Oslo der Prozess - Anders Behring Breivik 23

Gerichtsverhandlung Tages bericht

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Mittwoch, 23.05.2012

23. Prozesstag

Die erste Zeugin ist Ylva Helene Schwenke (15) aus Tromsø.

"Ich war 14 Jahre alt, als ich im letzten Jahr zum zweiten Mal zum Sommercamp auf Utøya war. Wir hatten eine Informationsveranstaltung, bei der über die Bombe in Oslo berichtet wurde. Dann hörten wir einen Knall. Zuerst dachte ich, wenn jemand Witze mache, dann wären es schlechte Witze, nach dem, was in Oslo passiert war.

Einige schrien, dass alle zusammenhalten müssen.

Ich glaube, jemand vor mir sagte, dass ein Mädchen erschossen wurde. Ich konnte es selbst nicht sehen, weil so viele vor mir waren. Jemand rief, dass wir laufen sollten, dass es jemanden gibt, der auf uns schießt.

Wir liefen zum Kjærlighetsstien. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Dann bin ich aufgesprungen, ich wusste nicht, was wirklich passierte und konnte nicht glauben, dass jemand auf uns schießt. So fiel ich hin und sah, dass eine Kugel über meine Schulter flog und auf dem Boden vor mir liegen blieb. Daran erinnere ich mich noch sehr gut. Ich kroch über den Pfad und den Hang hinunter zum Ufer."

"Wie weit warst du entfernt, als die Kugel auf dem Boden aufschlug?" fragt Staatsanwalt Holden.

"Vielleicht zwei Meter."

"Hast du eine Ahnung, von wo aus sie abgeschossen wurde?"

"Hier, vielleicht,...", sagt sie und zeigt auf der Karte den Platz vor dem Cafe-Gebäude.

"Ich lief an der Oberseite des Camps fort, als Breivik begann, auf uns zu schießen. Ich glaube, er stand vor dem Café-Gebäude. Viele Jugendliche kauerten am Zaun entlang des Weges. Überall, jeder war verwirrt und sehr erschrocken, verkroch sich und versuchte, Platz am Hang zu finden."

"Was passierte, als du an den Hang unterhalb des Kjærlighetsstien kamst?"

"Ich kletterte den Hang hinunter und sprach ein wenig mit einem Jungen. Dann kam er und schoss auf uns."

"Wann wusstest du, dass du in Schulter und Bauch getroffen wurdest und fielst?"

"Ich lag fast im Wasser und dachte, dass ich dort die Schüsse in die Beine bekam. Ich habe versucht, das Blut an der Schulter zu stoppen. Und beobachtete die Uhr, um an etwas anderes zu denken. Und ich kniff mich in den Arm, um bei Bewusstsein zu bleiben. Ich dachte, ich würde sterben, dass es mit vier Kugeln ganz unmöglich wäre, zu überleben. Ich wartete nur auf das Licht oder das, was passiert, wenn man stirbt, aber es passierte nichts. Also dachte ich, ja, ich werde es überleben."

"Kannst du uns etwas über die anderen Jugendlichen sagen, die in deiner Nähe waren?"

"Als wir schon einige Zeit dort lagen, kam ein Hubschrauber über uns. Ich erkannte, dass sie uns nicht retten konnten, denn es war nur ein Hubschrauber.

Dann kam er zurück und schoss mehrfach, auch dorthin, wo ich war, aber ich kann mich nicht erinnern. Ich glaube, ich hatte mich in mich selbst eingeschlossen.

Es ist ein sehr seltsames Gefühl, angeschossen zu werden, du bist wie in einer Blase, hast ein Klingeln in den Ohren. Ich war ziemlich abwesend.

Ich weiß, dass ich von Menschen in einem roten Boot gerettet wurde, und ich glaube, es waren zwei Polizisten, die mir halfen."

"Gehen wir in der Zeit ein wenig zurück, zu deiner Flucht den Hang hinunter."

"Simon Sæbø (18), der später tot aufgefunden wurde, bat mich, zuerst den Hang hinunter zu klettern.

Nachdem wir an Land waren, wurde ich in einen Krankenwagen getragen. Also ich erinnere mich nicht mehr. Ich wachte im Krankenhaus auf, mit vielen Schläuchen in Nase und Mund, und eine Krankenschwester erzählte mir, dass der Täter gefasst wurde. Ich habe nur Erinnerungen an die erste Woche im Krankenhaus. Ich wurde mehrmals operiert.

