Wo Geld ist

Nutzt eine Ausstellungsvergütung den Künstlern? Dass Vincent van Gogh zu Lebzeiten nur ein einziges Bild verkaufte, ist eine eindringliche Anekdote. Das liebe Geld war dem Genie nicht wohl ...

Dass Vincent van Gogh zu Lebzeiten nur ein einziges Bild verkaufte, ist eine eindringliche Anekdote. Das liebe Geld war dem Genie nicht wohl gesonnen. Und dass Carl Spitzweg den "armen Poeten" malte, ist ein unterhaltsames, jedoch nicht geringer beschwörendes Zeugnis dafür, dass nach den bürgerlichen Regeln des 19. Jahrhunderts finanzieller Wohlstand und Künstlerberuf einander ausschlossen. Ausnahmen dazu - also solche Künstler, die sowohl die ruhmreichen Lorbeeren als auch die prallen Portemonnaies davontrugen - gab es freilich schon damals. Auch heute sind einige, die in ästhetischer Mission die Menschheit beschenken, ganz dick im Geschäft, weil ihre Arbeiten eben nicht verschenkt, sondern für teures Geld gehandelt werden. Doch geht man mal vom gängigen Durchschnitt aus, so sind Künstlerinnen und Künstler auch im jungen 21. Jahrhundert arme Schlucker. In Deutschland liegt ihr Jahreseinkommen derzeit bei 11.100 Euro.

Über diese Querschnittsumme, statistisch ermittelt über die in der Künstlersozialkasse versicherten Maler und Bildhauer, Grafiker und Zeichner, Happening- und Installationsartisten debattierten in den vergangenen Wochen die Mitglieder der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" des Bundestages. Wir erinnern uns: Die Damen und Herren der Kulturpolitik auf Bundesebene bemühen sich um eine Bestandsaufnahme. Da gibt es Arbeitskreise und Sitzungen zu unterschiedlichsten Themen: Wie ein föderales Land die Kultur in seiner Hauptstadt finanzieren kann, darf und soll? Oder: Wie es die Kultureinrichtungen seiner "Neuen Bundesländer" für die Zukunft sichern kann, darf und soll? Oder aber: Wie man der Besorgnis erregenden sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler begegnen kann?

Parlamentarische Willensbildung hat bei aller Schwerfälligkeit auch ihre positiven und agilen Seiten, weil plötzlich uralte Forderungen vom Ablagekorb wieder auf den Debattentisch flattern. So zum Beispiel das Modell der so genannten Ausstellungsvergütung. Der Deutsche Künstlerbund wünscht sie sich schon lange, der Berufsverband Bildender Künstler (BBK) hätte sie jetzt dann ganz gerne, die Gruppe Kunst der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert sie seit eh und je und summa summarum Eckhardt Barthel, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, diskutiert sie jetzt aktuell.

Ziel ist folgendes: Wie es bei Komponisten zum Beispiel selbstverständlich ist, dass sie für ein aufgeführtes Stück einen bestimmten Betrag erhalten, der von der GEMA-Verwertungsgesellschaft eingezogen wird, sollen auch Bildende Künstler eine Vergütung erhalten, wenn ihre Werke gezeigt werden. Schließlich verdienen bei Ausstellungen so mancherlei Instanzen mit: Lieferanten, die den Transport organisieren; Verlage, die den Katalog drucken oder Security-Dienste, die die Ausstellung bewachen. Irgendwie müsste sich doch von diesem Mehrwert auf indirektem Wege etwas für die Urheber, für die Künstler selbst, abzwacken lassen. Nicht zu verwechseln ist die Ausstellungsvergütung deshalb mit dem direkten Weg, den Honoraren. Aussteller können, dürfen, sollen - müssen aber nicht! - mit den Künstlern Honorare vereinbaren. Das allerdings, erzählen die Künstlerverbände einstimmig, habe bei allen, bei Kneipen, Firmenlobbys und Rechtsanwaltskanzleien schwer nachgelassen.

Getreu sozialdemokratischen Traditionen der Umverteilung dachte Barthel auch gleich an seinen Zahnarzt, einen sehr kunstverständigen Menschen: "Die modernen Werke, die in seiner Praxis hängen, steigern sein Ansehen. Dafür kann er doch auch ein bisschen was bezahlen." Wird er wohl kaum. Denn schneller als die Kulturpolizei erlaubt, würden sicherlich nicht nur die Mediziner ihre Zeitgenossen an den Wänden mit van Gogh und Spitzweg austauschen. Die Erben toter Künstler übrigens sollen von der Regelung ausgenommen werden. Ebenso Galerien, die sich professionell um die Vermarktung von Kunst kümmern. Bleiben noch die öffentlichen Museen. Dort wird jedoch wegen der knappen Kassen momentan nur wenig zu machen sein. Wie viel, kann ja die Enquete-Kommission herausfinden.


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