Oslo Der Prozess - Anders Behring Breivik 8

Gerichtsverhandlung Tagesbericht

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Mittwoch, 25.04.2012

Die Gerichtsmediziner gaben detailliert Auskunft über die Verletzungen jedes einzelnen Todesopfers durch den Bombenanschlag in Oslo.
Es sind kaum zu ertragende Schilderungen.
Ein Opfer war zerrissen worden.

Im Gerichtssaal wurden keine Fotos gezeigt, sie lagen aber dem Gericht und den Anwälten vor.

Breivik hörte kühl und ungerührt zu.

Es folgte der Moment, in dem Breivik zum ersten Mal einem seiner Opfer direkt gegenüber stand.

Denn nun kam die Aussage des Überlebenden Eivind Dahl Thoresen.

Er erlitt so schwere Verletzungen, dass er sicher war, zu sterben.
Er hatte Brandwunden und war von Schrapnellen durchbohrt worden, die bisher letzte Operation war erst wenige Tage vor Ostern, er benötigt weiterhin Gehstöcke und leidet unter Panikattacken und erschreckt bei lauten Geräuschen.

Diese Aussage macht im Gerichtssaal großen Eindruck


Breivik hörte interessiert, aber ohne erkennbare Gefühle zu.

Die Erklärung eines weiteren Überlebenden wurde verlesen. Vidar Vestil musste 13 Mal operiert werden, er konnte aufgrund der Schwere seiner Verletzungen nicht anwesend sein. Staatsanwalt Holden ging jede einzelne Verletzung durch. U.a. musste Vidar Vestil ein Bein amputiert werden, und er fordert, dass Breivik für seine Taten bestraft wird.

Vidar Vestil geht es immer noch sehr schlecht, seine psychische Gesundheit 'hat den Tiefpunkt erreicht.'

Die Verlesung des Berichts einer weiteren Überlebenden folgte, auch sie ist bis zum heutigen Tag traumatisiert, leidet unter ständigen Schmerzen.

Breivik schaute ins Leere.

Holden befragte Breivik zu seiner Reaktion auf die mündliche Verhandlung, zu den grausamen Details der Verletzungen und der verheerenden Wirkung der Bombe auf die Überlebenden.

Breivik antwortet: "
Es wäre unmöglich, nicht von all diesen Beschreibungen, die für andere härter seien als für ihn, betroffen zu sein, ich finde es hart - es ist schrecklich und Gewalt ist die letzte Lösung - es ändert nichts an den Gründen für die Aktion.
Aber leider ist dies nur der Beginn der Gewalttaten in Europa.
Wir hoffen, dass die Labour-Partei den Fehler, dass nämlich für unser Land die Einwanderer ein Ertrinken bedeuten, einsieht und sagt: sorry.
Doch sie behält weiter ihre Richtung bei.
"



Nach einer einstündigen Pause wurde Breivik zu seinen Motiven befragt.

Er sprach voller Selbstüberzeugung, sprach 'wirr'.
Viele Norweger hätten keine Lust, jeden Tag Sushi zu essen.

Staatsanwalt Holden fragte, wie Breivik von Hass auf den Islam nun auf Sushi käme.

Breivik antwortete nicht und erzählte stattdessen, gerade die Japaner würden ja gegen Einwanderung kämpfen, er habe viele Quellen dafür.
Auf Anfrage nannte er nur das Internet.



Dann wandte sich Breivik dem ersten psychiatrischen Gutachten zu.

Er habe mit den Gutachtern gute Gespräche geführt, sie hätten sein Vertrauen erlangt, ihre Besuche seien während seiner Isolation eine Möglichkeit für ihn gewesen, 'sozial' zu sein. Er möge deren Humor.

Der Bericht enthielte aber 200 Fehler, vieles sei frei erfunden.
Die Gespräche seien nicht aufgezeichnet worden, es ließe sich nicht beweisen, was er gesagt oder nicht gesagt habe.
Breivik ging mit dem Staatsanwalt Satz für Satz durch und bemängelte einzelne Wörter, die er nicht gesagt haben will.