Ich bin unsicher, ob ich vier oder fünf Mal getroffen wurde. Die Ärzte können es nicht sicher sagen. Er schoss vielleicht vier, vielleicht fünf Mal. Sie zeigt an der Puppe, wo die Schüsse ihren Körper trafen, in den Bauch, Hals und beide Oberschenkel."

Richter Wenche Arntzen schaut sehr traurig, als die 15-Jährige die Schussverletzungen zeigt.

"Ich war mehr als vier Wochen im Krankenhaus. Die Schulter wird nie wieder vollständig in Ordnung kommen. Auch Bauch und Beine sind immer noch durch die Verletzungen geprägt. Ich war eine der letzten, die identifiziert wurden.

Dann kam ich zurück zu meiner Familie, und dann ging es recht schnell vorwärts, geistig und körperlich. Ich war eine von vieren, die einen zusätzlichen Chirurgen benötigten, denn ich war so schwer verletzt, dass sie dachten, sie würden mich verlieren."

"Wie geht es dir jetzt?"

"Eigentlich ziemlich gut. Ich hatte noch nie so eine gute Figur wie jetzt, da ich fürs Fitness-Studio freigestellt bin."

Es folgt Lachen im Saal.

Verteidiger Geir Lippestad fragt, ob sie etwas von Breivik hörte, als sie im Wasser lag?

"Ich kann mich nicht erinnern, ob er etwas von sich gab."

Rechtsanwalt John Christian Elden fragt, warum sie die Narben im Halsbereich nicht mit einem Schal oder Tuch verdeckt?

"Ich habe kein Problem damit, meine Narben zeigen.

Ich sehe es in gewisser Art und Weise als einen Sieg.

Wir haben einen Preis bezahlt für die Demokratie, und wir haben gewonnen.

Ich bin zwar nicht stolz auf sie, aber ich trage sie mit Würde."

Breivik lächelt, als Ylva Helene Schwenke sagt, dass die Demokratie gewonnen hat.

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Die nächste Zeugin ist ein 17 Jahre altes Mädchen, das zweimal in den Arm geschossen wurde, als sie im Hang unterhalb des Kjærlighetsstien war.

Engh bittet sie, zu erzählen, was sie am 22. Juli erlebte.

"Wir saßen im Camp und sprachen über die Bombe in Oslo. Die Stimmung war schlecht, und viele waren sehr aufgeregt. Bei einer Informationsveranstaltung im Café später am Nachmittag wurden die Jugendlichen von Monica Bosei, auch bekannt als "Mutter Utøya", beruhigt.

Sie sagte, Utøya ist der sicherste Ort.

Ich ging wieder zum Zelt. Es hieß, dass schwer bewaffnete Polizisten auf die Insel kämen, um den Bereich zu prüfen. Dann hörten wir den Knall. Es klang, als würde jemand etwas einschalten. Ich war nah am Café-Gebäude. Einige sahen nach, woher das Geräusch kam. Dann stoppten sie und rannten auf uns zu. 'Lauft!' riefen sie, und sie weinten.

Ich war in der Mitte des Camps, als ich zwei Menschen, die in der Nähe waren, fallen sah. Sie leiteten die Cafeteria und die Outdoor-Bühne auf der Insel. Ich sah sie fallen und wir liefen weiter zum Sanitärhaus.

Schließlich gelangte ich an den Hang unterhalb des Kjærlighetsstien, wo ich einen Felsvorsprung sah. Es waren viele Leute dort, sehr viele für diesen kleinen Felsen. Viele weinten und waren hysterisch. Menschen fielen hinunter. Dann weiß ich von einem sehr plötzlichen Druck im ganzen Körper.

Ich weiß, dass ich kein Gefühl mehr in einem Arm hatte, verstand aber nicht, was passiert war. Ich sah, dass ich da, wo ich lag, sehr allein war und begann, mich zum Wasser zu rollen. Da lag ich mit meinem Kopf zwischen zwei Steinen.

