Oslo Der Prozess - Anders Behring Breivik20/1

Gerichtsverhandlung Tagesbericht

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Mittwoch, 16.05.2012
20. Prozesstag, Teil 1

Die erste Zeugin ist
Ingvild Leren Stensrud (17)
Sie rettete ihr Leben, indem sie sich im Cafeteria-Gebäude totstellte..
Staatsanwältin Inga Bejer Engh Stensrud bittet sie, zu erzählen, was sie am 22. Juli auf Utøya erlebte.
" Ich stand an der Spitze des Hügels an den Hütten, als ich die ersten Schüsse hörte. Aber ich dachte, es sei etwas ganz anderes und stand da und sah den Hügel hinunter. Ich sah die zweite Gruppe zum Cafeteria-Gebäude laufen, und ich rannte mit ihnen, in die kleine Halle, die voll von Menschen war.
Breivik kam auf den Platz und schoss.
Alles ging sehr schnell.

Ich schaute zur Tür hinaus, und wurde Zeuge, wie er einer Person in die Brust schoss.
Erst dann merkte ich, dass geschossen wurde und dass wirklich etwas nicht stimmte. Ich versteckte mich im kleinen Saal.
Ich dachte, die Leute schreien sich gegenseitig Nachrichten zu, weil ich zuerst dachte, es müssten mehrere Täter sein. Im Nachhinein, als ich erfuhr, es war ein Täter, dachte ich, ich hörte Schreie.
Ich stand hinter mehreren Menschen, als das Schießen begann.
Diejenigen, auf die geschossen wurde, fielen hin, darunter ein Mädchen. Die Schießerei war intensiv.
Ich hörte, wie Breivik seine Pistole lud.
Ich bekam eine verirrte Kugel in die Schulter. Ich konnte niemanden sehen, aber als ich fiel, sah ich eine schwarze Gestalt mit einer Pistole.
Ich blieb auf dem Boden liegen, bis die Schießerei vorbei war.
Es gab Schreie von Menschen in dem kleinen Saal und draußen auf dem Platz.
Ich denke, was ich hörte, war der Schlachtruf von Breivik, den er benutzte, um sich selbst zu motivieren."

"Hattest du den Eindruck, es war ein Schlachtruf?" fragt Engh.
-"Ja, ich habe danach daran gedacht. Ich weiß die Worte nicht mehr.
Es lagen mindestens zwei Menschen über mir.
Da, wo ich in den Oberschenkel getroffen wurde, blieb ich liegen.
Nach dem ersten intensiven Schießen hatte ich das Gefühl, dass es sein Ziel war, alle zu treffen, also wurde ich an der Schulter getroffen.

Ich sah, dass eine andere Person am Leben war. Wir redeten miteinander, und wir beschlossen, zu schweigen und auf die Polizei zu warten.

Ich nahm das Telefon eines toten Mädchen und versuchte meine Eltern anzurufen.
Ich rief meine Mutter an, ohne laut zu sprechen. Ich hatte Angst, dass uns jemand hören könnte. Ich sagte "Er schoss auf mich, ich liebe dich",
sie verstand aber nicht recht, was ich sagte.

Wir waren zu dritt, drei Menschen, die noch lebten.
"Was war mit deinen Verletzungen?"fragt Engh.
"Ich wusste nicht, wie schwer
ich verletzt war, aber ich hatte Angst, zu verbluten. Ich sagte einem Jungen, falls ich bewusstlos würde, möchte er bitte der Polizei sagen, dass ich am Leben bin. Ich hatte ständig Angst, zu viel Blut zu verlieren.
Alle, die lebendig waren, lagen zusammen in einer Ecke."
"Hattest du eine Ahnung, ob der Täter zurückkommen würde?"
-"Wir hatten sehr große Angst davor.
Nach einer Weile hörten wir die Polizei. Die Überlebenden im kleinen Saal schrieen nach ihr.
Es dauerte einige Zeit, bis sie uns hörten, da sie erst das Gebiet sichern mussten. Dann sahen wir ein rotes Laserlicht, und nach einer Weile kamen sie in den Raum und sahen sich um.
Ich sah noch nie so schwer bewaffnete Polizisten wie auf Utøya.
Dann trugen sie uns Überlebende aus dem Zimmer. Wir befanden uns im Flur.
Dann wurden wir
hinunter zum Pier in ein Auto der NV gebracht.
Auf dem Kai standen Sanitäter, die mir Schmerzmittel spritzten. All diejenigen, die aus dem Schulhaus kamen, bekamen auf der Straße hinter dem Gebäude Informationen. Ich erinnere mich, dass viele Menschen da waren, die überlebten.


Im Krankenhaus wurde ich untersucht und rief meine Mutter an, die mir sagte, dass meine kleine Schwester auch überlebte.
"Wie ging es dir psychisch im vergangenen Jahr?" fragt Engh.
"Es war ein wenig anders. Ich hatte einige Probleme, bei AUF-Events und anderen Großveranstaltungen zu sein. Es war am Anfang schwierig, aber dann fing ich an, ein wenig zurück in den Alltag zu kommen."

Verteidiger Geir Lippestad fragt, ob sie Breivik etwas sagen oder schreien hörte, während der Schießerei in der kleinen Halle.
"Nein, nichts. Ich hörte nur andere Menschen, die während der Schießerei weinten."
"Du sagst, dass du später draußen Geschrei hörtest, von dem du dachtest, es sei der Täter." "Ich dachte, es war jemand, der überlegte, wo man sich verstecken konnte. Ich dachte, vielleicht sprach er kein Wort Norwegisch, da ich nicht verstand, was gesagt wurde. Später dachte ich, das waren keine Worte, sondern nur Schreie.

