der Bundespolitik und in seinem Wahlkreis: Mieten und Wohnen, Arbeitsmarkt und Pandemiefolgen. Als Obmann seiner Fraktion im Wirtschaftsausschuss hat er es dort mit besonders vielen Vorgaben aus der Europäischen Union zu tun, da viele Wirtschaftskompetenzen, etwa bei der Regulierung der Digitalmärkte, an Brüssel übertragen wurden.

Geboren und aufgewachsen im Saarland („Ich komm vom Dorf“) hat Meiser in Mainz, Leeds und Berlin Politische Wissenschaften studiert und ist seit Ende der 1990er Jahre in Kreuzberg zuhause. Engagiert zunächst in den studentischen Vertretungen an seinen Unis hat er sich als wissenschaftliche Hilfskraft schon während des Studiums in der Gewerkschaft organisiert und dort auch eine Ausbildung als Gewerkschaftssekretär gemacht. In der Partei der Linken hat er eine „steile Karriere“ hingelegt, wie die Moderatorin des Gesprächs, Alice Greschkow, formuliert, und ist schnell zum Leiter für Kampagnen und Partei-Entwicklung geworden. „Die Partei muss im öffentlichen Raum da sein“, erklärt Meiser, „nicht nur im Bundestag Anträge stellen“. Dabei betont er „Unser Pfund sind unsere Mitglieder“, denn die kämen bei den Linken nicht aus Karrieregründen, sondern seien „Überzeugungstäter“ mit viel Motivation.

Das Wahlverhalten bei der Bundestagswahl ist nach Meisers Beobachtung stark von den möglichen Koalitionen geprägt worden. Viele Menschen, die vorher die Linke gewählt haben, hätten sich wegen der Kanzlerfrage den Grünen oder der SPD zugewandt, weniger wegen der Klimapolitik. Das sei ihm im Wahlkampf auch so erklärt worden. Eine frühe Briefwahl hätten im Verlauf des Wahlkampfs manche Wähler*innen bedauert.

Auf der Berliner und der Bezirksebene dagegen waren die Wahlergebnisse für die Linke besser: „Da waren wir mit der Mietenfrage wohl eng am Puls der Leute“, meint Meiser rückblickend. Nun sei die Bundestagsfraktion geschrumpft im Vergleich zum vorigen Parlament, aber die Aufgaben seien für die einzige linke Oppositionspartei eher gewachsen.

Viele Anliegen von SPD und Grünen würde die Linke im Prinzip unterstützen, aber ein Auge auf die Ausgestaltung haben. Zum Beispiel sollten beim auch von ihnen geforderten höheren Mindestlohn nicht Ausnahmen eingebaut werden. Ein wichtiges Anliegen seiner Fraktion sei auch die Überprüfung der Pandemie-Hilfen. Für kleine Gewerbetreibende sei eine Unterstützung, die erst ab einem Minus von 30 Prozent beim Umsatz greife, zu weit entfernt von ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Lage. Bei einem kleinen Einzelhändler seien schon 20 oder 25 Prozent Einbruch nicht mehr verkraftbar. „Wir versuchen jetzt, die Regierung dazu zu bringen, nachzujustieren“, denn die Betriebskosten blieben für die kleinen Gewerbetreibenden ja gleich.

Weitere wichtige Themen sieht Meiser in der Bekämpfung des Werkvertrags wie bei der Fleischindustrie, der Einhegung von Leiharbeit und Mini-Jobs, des ganzen prekären Sektors. Er verlangt mehr staatliche Regulierung zugunsten des Gemeinwohls, mehr demokratische Entscheidungsprozesse und mehr Mitbestimmung in der Wirtschaft. Durch die Inflation würden Tariferhöhungen oft aufgefressen. Bei einem stark regulierten Markt wie dem Energiesektor müsse der Staat eingreifen. Für die klimaneutrale Wirtschaft und die digitale Transformation müsse die Regierung noch mehr Geld in die Hand nehmen als bisher geplant. Aber da brächen dann die inneren Widersprüche der Ampelkoalition auf, etwa wegen der Besteuerung großer Einkommen und Vermögen oder der Schuldenbremse. Bei all diesen Umwälzungen sei es wichtig, dass „die Beschäftigten nicht unter die Räder kommen.“ Dass junge Menschen nach einer neuen Umfrage in großen Teilen den Kapitalismus kritisch bis ablehnend sehen, zeige, dass viele durch die Realität „zu einer Einstellung kommen, die wir schon lange haben“. Denn, so Meiser, bei Problemen wie der Pandemie oder dem Klimaschutz „kommt die profitgetriebene Wirtschaftsweise eben an ihre Grenzen“.

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bwg sitzungswoche Sprechstunde ist eine Veranstaltung von sitzungswoche – dem unabhängigen Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Medien und der berliner wirtschaftsgespräche e.v., in Kooperation mit Ständige Vertretung Berlin, StäV Konzept- und Lizenzbüro, der Wöllhaf Gruppe, dem OSI-Club, Landau Media und dem Studio Schiffbauerdamm.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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