Mehrere Menschen wurden erschossen. Ich sah mehrere Jugendliche an mir vorbei zum Wasser klettern. Dort lag ich für eine Weile und hob den Kopf, um mich zu orientieren. Ich sah die Beine einer liegenden Person in meiner Nähe, und sah ein Mädchen im Wasser liegend, mit dem Gesicht nach unten und mehrere von Schüssen verletzte Jugendliche, die noch lebten. Es fuhren mehrere Boote an uns vorbei, aber ich wagte nicht, mich bemerkbar zu machen.

Aber am Ende war mir sehr kalt, und ich dachte, wahrscheinlich sterbe ich sowieso. Dann winkte ich einem Boot. Die Leute im Boot fragten, ob es weitere Überlebende gibt. Da meldeten sich eine Menge Leute hinter mir. Ich hatte gedacht, ich sei dort fast allein mit den toten Menschen.

Nach dem Transport zur Küste wurden die Schussverletzungen am Arm behandelt. Nach zwei Wochen im Krankenhaus wurde sie entlassen.

"Wie geht es deinem Arm heute?" fragt Staatsanwältin Engh.

"Es wird immer besser und besser mit ihm. Es tut weh, aber ich kann ihn benutzen. Die Ärzte sagen, der Schmerz wird wahrscheinlich noch eine ganze Weile andauern. Ich bin zur Schule gegangen wie geplant.

Aber was am 22 Juli passierte, beeinflusst mich. Am Anfang war es schwierig, weil ich nicht richtig schreiben konnte.

Mental ging es rauf und runter. Ich glaubte, ich hätte einen gewissen Abstand gewonnen, aber jetzt, so lange der Prozess nicht abgeschlossen ist, taucht alles wieder auf."

Rechtsanwalt Kjetil Hugo Nilsen fragt:"Was ging dir durch den Kopf in den beiden Stunden, die du am Rand des Wassers unter dem Hang lagst?"

"Ich war sehr erschrocken und war aufmerksam, denn ich erwartete, dass der Täter zurückkommen würde. Ich bereitete mich darauf vor, in den Kopf geschossen zu werden und sah vor mir, wie es sein würde. Ich war ganz sicher, nie wieder von Utøya weg zu kommen."

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Der nächste Zeuge ist Tarjei Jensen Bech (20) aus Hammerfest, der auf Utøya angeschossen wurde, als er sich auf den Klippen unterhalb Kjærlighetsstien befand. Er ist noch deutlich von den Schäden gezeichnet, die er durch ABB erlitt. Zwei Jugendliche haben ihn mutig aus dem Wasser gerettet. Ohne sie wäre er heute nicht hier. Im Vorfeld sagte er, dass es hart wird, gegen Breivik auszusagen. Es wird gut sein, wenn es getan ist. Er versuchte, den Prozess möglichst nicht zu verfolgen. Es gelte viel mehr, sinnvolle Politik zu machen. Das Glück war auf seiner Seite.

"Ich war zum sechsten Mal auf Utøya und in der Nähe des Hauptgebäudes, als ich Schreie hörte und nachsah, was los sei. Ich sah einen Menschen, der erschossen wurde und fiel.

Er schoss noch weiter und schoss die Person, die gefallen war, in den Kopf, etwa 10 Meter entfernt.

Ich war sehr verängstigt. Ich hörte, wie Menschen 'Lauf!' riefen und rannte den Hügel hinauf in Richtung des Café-Gebäudes. Ich drehte mich um und sah den Hügel hinunter, und sah den Mann in Polizeiuniform, der langsam und ruhig ging.

Ich lief durch das Camp und schrie den anderen zu, sie sollten laufen. Ich rannte bis zur Mitte des Camps. Plötzlich war ich wie erstarrt, konnte nichts sagen, ich war sehr erschrocken. Dann fragte mich jemand, was mit mir los sei, ich konnte nicht reden.

Die ganze Zeit über hörten wir die Salven. Plötzlich sahen wir den Mann in Polizeiuniform auf dem Platz vor dem Hauptgebäude. Er ging zu einem Menschen vor dem Mensagebäude, nahm eine Pistole hoch und erschoss diesen Menschen.

Panik brach aus, als wir vielleicht 50 Meter entfernt standen. Wir liefen in den Wald, ich hörte kontinuierlich Schüsse. Ich war nicht sicher, wohin ich laufen sollte, aber ich traf ein Mädchen, das ich kannte auf dem Kjærlighetsstien.

