Triggerwarnung: Im Folgenden wird es um Kacke gehen, im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Denn laut einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) landet zu viel davon auf unseren Äckern. Damals, als man zum Zählen der Tiere auf einem Bauernhof nur das bloße Auge brauchte (und keine Excel-Tabelle), da hat das Sinn gemacht, den Mist der Tiere als Dünger auf die Felder auszubringen. Im Zeitalter der Massentierhaltung stimmt das Verhältnis aber nicht mehr: Es gibt zu viel Gülle auf zu wenig Feldern. Und das belastet nicht nur unsere Böden.
Aber was ist eigentlich Gülle? Eine flüssige Mischung aus Kot und Harn von allerlei Tieren wie Schweinen, Rindern und Hühnern. Das sprühen Landwirte wah
dwirte wahnsinnig gerne auf ihre Felder, denn Gülle enthält Stickstoff, Phosphat, Kalium und Magnesium – alles wertvolle Nährstoffe für Pflanzen. Zusätzlich benutzen die Bauern synthetische Dünger, um etwa die nicht zum Verzehr gedachten Blätter von Brokkoli oder Kohlrabi auf das ästhetische Anforderungsniveau des Einzelhandels zu „dopen“. Kein Scherz: „Düngesicherheitsaufschlag“ heißt das im Fachjargon. Leider können die Pflanzen den gar nicht vollständig aufnehmen und zusammen mit der überschüssigen Gülle landet das alles im Grundwasser, inzwischen durch biochemische Prozesse in Nitrat umgewandelt: ein Salz, das aus Stickstoff und Sauerstoff besteht.Das überschüssige Nitrat im Grundwasser ist eine Gefahr für die Biodiversität in Gewässern (zum Beispiel durch eine explosionsartige Vermehrung von Algen) und für das Klima (denn nicht gesunde Gewässer können mehr Treibhausgase ausstoßen). Gut – andererseits hat es (nicht nur) in Deutschland Tradition, Warnungen zu Artenvielfalt und Klimaerwärmung zu ignorieren. Zu viel Nitrat ist aber auch schlecht für uns Menschen. Es steht im Verdacht, Krebs auszulösen und bei Neugeborenen das „blue infant syndrome“ zu verursachen: eine Sauerstoffarmut im Blut.Damit also nicht alle Menschen Krebs oder blaue Babys bekommen, hat die EU-Kommission Nitratgrenzwerte festgelegt: Ein Liter Grundwasser darf nicht mehr als 50 Milligramm Nitrat enthalten, und zwar schon seit 1991. Weil Deutschland diesen Grenzwert seitdem konsequent überschreitet, teilweise sogar um mehr als 700 Prozent, wie das DIW in seiner Studie schreibt, leitete die EU-Kommission 2016 ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Strafzahlungen in Millionenhöhe konnte die Bundesrepublik gerade noch mit mehreren Reformen der Düngeverordnung abwenden und mit der Ausweisung besonders belasteter sogenannter roter Zonen, in denen die Kacke also gewissermaßen besonders am Dampfen ist.Gülle im GlasWeil wir das nitratbelastete Grundwasser so nicht trinken sollten, müssen Trinkwasserunternehmen allerhand tun: Sie verdünnen das belastete Wasser mit unbelastetem Wasser, sie bohren tiefer gelegenes und weniger verseuchtes Grundwasser an oder sie trennen das Nitrat mittels technischer und biologischer Verfahren vom Wasser. Das alles ist sehr aufwendig und kostet Geld. Das DIW rechnet vor: Wenn pro einem Liter zehn Milligramm Nitrat mehr im Wasser sind, kostet das ein durchschnittliches Trinkwasserunternehmen mit etwa 50.000 Kund*innen etwa 110.000 Euro pro Jahr. Und das zahlen eben jene Kund*innen, also wir alle, und nicht etwa die Betriebe, die so freizügig mit der Kacke rumgesprüht haben.Damit wir uns jetzt nicht nur einfach unkonstruktiv ärgern, hat das DIW ganz konstruktiv einen Lösungsvorschlag analysiert. Zugegeben, wenig überraschend fand es heraus: weniger Scheiße rumsprühen verursacht weniger Probleme. Das macht der ökologische Landbau, und das DIW schreibt dazu: „Eine einprozentige Zunahme der ökologisch bewirtschafteten Landwirtschaftsfläche geht mit einer geringeren Nitratkonzentration um 0,3 Milligramm je Liter einher.“ Das heißt: Wenn mehr Bauern ökologisch wirtschaften würden, dann wäre das Nitratproblem ein kleineres – oder vermutlich sogar gar keines mehr. Zurzeit werden nur knapp zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland ökologisch bewirtschaftet. Bis 2030 soll dieser Anteil laut Ampel-Koalitionsvertrag auf 30 Prozent steigen.Wenn uns allen zusammen aber perfekt geformte Brokkoliblätter wichtiger sein sollten, die wir nur angucken, aber nicht essen, dann bitte!