Wenn Ochsen schreiben dürfen

Orientalismus Ein Artikel in der F.A.Z. über eine Restauranteröffnung in Franken verrät mehr über die kolonialismusverherrlichende Denke des Autors als über Kulinarik. Ein Leserbrief

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„Morgenland”, „Orient”, „Serail”, „fernöstlich”, „Exotismus”: ein in billigen orientalistischen Stereotypen und kolonialromantischer Rhetorik ertränkter Artikel des food critic Jakob Strobel y Serra, der stattdessen lieber einmal sein überholtes Geschichtsverständnis unter die Lupe nehmen sollte („Ein Mensch, der nichts lernt, ist ein Ochse”, http://www.faz.net/aktuell/stil/essen-trinken/geschmackssache/stefan-meiers-zweisinn-in-nuernberg-15042899.html).

Jaja, was wären dieser Feinschmecker mit seinem Faible für geschmacklose Formulierungen und andere weiße Europäer ohne ihren geliebten „Orient”, diese geographisch flexible, wunderbar unterentwickelte Projektionsfläche für all ihre unerfüllten, suprematistischen Sehnsüchte..diese spannende Völkerschau Edler Wilder, wo alles „exotisch” und anders ist und nichts normal und alltäglich, und dessen einziger Daseinszweck die trumanshowhafte Unterhaltung dieser narzisstischer Eurozentriker ist.

Und all das auch noch von jemandem, der "Jakob Strobel y Serra" heißt..was für ein exotischer Name! So wunderbar orientalisch! Ein rassiger, südländischer Gaumenschmaus!

Ein Mensch, der nichts lernt, ist ein Ochse? Dann sei dem Autor und Haute Cuisinier herzlichst Edward Saids Orientalism oder Culture and Imperialism zur Degustation empfohlen: Vielleicht verhilft die Lektüre dieser wichtigen Werke diesem kulinarischen Ästheten zu einer introspektiven Auseinandersetzung mit den eigenen, ziemlich unästhetischen kulturellen Vorurteilen gegenüber konstruierten und imaginierten „others”.

Und somit zur „haute connaissance”, dass Kolonialismus für die meisten Menschen eine erniedrigende, entmenschlichende Gewalterfahrung war und kein „exotisches” Abenteuer, und damit auch zur künftigen Vermeidung klischeebeladener und herabwürdigender Sprache.

Und überhaupt: sollte nicht jemand, der in seinem Artikel „Bauchtanz-Folklorismus” kritisiert, vermeiden, in eben solchem Stile zu schreiben?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Timo Al-Farooq

Freier Journalist aus Berlin in London・IG: @talrooq

Timo Al-Farooq

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