Wir sagten, wir müssten uns festhalten. Doch plötzlich waren wir getrennt. Ich beschloss, zu versuchen, an den Rand des Wassers zu gelangen. Ich traf ein anderes Mädchen, das mich fragte ihn:'Ist es real?' Ich kniff mich in den Arm, und sagte, ja, das ist keine Übung. Sie versuchte, die Polizei anzurufen, kam aber nicht durch.

Wir hörten weiterhin Schüsse, und sie kamen näher und näher, bis schließlich die Kugeln über unsere Köpfe hinweg flogen.

Auf einmal hören wir seine Schritte. Wir hörten auch seinen Atem, er schien sehr aufgeregt zu sein."

"Kannst du Details beschreiben?" fragt Holden.

"Es war ein Keuchen. Ich musste an Voldemort in Harry Potter denken. Er klang böse, dieser Atem. Schließlich wurde es etwas ruhiger. Zu meiner Linken sah ich einen Mann mit einer Jacke, auf deren Rücken "Polizei" stand.

Da beschlossen wir für uns, zu laufen, denn wenn er sich umdrehen würde, wären wir entdeckt worden. Plötzlich hörte ich einen Schrei, sah einen Busch, und dann war alles schwarz. Das nächste, an das ich mich erinnere, ist, dass ich im Wasser aufwachte. Ich weiß nicht, wie lange ich im Wasser war. Ich dachte, ich sei nicht verletzt, ich hätte höchstens eine Gehirnerschütterung.

Plötzlich kamen drei Personen auf mich zu, sprachen mit mir und versuchten, mich warm zu halten."

"Wir wissen, du hattest eine Verletzung am Bein, unter anderem. Hast du es bemerkt?"

"Nein, habe ich nicht. Ich wagte nicht, zu meinem Bein hinzuschauen, weil mir gesagt wurde, nicht hinzusehen. Es sah sicher nicht so gut aus. Nach einer Weile kam eine vierte Person. Sie zogen mich weiter aus dem Wasser und gaben mir ein trockenes T-Shirt.

Sie fuhren fort, mit mir zu sprechen. Sie fragten nach meinem Name und wie meine Katze genannt wird. Sie heißt "Klumpen."

Im Saal gibt es leises Lachen.

"Schließlich wurde ich mit einem Boot gerettet."

"Gehen wir ein wenig zurück zu dem Punkt, an dem alles schwarz wurde."

"Ich erinnere mich nicht, sondern denke, dass mich etwas im Fallen getroffen hat, bevor ich ans Ufer kam."

"Weißt du, wie weit du gefallen bist?"

"Diejenigen, die bei mir waren, sagten, dass ich seit zehn Fuß (ca. 3 Meter) tief fiel."

"Mehrere Menschen wurden tot auf dem Weg und in den Klippen gefunden. Hast du irgendetwas von ihnen beobachtet?"

"Nein.

Auf der Bootsfahrt weg von Utøya, fragte einer der anderen an Bord, welche Art von Musik ich mag. Ich sagte, Queen, und sie fingen an, "Bohemian Rhapsody" zu singen. Aber wir ließen es dann, weil es in unserer Situation ein bisschen komisch war, dieses Lied zu singen.

Stattdessen begannen wir "We Are the World" zu singen. Schließlich spürte ich Schmerzen in meinem Bein. Jedes Mal, wenn die Wellen kamen, wusste ich, dass es weh tun würde.

Als wir an Land kamen, wurden wir gebeten, weiter nach Storøya zu fahren. Ich merkte, dass ich müde war und im Begriff einzuschlafen. Wir kamen näher und sahen in Storøya Blaulicht und Krankenwagen. Als wir ankamen, wurde ich auf eine Trage gelegt. Als ich in den Krankenwagen kam, sagte der Sanitäter "jetzt bist du sicher".

Ich hatte auch Verletzungen im Gesicht, die wohl von dem Sturz herrührten. Ich musste durch sieben Operationen und war lange im Krankenhaus. Die ersten Tage bekam ich starke Medikamente, so dass ich mich nicht klar erinnern kann. Ich schlief viel und war sehr müde. Ich bekam eine Blutvergiftung, und das war ziemlich ernst. Nach neun Wochen wurde ich entlassen.

