Oslo Der Prozess - Anders Behring Breivik 10

Gerichtsverhandlung Tagesbericht

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Freitag, 27.04.2012

Das Gericht kündigte eine Verhandlungspause für die ersten drei Tage kommender Woche an.
Es wird eine kurze Erholung für Richterin, Staatsanwälte und Zeugen geben.
Die Begründung lautet: der Zeitplan wurde bisher sehr gut eingehalten.

Ab kommenden Donnerstag, 3. Mai 2012 werden Überlebende des Massakers auf Utøya aussagen.



Heute sagten 8 weitere Opfer und Zeugen des Bombenanschlags in Oslo aus,
durch die Bombe wurden 8 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt.
.

Kristian Rasmussen sagte als Erster aus.
Sein Büro befand sich nur 30 Meter neben dem Wagen, in dem die Bombe detonierte.

"Ich lag eine Stunde auf dem Boden, bevor ich von der Feuerwehr gefunden wurde. Manchmal kommen kleine Erinnerungsstücke zurück, aber ich weiß nicht, ob das Erinnerungen oder Träume sind."
Er lag zwölf Tage mit schweren Verletzungen im Koma.

Es wurden Fotos von ihm im Krankenhaus gezeigt.

Breivik sieht sie sich mit Interesse an, lässt aber keine innere Regung erkennen.

Der 32jährige Rasmussen konnte nur anhand seines kleinen Fingers identifiziert werden, so entstellt war er durch die Explosion.

Der nächste Zeuge möchte nicht mit Namen genannt werden.
Er war leitender Beamter in einem Ministerium, das von der Bombe erschüttert wurde.

Als die Bombe explodierte, sei er auf dem Platz vor dem Gebäude gewesen.
Er wurde durch die Luft geschleudert.

Die Bombe zerfetzte sein linkes Bein, es musste amputiert werden.
Seinen linken Arm kann er kaum noch bewegen.
Seine Sehfähigkeit ist stark eingeschränkt, weil umherfliegende Glassplitter seine Augen verletzten.

Er wurde vom norwegischen Kronprinzenpaar im Krankenhaus beaucht.

"Das hat mir sehr viel bedeutet.", sagte Herr Rasmussen.

Von den Ereignissen auf der Insel Utøya erfuhr er erst drei Wochen, nachdem er aus dem Koma erwacht war.

"Ich musste so viel weinen. All die Toten, die toten Kinder. Ich weinte und weinte."

Wie schon bei jeder der bisherigen Zeugenaussagen war das große Mitgefühl im Gerichtssaal zu spüren.
Manche weinten, alle waren still und erfasst von dem Schrecken und der Leidensgeschichten der Opfer.

Nach einer Pause folgte die Anhörung des nächsten Zeugen.
Der Mann war Sekretär im Finanzministerium.

Er redete stockend, wirkte noch immer geschockt.

"Ich hatte das Gefühl, dass mein ganzer Schreibtisch explodiert."

Aus Angst vor einer zweiten Bombe stürmte er ins Freie.

"Überall lagen Menschen, vor mir lag eine tote Frau."

Der Zeuge scheint die fürchterlichen Erlebnisse noch nicht verarbeitet zu haben.
Er sagte, er habe sich die ersten 4 Wochen nach dem Anschlag gefühlt, als sei er ständig auf Adrenalin.
"Mir ging es psychisch monatelang sehr schlecht. Mir hat es davor gegraut, als Zeuge auszusagen. Ich wollte das alles nur hinter mir lassen."

Der nächste Zeuge, der Direktor des Gesundheitsministeriums, der aufgrund seines Postens Chef der gesamten Rettungseinheit gewesen sei,

erzählte gerührt von all den freiwilligen Helfern, die direkt nach dem Anschlag den Opfern geholfen hätten. Es gab einen großen Zusammenhalt im Angesicht des Terrors.



Ole Peder Norheim kam in den Zeugenstand. Er arbeitete für das Service-Center der Ministerien. Seine Abteilung war für die Sicherheitssysteme verantwortlich.

Der 22. Juli war sein letzter Arbeitstag vor dem lang ersehnten Urlaub.
Nach dem fürchterlichen Knall war er unverletzt, rief seine Frau an, um sie zu beruhigen.

"Danach war ich auf Autopilot."

Der Sicherheitschef schilderte den Einsatz so detailgetreu wie möglich.
Seine Truppe habe Türen aufgesprengt, um Verletzte zu finden.

Er habe den Krisenstab gebildet, dabei benutzte er viele militärische Ausdrücke.

Er arbeitete acht Tage am Stück.


Das schien Breivik zu imponieren. Er hörte Ole Peder Norheim aufmerksam zu.
Sein Blick war wacher als bei den anderen Zeugen.

Nach dem Einsatz ging es dem Sicherheitschef immer schlechter, er fühlte, dass er die an ihn gestellten Erwartungen nicht mehr erfüllen konnte.
Im März brach er zusammen. Seitdem ist er krank gemeldet. Er hat seine Stelle gekündigt.

Er kämpfte mit den Tränen:
"Ich habe immer wieder daran gedacht, dass Breivik erfahren soll, was er all den Menschen angetan hat."

Breivik verzieht bei diesen emotionalen Schilderungen keine Miene.

Der nächste Zeuge, Lars Erik Holtet, sagt aus.
Er saß zum Zeitpunkt des Anschlags in einem Linienbus und kam mit leichten Verletzungen davon.


Die nächste Zeugin, eine 39-jährige Frau fuhr im Auto mit
ihren beiden Kindern auf dem Rücksitz durch Akersgata, als die Bombe explodierte. Sie wurden nicht verletzt, aber fuhren verließen Oslo, weil sie befürchtete, es könnten noch mehr Bomben explodieren. Sie sagte, die Erfahrung hätte sie und die Kinder später sehr betroffen gemacht.



Espen Naumann, der letzte Zeuge, der heute eine Aussage machte, arbeitete im Regierungsservice und hatte gerade die Arbeitsstelle verlassen, als die Bombe hochging. Zurück zum Hochhaus, fand er den Empfangsbereich, wo er bis vor kurzem gearbeitet hatte, nicht wieder, alles war zerstört. Er half einem Kollegin und hat ihr damit wahrscheinlich das Leben gerettet.



(Quellen: nachrichten.at, EuropeOnline-Magazine.eu und ja, denn doch auch bild.de)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

SuzieQ

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