Amazon vermüllt die Welt, und alle machen mit

Kapitalismus Der Onlinehändler verschrottet systematisch Neuwaren. Ein Gesetz, das das verhindern sollte, erweist sich als zahnloser Tiger
Ausgabe 21/2021
Amazon-Warenlager in der Nähe von Madrid. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat aufgedeckt, dass der Händler Neuwaren einfach wegschmeißt, wenn sie zu lange im Regal liegen
Amazon-Warenlager in der Nähe von Madrid. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat aufgedeckt, dass der Händler Neuwaren einfach wegschmeißt, wenn sie zu lange im Regal liegen

Foto: Gerard Julien/AFP/Getty Images

Amazon ist immer für einen Skandal gut, diesmal für den gleichen zum zweiten Mal in Folge: Nachdem Greenpeace schon 2019 aufgedeckt hatte, dass der Online-Händler systematisch Neuwaren zerstört, die zu lange im Regal liegen, war die Empörung groß. „Das ist etwas, dem ich jetzt endlich einen Riegel vorschieben will“, tönte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) damals großspurig und präsentierte im darauffolgenden Jahr ein Gesetz zur sogenannten „Obhutspflicht“, das der Verschrottung einen Riegel vorschieben sollte.

Gut, bislang wird das Gesetz mangels konkreter Rechtsverordnungen gar nicht umgesetzt, und die sind auch nicht in Sicht. Denn dafür müsste man erst mal wissen, wie viele Waren überhaupt vernichtet werden, und das verrät Amazon natürlich nicht, deswegen müssten Unternehmen zunächst mal zur Transparenz verpflichtet werden … Tja, also in dieser Legislaturperiode wird das jedenfalls nichts mehr, gibt denn auch das Bundesumweltministerium zu.

Und so lange verschrottet Amazon seine Ladenhüter fröhlich weiter, wie Greenpeace nun noch mal mit einem anonym eingeschleusten Rechercheur dokumentierte. Ja, sapperlot! Auf den heimlich gefilmten Videoaufnahmen sind einige der Kleidungsstücke und Spielzeuge zu sehen, die der Konzern zum Verschrotten aussortiert. Und beim Betrachten dieser Bilder drängt sich der Eindruck auf, dass ein Großteil dieser Sachen nicht erst zu Schrott gemacht wird, sondern das schon immer war: billige Polyesterhemdchen, denen man die elektrischen Schläge ansieht, die sie bei Berührung austeilen würden; giftbunte Kuscheltiere – Ramsch. So gesehen kürzt Amazon da nur ein bisschen ab: Würde der Händler die Sachen nicht sofort in den Müll werfen, dann würden das eben die Käufer kurze Zeit später machen.

Das finden Sie zynisch? Auf eine Greenpeace-Umfrage vor einigen Jahren antwortete fast die Hälfte der Befragten, Schuhe, Oberteile und Hosen schon nach weniger als einem Jahr auszusortieren. Und dann kaufen sie wieder neue – seit Beginn der Pandemie noch lieber bei Amazon. Der US-Konzern surft die Wellen (Achtung: Doppeldeutigkeit!) mit Vergnügen und will in Deutschland 5.000 neue Jobs schaffen, vergangenen November nahm er am Flughafen Leipzig-Halle sein erstes regionales Luftfrachtzentrum Europas in Betrieb.

Und so arbeiten wir alle gemeinsam, Hand in Hand, an der Vermüllung der Welt, verpackt in Luftpolsterfolie und Pappkartons – aber mit einem Lächeln, in der Form des Amazon-Pfeils.

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