Es war sehr schön, nach Hause zu kommen. Ich schloss mich dem Rat und dem County Council in Hammerfest an, und es war schön zu sehen, mich wieder in der Politik engagieren zu können."

"Wie war die Zeit bis zum heutigen Tag für dich?"

"Es gab Höhen und Tiefen, aber es geht voran, wird immer besser von Tag zu Tag. Es gibt eine Menge harte, aber notwendige Arbeit. Ich reagierte zunächst auf laute Geräusche, aber es wird immer besser. Ich hatte zwei weitere Operationen. Dann sage ich meistens, dass ich mehr hatte als Michael Jackson", sagt 20-Jährige und lacht darüber ein wenig, gemeinsam mit anderen im Gerichtssaal.

Verteidiger Geir Lippestad fragt, was er von Breivik auf Utøya beobachtet hätte. "Du sagst, dass er langsam, ruhig und kontrolliert auf dem Hügel war. Woraus schließt du das?"

"Es war so, dass er sehr langsam und fest ging. Als ob er eine Aufgabe zu erledigen hatte."

"Weißt du Details zu dem Menschen, der am Haupthaus erschossen wurde?"

"Es sah so aus, als stünde er dort und er schien zu sprechen, denn es dauerte einige Zeit, bevor der Schuss kam."

"Erinnerst du dich, ob Breivik schrie oder etwas sagte, als er am Hang unterhalb des Kjærlighetsstien war?"

"Nein, ich kann mich nicht erinnern."

Mette Yvonne Larsen fragt, wie es mit seiner Ausbildung aussehe?

"Ich musste mein Studium der Wirtschaftswissenschaften wegen der Reha verschieben und denke, ich kann im Herbst beginnen."

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Die nächste Zeugin ist ein 18 Jahre altes Mädchen. Sie war an der Südspitze von Utøya, als sie durch Breivik angeschossen wurde.

"Ich wurde Mitglied der AUF kurz vor dem 22. Juli. Wir waren in der großen Halle und hatten von der Bombe im Regierungsgebäude erfahren. Wir hörten etwas, das wie Chinakracher klang und dachten, das sei ein schlechter Scherz. Einige schrien, dass geschossen würde, und die Leute gerieten in Panik und begannen zu laufen. Als wir aus der großen Halle liefen, kamen die Schüsse näher.

Ich rief Mama an und sagte, dass auf Utøya geschossen wird und dass ich sie liebe, egal was passiert.

Wir rannten alle gleichzeitig. Es war ein steiler Hügel, die Menschen rutschten und blieben zusammen, bis wir über den Weg zur Klippe kamen. Sie liefen dann in alle Richtungen, und wir waren eine kleine Gruppe von vielleicht acht. Wir fanden einen Platz zum Verstecken und saßen da. Wir waren unter einigen Felsen unterhalb des Kjærlighetsstien versteckt. Wir saßen und warteten, immer noch etwa acht Stück.

Plötzlich sah ich, dass die Leute anfingen, zu schwimmen. Dann dauerte es eine kleine Weile, bevor wir ein paar Schreie und Pang-Pang-Pang hörten, und wir merkten, dass er (die Zeugin zeigt auf Breivik, der lächelt) es war.

Wir fanden das Versteck nicht mehr sicher genug und liefen den Weg entlang bis zur Südspitze. Wir dachten, hier bleiben wir eine Weile. Einige begannen, sich zu entkleiden und schwammen, während andere Menschen kamen, die uns gesehen hatten. Sie sagten, sie hätten jemanden gesehen, von dem sie dachten, er sei tot. Ich zog meine Jacke aus, weil ich dachte, dass ich bereit sein müsse, zu schwimmen. Wir sahen einen Helikopter und dachten: "Ja, wir werden Glück haben."

Kurze Zeit später war er wieder da (die Zeugin nickt in Richtung Breivik).

Er kam näher und ich sagte: "puh" und schaute auf meine Oberschenkel, es blutete und ich begann, ins Wasser zu laufen. Ich schwamm ein kleines Stück heraus und sah, dass Breivik mehrere andere traf. Vom Wasser aus sah ich Breivik mit einem kleinen Jungen am Ufer der Südspitze sprechen. Er nahm das Gewehr und ging.

Nachdem er gegangen war, schwamm ich wieder an Land. Dort warteten wir, und dann kam die Polizei, und ich bekam Hilfe."

