Sind E-Roller toll?

Mobilität Unsere Kolumnistin meint: Jeder Arschtritt wäre besser für uns
Ausgabe 21/2019
Regelmäßiges Scooterwerfen stärkt zudem den Trizeps
Regelmäßiges Scooterwerfen stärkt zudem den Trizeps

Foto: Zakaria Abdelkafi/AFP/Getty Images

In Portland wachsen die E-Scooter auf den Bäumen. Zumindest sieht es auf manchen Instagram-Fotos aus der Stadt im Nordwesten der USA so aus, auf der Seite des Scooter-Chaos-Dokumentators pdxscootermess etwa. Da stecken sie hoch oben im Geäst städtischer Bäume, und wie schön wäre es, zu glauben, dass diese sie hervorgebracht hätten wie ihre Blüten und Blätter und die Roller eine Frucht aus Wasser, Nährstoffen und Photosynthese wären – ein Geschenk der Bäume an uns, auf dass wir mit ihnen umweltfreundlich unter ihren Blätterdächern umherrollen können. Bloß, so schwer, wie wir den Bäumen ihr Leben machen, würden sie uns eher einen Arschtritt verpassen, wenn sie könnten. Und dann, während wir uns wieder aufrappeln, würden sie uns anbellen: „Und hört auf mit diesen albernen E-Rollern, damit würdet ihr uns, euch und dem Klima einen größeren Gefallen tun!“ Recht hätten sie.

Deutschland aber fängt jetzt erst mal mit den E-Zweirädern an. Nachdem die halbe Welt von San Francisco bis Singapur schon aufrecht stehend durch die Straßen flitzt, hat der deutsche Bundesrat erst kürzlich der Elektrokleinstfahrzeugeverordnung zugestimmt, ab dem Sommer soll dann die ganze Republik auf „E“ sein. Alle klopfen sich dafür schon mal gegenseitig auf die Schultern: Deutschland beweist Verantwortungsbewusstsein für das Klima! Denn sobald irgendwo ein E davorsteht, muss es ja umweltfreundlich sein.

Das wäre dann so, wenn die Roller Autos ersetzen würden, was sie aber nicht tun. Stattdessen ersetzen sie Fahrräder und die althergebrachte Fortbewegung zu Fuß. Beides ist nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch noch gesünder.

Das so grün blinkende E ist also tückisch. Es steht für Elektro, also für Strom, der nur dann klimafreundlich ist, wenn er aus erneuerbaren Quellen stammt. Was er derzeit in Deutschland nur zu etwa 40 Prozent tut. Und vor allem muss er in Akkus gespeichert werden. Deren Herstellung ist sehr energieintensiv und ihre Bestandteile lassen wir unter unmenschlichen Bedingungen in armen Ländern von Menschen aus dem Boden kratzen, die unsere E-Roller erst als Elektroschrott zu Gesicht bekommen werden. Immerhin sind die meisten Leihroller schon nach wenigen Monaten hin – ein Großteil der Geräte wird billig in China produziert. Lange warten müssen sie also nicht.

Die wahre Geschichte hinter den Rollern im Geäst ist also: Die Bäume nehmen sie uns weg und verstecken sie so hoch oben in ihren Kronen, damit wir an sie nicht mehr rankommen. Eine erzieherische Maßnahme also. Danke.

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