Rechtsanwältin Siv Hallgren fragt sie nach den anderen Menschen in der kleinen Halle.
"Ich erinnere mich an wenig. Das einzige, woran ich mich erinnere ist, dass ein Mädchen auf mich fiel."
"Kennst du die Namen von verstorbenen Personen im kleinen Saal?"
"Ich erinnere mich an einige Namen und Gesichter."

Der nächste Zeuge wird nicht mit Namen genannt, er ist 18 Jahre und befand sich am 22. Juli im Kleinen Saal.
"Ich saß im Speisesaal des Gebäudes und tröstete einen Freund, der sich nach dem Bombenanschlag in Oslo Sorgen machte. Eine Menge Leute rannte in den Raum, sie riefen, dass es Schüsse gäbe. Es klang mehr wie ein Knallen. Wir rannten in den kleinen Saal.
Ich verstand es nicht, aber mein Freund warf sich auf den Boden und zog mich mit."

Sieben Menschen wurden hier im kleinen Saal der Mensa getötet, darunter eine Person an der Tür. Insgesamt
starben 15 Menschen im Café-Gebäude.

Ich sah Breivik durch die Tür des kleinen Saals kommen, und er sagte, dass wir in eine Ecke des kleinen Saals gehen sollten. Breivik feuerte in die Menge.
Er war in der Mitte des Raumes und schoss auf uns. Meine unmittelbare Reaktion war, mich hinzuwerfen und totzustellen.

Da bemerkte ich zum ersten Mal, dass ich in Bein und Arm getroffen wurde.
Ich wurde nicht sofort getroffen. Er erschoss einen Jungen neben mir. Es schien, als ob er ein wenig wild in die Menge schoss.
Ich schloss die Augen.

Ich sah, wie mein Freund einen Schuss abbekam, und ich hörte Schreie.
Nachdem er mich angeschossen hatte, hörte ich, dass er sehr ruhig nachlud.

"Was passierte nach dem Anschlag?" fragt Engh.
"Er ging zur großen Halle und setzte dort die Schießerei fort. Ich denke, ich habe noch absolut still gehalten. Ich hörte die Leute schreien, Menschen, Laufen und Schießen.
Von dort hörte ich, dass Breivik weiter in den Saal im Café-Gebäude ging und schoss, bevor er den gleichen Weg wieder zurückkam.

Ich hatte große Schmerzen, während ich dort lag.
Dann stellte ich fest, dass ein anderer am Leben war, wir redeten darüber, ob wir raus laufen, aber wir entschieden, zu bleiben, bis jemand uns finden würde.

"Warst du mit dem Anblick des Täters konfrontiert?" fragt Engh.
"Nein. Ich wagte es nicht aufzuschauen."
"Hat er etwas gesagt?"
"Nein, nicht dass ich mich an etwas erinnern könnte."

Nachdem wir etwa eine halbe Stunde im kleinen Saal gewesen waren, bekam ich das Handy einer weiteren Überlebenden und rief zuhause meine Mutter an.
"Dann kam die Polizei?" fragt Engh.
"Ja. Ich erinnere mich, ich dachte, sie verbrachten eine lange Zeit damit, das Gebäude zu sichern. Uns wurde geholfen, und wir blieben dort, bis wir den Transport zum Pier nehmen konnten.

Wir liefen bis zum Pier und nahmen das Boot an Land. Dort wurden wir von der Polizei betreut, bis ich schließlich ins Krankenhaus gebracht und versorgt wurde.

"Was ist heute mit deinen Verletzungen?" fragt Engh.
"Sie sind immer noch sehr schmerzhaft, vor allem am Fuß. Nervenschädigungen im Fuß sind sehr schmerzhaft."
"Würdest du sagen, du hast die ganze Zeit über Schmerzen?"
"Fast die ganze Zeit. Es gibt gute und schlechte Tage. Ich kann ohne Hilfe gehen, aber nur eine gewisse Zeit, bevor ich eine Pause machen muss und Schmerzmittel benötige.

Ich habe vorher Kampfkunst praktiziert, ich habe es erstmal aufgegeben, aber freue mich, wenn ich wieder anfangen kann. Seit dem 22. Juli konnte ich noch nicht wieder arbeiten.
Die Verletzungen machen es schwierig, ein normales Leben zu führen, bei dem ich auch arbeiten könnte.


Verteidigerin Vibeke Hein Bæra hat Fragen zum Verhalten Breiviks.
"Hast du gehört, was er sagte, als er in das Cafe-Gebäude kam?"
"Nein, nein."
"Es ist möglicherweise schwierig, aber kannst du etwas über seinen Gemütszustand sagen?"
"Wie ich schon gesagt habe, er wirkte aggressiv."
"Sagte er etwas, als er den Saal verließ?"
"Nein."
"Und hörtest du etwas, als er das Gebäude verließ?"
"Es klang wie ein Platzregen."

Breivik nimmt die Hand vom Gesicht und lächelt, als der 18-Jährige sagt, wir hatten offensichtlich Umgang mit einem Täter, der "emotional verstimmt" war.

20. Prozesstag Teil 2

aftenposten.no Tag 20

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Geschrieben von

SuzieQ

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