Wenigstens das

Coronakrise Wenn niemand mit der Deutschen Bahn fährt, kommt sie pünktlicher. Ein bisschen zumindest
Ausgabe 16/2020
Kleine Lichtblicke sind okay, aber bitte keine Falschmeldungen glauben! Das Wasser in Venedigs Kanälen ist blauer, Delfine schwimmen trotzdem nicht darin
Kleine Lichtblicke sind okay, aber bitte keine Falschmeldungen glauben! Das Wasser in Venedigs Kanälen ist blauer, Delfine schwimmen trotzdem nicht darin

Foto: Andrea Pattaro/AFP/Getty Images

Es gibt auch Lichtblicke in diesen dunklen pandemischen Zeiten. Und nein, dazu zählen leider nicht die Delfine, die sich angeblich wieder in die sauberen Kanäle Venedigs zurückgewagt haben sollen. Falls Sie diese anrührende Meldung auch zu der Proklamierung von Kalenderweisheiten wie „Jetzt kann die Natur mal durchatmen“ veranlasst hat, dann muss ich dieses Blatt jetzt leider abreißen: Venedigs Wasser ist zwar klarer geworden, die Bilder der Delfine stammen jedoch aus Sardinien.

Dafür konnte aber jemand anders durchatmen, und zwar die Deutsche Bahn. Zugegeben, die ist nicht ganz so niedlich wie Delfine, aber auch ihr sei in Zeiten der Krise Sympathie gegönnt. Sie vermeldete nun jedenfalls – und der Stolz war deutlich aus diesen Zeilen zu lesen: Ihre Fernzüge seien während und wegen der Corona-Pandemie im März deutlich pünktlicher ans Ziel gelangt. Und zwar kamen 82,4 Prozent der Züge – und damit 4,1 Prozent mehr als im März 2019 – rechtzeitig an. Als einen wichtigen Grund nennt die Bahn, dass das Aus- und Einsteigen an vollen Bahnsteigen wegfiel.

An dieser Meldung finde ich gleich mehrere Aspekte erstaunlich: Zum einen heißt das, dass immer noch 17,6 Prozent der Züge unpünktlich kamen, das heißt eine Verspätung von mehr als sechs Minuten hatten, denn alles darunter gilt noch als pünktlich. Und zum anderen heißt das, dass die Deutsche Bahn genau dann besonders gut funktioniert, wenn niemand mit ihr fährt.

Ich weiß nicht, wie man der Bahn das jetzt am besten beibringen soll, aber die Fahrgäste sind ja gewissermaßen der Grund, warum es die Bahn überhaupt gibt. Da wäre es doch mehr als wünschenswert, wenn der Betrieb so ausgerichtet wäre, als würden sie auch mitfahren – und dann auch aus- und einsteigen.

In anderen Ländern klappt das schließlich auch, und da muss ich gar nicht die Extrembeispiele Japan, China und Taiwan heranziehen (wo 99 Prozent der Züge pünktlich kommen, eine Minute zu spät gilt da schon als unpünktlich!), auch unsere Nachbarn in der Schweiz und in den Niederlanden kriegen das besser hin.

Wenn die Corona-Krise mal vorbei ist und wir uns wieder in öffentliche Verkehrsmittel trauen, dann sollte die Deutsche Bahn besser für uns bereit sein. Denn wollen wir die nächste und viel größere Krise – die Klima-Krise – verhindern, dann wäre es gut, wenn möglichst viele Menschen Zug fahren. Können sie sich nicht auf die Bahn verlassen, nehmen sie lieber das Auto oder Flugzeug. Gut, dann kommen die Züge wenigstens pünktlich.

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