Oh Gott, ich will hier weg! Gar kein Bock auf eine AKW-Debatte in Deutschland

Atomkraft Alles kommt zurück: Schlaghosen, Vokuhila, vielleicht sogar Donald Trump – und nun auch die Debatte über Kernkraft. Unsere Autorin bekommt bei so viel Quatsch Sehnsucht nach der Galaxis
Ausgabe 28/2022
Eigentlich sollten noch in diesem Jahr die letzten Atommeiler in Deutschland vom Netz gehen, doch darüber wird schon wieder hitzig diskutiert
Eigentlich sollten noch in diesem Jahr die letzten Atommeiler in Deutschland vom Netz gehen, doch darüber wird schon wieder hitzig diskutiert

Foto: Sean Gallup/Staff/Getty Images

Alles kommt zurück. Auch jene Dinge, die wir lieber in der Vergangenheit zurückgelassen hätten, um sie nur noch manchmal schmunzelnd auf alten Fotos anzuschauen. Die Schlaghose (ihr Comeback feierten die Modezeitschriften schon letztes Jahr), der Vokuhila (für dessen Wiederkehr einige die Pandemie verantwortlich machen, weil man ihn sich relativ leicht selbst schneiden kann), das Ozonloch (gerade verkündete ein kanadischer Forscher, ein neues gewaltiges Loch über den Tropen gefunden zu haben, von dem etwa die Hälfte der Weltbevölkerung betroffen sei), vielleicht Donald Trump (…) – und jetzt auch die Atomkraft. Wir scheinen es nicht zu lernen: Was einmal hässlich war, darf auch zweimal hässlich sein.

Falls Sie also noch alte „Atomkraft? Nein danke“-Aufkleber im Schrank liegen haben, dann lassen Sie uns hoffen, dass die noch kleben: Sie werden wieder gebraucht!

Das EU-Parlament stimmte vor wenigen Tagen dafür, Gas und Atomkraft im Rahmen der EU-Taxonomie als nachhaltig einzustufen. Finanzinvestitionen in Atomkraftwerke würden damit ab 2023 als nachhaltig gelten, weil sie nun als „Brückentechnologie“ zur Klimaneutralität eingestuft werden. Österreich hat schon angekündigt, dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Die EU-Staaten könnten das auch noch außergerichtlich blockieren, dafür müssten sich allerdings 20 Staaten zusammenschließen, die gemeinsam mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung vertreten – was eher unwahrscheinlich ist.

Wieso? Weil Atomenergie wieder voll „in“ ist: Frankreich hat sich sowieso nie davon abbringen lassen, Polen will nun sein erstes Kraftwerk bauen, bis 2043 sollen es sechs werden, auch Zwischen- und Endlager für die verbrauchten Brennstäbe sind geplant, die Standorte stehen noch nicht fest. Also alles easy!

Wenige Monate bevor in Deutschland die letzten drei Atomkraftwerke heruntergefahren werden sollen, geht auch hierzulande die Diskussion wieder los, ob das denn wirklich die richtige Entscheidung ist. Die FDP fordert angesichts der Gaskrise, die Kraftwerke wenigstens drei Monate länger in Betrieb zu lassen und die Argumente darüber „vorurteilsfrei“ auszutauschen, wie es Bundesfinanzminister Christian Lindner formuliert.

Und auch außerhalb der EU bereitet man sich fröhlich auf eine Rolle rückwärts in die Radioaktivität vor: Der südkoreanische Präsident annullierte den Atomausstieg seines Vorgängers, und elf Jahre nach der Katastrophe in Fukushima will selbst Japan wieder Kraftwerke bauen. Ich fand Missionen, um andere Planeten zu besiedeln, bislang albern – aber jetzt will ich hier weg. Vielleicht zusammen mit E.T.? Die 80er sind doch gerade wieder in.

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