Als er über sich selbst las, habe er eine Person erkannt, die in ein Irrenhaus, ein 'Mad House', gehört. "Das bin nicht ich."
Das Gutachten sei eine Bestellarbeit (Konfektionierung) der sozialdemokratischen Regierung.
Er habe Angst, dass er in der Psychiatrie mit Medikamenten vollgepumpt werde.

Er sagte, dass die Möglichkeit bestehe, er würde für verrückt erklärt werden, 'schlimmer als der Tod' für ihn sei. Es gäbe nichts schlimmeres für einen 'politischen Aktivisten' als in der Psychiatrie zu enden, auch wenn das Leben dort komfortabler sein möge als im Gefängnis.

Er ist verzweifelt bemüht, das Gericht davon zu überzeugen, dass er bei vollem Verstand sei.


Fragen zu seinem psychischen Zustand am Tattag machten Breivik sichtlich nervös. Er ordnete hektisch seine Papiere, schob alles umher.

Ob es ein Risiko für Selbstmord gebe?

"Das hat es nie gegeben und wird es nie geben."

Er findet nichts dabei, als Narziss bezeichnet zu werden.
"Das sind doch die meisten, fast alle lieben sich selbst."

Zum Thema Liebe äußert sich Breivik auch:
"Alle wünschen sich instinktiv, geliebt zu werden. Damit ist man geboren, deshalb wird man vielleicht zu einem guten Menschen. Deswegen ist es ja auch so schwierig, den Weg zu wählen, den ich gewählt habe. Es ist irrational."

Er habe seine Taten nicht begangen, um sich selbst interessant zu machen.
"Natürlich gibt das viel PR, aber das meiste ist ja negativ. Das wünscht man sich ja eigentlich nicht. Das ist schon eine Belastung."

Er habe seine Gefühle im Griff, während die Gutachter ihn als emotional abgestumpft einstuften.

Breivik redete zunehmend verwirrter.
Er hätte mit den Gutachtern über Handys gesprochen, aber nicht gesagt, dass er deren Strahlen fürchte. Ebenfallls leide er nicht unter einer Bakterienphobie, sondern hätte eine Gesichtsmaske mit 'Partikelfilter' benutzt, um draußen mit Waffen trainieren zu können, ohne zu riskieren, krank zu werden.
Es habe sich nicht, wie im Gutachten, um einen Mundschutz gehandelt.

Als nächsten Punkt besprach Holden die Allmachtsphantasien Breiviks.

Breivik behauptete, er habe nie gesagt, dass er entscheiden könne, wer leben und wer sterben darf. Er habe einen 'legitimen Kampf' erklärt.
Holden hielt ihm vor, mit dem Bombenanschlag und dem Massaker auf Utoya habe er sich doch genau so verhalten, als wolle er ein 'Herrscher' über Leben und Tod sein.
Das bestritt Breivik mit aller Vehemenz.

Die 'Tempelritter' wurden thematisiert. Breivik besteht darauf, dass es diese Organisation gibt und sie ein Netzwerk aus 6 Personen sei, dem er angehöre.

Seine Anwältin fragte ihn, ob er im Besitz einer 'Todesliste' sei.
Breivik: "Es gab eine vor dem 22.07.2011, danach nicht mehr. Ich bin von Hunderten von Polizisten und Wachleuten umgeben und habe nie einen bedroht."

Die Opferanwältin Mette Yvonne Larsen fragt, ob sich Breivik am Tag des Massakers als zurechnungsfähig einschätzt.

Breivik antwortete, er hatte Angst vor dem Tag, schlief schlecht in der Nacht davor und sei deshalb müde gewesen. Er hätte Brote mitgenommen, sie aber nicht gegessen.

(Quellen: The Telegraph, Guardian, Trygve Sorvaag via twitter)

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Geschrieben von

SuzieQ

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