Rettet die Boni der tapferen Autoindustrie!

Kaufprämie 2019 war für die Autobranche ein Spitzenjahr, Boni und Dividenden sollen weitergezahlt werden. Nun bettelt sie nach Konsumanreizen
Ausgabe 19/2020
Kaufet, frohlocket! Hochpreiset die Prämie!
Kaufet, frohlocket! Hochpreiset die Prämie!

Foto: Jens Schlueter/Getty Images

Haben Sie den Schock mittlerweile verdaut, von einer globalen Pandemie überrollt worden zu sein und nicht zu wissen, wann ihr Leben wieder in normalen Bahnen verlaufen wird? Gut, dann können Sie ja jetzt wieder kaufen, kaufen, kaufen – der Wirtschaft zuliebe.

Das zumindest erwartet die Automobilbranche nun von Ihnen. Denn auch sie leidet unter der Krise: Sie musste zwischenzeitlich die Produktion einstellen und Absatzeinbußen hinnehmen. Und da sollen Sie ihr jetzt raushelfen und wichtige Arbeitsplätze retten. Weil sie aber im Gefühl hat, dass Ihnen der Schock noch in den Knochen sitzt, will sie, dass Sie der Staat mit Kauf- und Abwrackprämien dabei unterstützt – mit Steuergeldern, also letztlich dann auch Ihrem Geld. Die Autohersteller selbst würden indes gerne weitermachen wie bisher, also auch Dividenden an Aktionäre und Boni an Manager zahlen. 2019 war für die Autobranche das beste Jahr seit zehn Jahren – das sähe jetzt einfach doof aus, wenn man an solchen Dingen nun anfinge zu sparen, findet Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie. Die CDU-Frau war einst Staatsministerin bei Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Jetzt müsste man meinen, dass die Politik angesichts solcher Dreistigkeit einfach mal Nein sagt. Die drei Autoländer Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen tun sich damit aber schwer. Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) etwa kündigte an, das Prämienmodell schnellstmöglich zu prüfen. Er selbst sitzt übrigens im Aufsichtsrat von Volkswagen, was im vergangenen Jahr mit 163.000 Euro vergütet wurde, abzuführen an das Land Niedersachsen. Das muss mit der Aussage des Ministerpräsidenten natürlich nichts zu tun haben.

Kritisch ist an den verlangten Prämien vielmehr etwas ganz anderes: Sie sollen nach Wunsch der Autobranche nämlich auch für Modelle mit klimaschädlichen Verbrennungsmotoren gezahlt werden. Die Begründung dafür von Daimler-Vorstandschef Ola Källenius: Man solle es jetzt nicht allzu kompliziert machen. Umwelt hin oder her: „Hier geht es zunächst um die Ankurbelung der Wirtschaft.“ Auch Hildegard Müller findet eine reine Förderung von E-Autos falsch, weil die einfach noch nicht für jeden Verbraucher das Passende seien – „Denken Sie an die, die lange Strecken zurückzulegen haben.“

Und da muss man ihr recht geben: Wie weit wird man fahren müssen, wenn man in Zeiten des Klimawandels vor einer Überflutung, einem Sturm oder einem Waldbrand flieht? In so einer Situation möchte wohl niemand gerne nach der nächsten Ladesäule für sein E-Auto suchen. Da muss man jetzt einfach mal praktisch denken.

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