"Hast du mit einigen von denen, die später starben, gesprochen?"fragt Holden.

"Nein. Nachdem ich getroffen wurde, kam ein Boot, das mich aufnahm. Schließlich wurde ich ins Krankenhaus gebracht. Ich erinnere mich, dass ich mitten in der Nacht aufwachte und meine Eltern mich besuchten. Das war so gegen vier Uhr in der Nacht."

"Welche Art von Verletzungen hast du?"

"Ich habe ein Loch in meinem Oberschenkel. Es ist nicht hübsch anzusehen. Die Ärzte glauben, dass es wieder werden wird wie gewohnt, aber eine wirkliche Antwort auf diese Frage bekomme ich erst nach zwei Jahren."

Breivik schaut nach unten und lächelt.

"Ich war das letzte Jahr in der High School und dachte viel darüber nach, was ich hätte anders machen können auf Utøya. Ich dachte auch, er tat es, weil er eine Person mit einem offensichtlichen Mangel an sozialen Fähigkeiten ist."

Breivik lächelt, als die Zeugin ihn als einen Mann bezeichnet, dem "die soziale Kompetenz fehlt".

Alle vier forensisch-psychiatrischen Sachverständigen wenden sich sofort zu Breivik, als der Kommentar fällt, um seine Reaktion zu studieren.

Verteidiger Lippestad fragt sie nach dem Gespräch Breiviks mit dem kleinen Jungen. "Kannst du mehr über deine Beobachtungen sagen?"

"Dort, wo ich war, im Wasser und in der Kälte, sah es so aus, als ob sie relativ nah beieinander waren. Ich sah, dass sie miteinander sprachen. Aber nachdem er geschossen hatte, hatte ich ein Klingeln in den Ohren, so dass ich nicht hörte, was sie sprachen.

"Hast du eine Ahnung, wie lange das Gespräch dauerte?"

"Nein, ich erinnere mich nicht."

"Bist du noch in der AUF aktiv?"

"Ich bin wahrscheinlich aktiver als zuvor, ich bin in der Ortsgruppe im Vorstand. Der Angeklagte hat mir geholfen, aktiver zu werden. Danke.", sagt sie und dreht sich zu Breivik um.

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Die nächste Zeugin ist Andrine Johansen (17).

Engh fragt sie nach den Geschehnissen auf Utøya.

"Uns wurde gesagt, es gab eine Explosion in Oslo, und wir überprüften mit dem Handy, ob es wahr ist. Wir sahen die Bilder vom Regierungsviertel und realisierten, es war ernst. Ich fühlte mich überhaupt nicht sicher.

Über die Sprechanlage wurden wir gebeten, zu einer Informationsveranstaltung über die Bombe in Oslo zu kommen. Ich setzte mich an ein Fenster im Speisesaal des Café-Gebäudes. Dann hörte ich etwas, das wie Chinakracher klang . Die Leute erzählten uns, wir sollten uns auf den Boden werfen. Ich verstand nichts. Wir hörten Schreien und Heulen, und einige sagten, es gibt jemanden, der schießt.

Die Leute liefen hinaus, und schließlich war ich allein, also ging ich auch raus, und dort sah ich drei Leichen.

Ich ging mit jemand anderem zum Pumpenhaus. Wir dachten, das sei ein perfektes Versteck. Wir erzählten uns, alles würde gut gehen.

Dann wurde uns gesagt, dass es ein Mann in Polizeiuniform sei, der rund um die Utøya ging und schießt."

"Hast du eine Vorstellung davon, wann du zum Pumpenhaus kamst?"

"Ich habe keine Ahnung vom Zeitrahmen.

Es waren so viele Menschen und Lärm am Pumpenhaus, dass ich mich nicht sicher fühlte und dann mit einer kleinen Gruppe am Ufer weiterging. Als wir Schreie hörten, erkannten wir, dass der Mörder näher kam. Dann kam das Gerücht auf, dass "vielleicht die Polizei auf der Insel ist, vielleicht sind wir jetzt in Sicherheit."

Dann kam der Angeklagte und stand auf dem Hügel über dem Pumpenhaus und fragte:"Habt ihr ihn gesehen?"

Er bekam keine Antwort.

