Wofür ich kämpfe

Protest Unsere Autorin nimmt in Rio de Janeiro an den Demonstrationen teil
Ausgabe 26/2013

Als ich mich vergangenen Donnerstag unter die 300.000 Demonstranten mischte, war ich nicht sicher, ob ich wirklich ein Teil von ihnen werden würde. Am Vortag war die geplante Erhöhung der Bustarife in Rio und São Paulo, gegen die protestiert worden war, ja wieder zurückgenommen worden. Wogegen sollte man jetzt noch sein?

An jenem Morgen nahm ich den Bus und war stolz, 20 Centavos weniger zu zahlen. Das kennen wir hier nicht: Massendemonstrationen und dass soziale Forderungen wirklich Konsequenzen haben. Andererseits war ich genervt von dem beißenden Ton mancher Politiker, die von uns forderten, solche Preissteigerungen hinzunehmen, um uns andere Investitionen leisten zu können.

Zu Beginn des Abends war ich also sicher, für eine weitere Verbesserung des Nahverkehrs in meiner Stadt kämpfen zu wollen. Aber auf den vielen Plakaten stand mehr: „Das Gesundheitssystem braucht Hilfe!“, „Wir wollen Schulen auf FIFA-Standard!“, „Schutz vor Korruption!“ Ich war mit all diesen Forderungen einverstanden; nur mit jenen Leuten nicht, die eine Herabsetzung des Mindestalters für Straffällige forderten oder Parteifahnen schwenkten. Auch hatte ich keine Lust, die Nationalhymne zu singen.

Aber ich gehörte zu jenen, die „Rio ist aufgewacht“ sangen. Einige trugen Masken wie aus dem Film V wie Vendetta oder Schutzmasken gegen Tränengas. Schließlich hatte die Polizei das ja bereits eingesetzt, aber an diesem Abend war weit und breit kein Polizist zu sehen. Nur die sogenannte Militärpolizei hatte sich am Anfang des Protestzuges formiert und war zu einer Konfrontation bereit. Nun wusste ich, wofür ich kämpfen will. Für das einfache Recht, in Sicherheit hier zu sein. Bewacht von einer Polizei, die weiß, wann sie einschreiten muss und wann nicht. Als Demonstranten zu randalieren begannen, hinderte kein Polizist sie daran. Ich entschied mich zu gehen. Auf dem Weg zurück ins Büro hörte ich plötzlich Explosionen, der Protestzug lief weiter. Dann war Tränengas zu riechen, und kurz bevor ich in das Gebäude trat, hörte ich noch mehr Explosionen und die Sirenen von Polizeiautos.

Suzana Velasco, geboren 1978, arbeitet als Kulturredakteurin der Tageszeitung O Globo

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Geschrieben von

Suzana Velasco

Journalistin aus Brasilien

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