Dann sagte er, "ich bin ein Polizist, die Rettung ist hier, wir müssten nur mit ihm kommen." Einige begannen, aus ihrem Versteck zu gehen, aber es gab die Frage "Kannst du es beweisen?"

Als wir feststellten, dass ihn das frustrierte, feuerte er den ersten Schuss ab und traf vier Zentimeter neben meinem Kopf einen Stein.

Ich warf mich ins Wasser. Vom Wasser aus sah ich, wie mehrere andere erschossen wurden. Ich wurde in die Brust getroffen, und es war schwierig zu atmen.

Ich sah, dass er die Menschen hinter dem Pumpenhaus hinrichtete.

Ich kann mich nicht erinnern, wann ich getroffen wurde, aber ich dachte daran, nachdem Breivik auf den Hügel oberhalb des Pumpenhauses ging, im Wasser zu bleiben.

Als er auf mich schoss, hat der Junge, der vor mir heraus sprang, sein Leben für mich geopfert."

Es starben 14 Menschen, 3 wurden schwer verletzt.

"Ich sah, dass er lächelte. Er schoss weiter, bevor er sich bewegte. Ich hatte ein Ohr unter dem Wasser und hörte, dass die Kugeln durchs Wasser gingen. Ich hörte die Freudenschreie."

"Was hörtest du?" fragt Engh.

"Ich hörte so etwas wie "Woho."

Und er ging und es war unglaublich ruhig.

Ich lag im Wasser und stellte mich tot, als sich weitere Boote näherten. Ich kroch in Richtung Ufer und traf einen Jungen. Er fragte, ob die anderen tot sind, dann umarmte ich ihn und sagte, dass alles gut gehen wird."

Andrine Johansens Ausführungen sind sehr detailliert und aussagekräftig, so dass einige Angehörige beginnen zu weinen.

"Schließlich kam ein Boot, das unterhalb des Pumpenhauses aufnahm. Ich kroch zu dem Boot, doch zuerst zu einem Freund. Ich war überzeugt davon, dass er am Leben war. Ich sagte, du kannst aufhören, dich tot zu stellen, bekam aber keine Antwort. Dann sah ich mich um und bekam einen Überblick über das Geschehene.

Ich stieg ins Boot, aber fühlte mich immer noch nicht sicher. An Land wurde ich zu einem Krankenwagen gebracht, und dann wurde alles schwarz um mich."

Engh fragt nach einigen der Jugendlichen, die am Pumpenhaus getötet wurden.

"Er erschoss einige hinter dem Pumpenhaus, dann verlor ich ihn aus den Augen, bevor er zurück kam und wieder schoss."

"Erinnerst du dich, wie lange er am Pumpenhaus blieb? Kannst du ein wenig darüber reden, wie er aussah, als er dorthin kam?

"Er hatte eine typische Art und war glaubwürdig. Er sah aus wie ein Polizist. Aber ich dachte, mehr Leute hätten gerettet werden können, wenn wir gewusst hätten, dass es ein Polizist war, der herum ging und schoss.

Sein Tonfall war sehr dunkel, er klang sehr wie ein Polizist. Er war ruhig, es schien so, als hätte die Situation ihn sehr betroffen gemacht."

"Du hast gesagt, er gluckste, was hast du gehört?"

"Es war eine Art Freudenausbruch. Ich weiß nicht, ob er lachte oder "Woho" rief , aber er war glücklich."

"Du hast in Interviews gesagt, dass er anscheinend nicht normal sei."

"In der Regel ist es nicht normal zu lachen, wenn man Kinder erschießt."

Sie spricht über die Verletzungen, die sie erhalten hat. "Der Schuss punktierte die Lunge, und ich hatte auch Kugel-Fragmente im Gesicht.

Das Projektil ist immer noch in meinem Körper, in der Nähe des Rückenmarks. Es ist zu riskant, es zu entfernen.

Es ist alles in Ordnung. Ich bekomme gelegentlich spontane Schmerzen in der Brust, und habe ein verringertes Lungenvolumen.

Und ich habe Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren."

Auf Anfrage der Anwältin Cathrine Gröndahl antwortet Johansen:

"Ich sah ihm direkt in die Augen.

Und er schoss drei Mal auf mich.

Er lächelte.

Dann habe ich reagiert."

aftenposten.no Tag 23

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Geschrieben von

SuzieQ

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