So siegt die Dürre

Tropfen Statt auf maue Nothilfe zu warten, könnte die Landwirtschaft zur Rettung des Klimas beitragen
Ausgabe 35/2018
Mehr Vielfalt auf den Äckern, Weiden und Wiesen kann dabei helfen, das Risiko einer Missernte zu verringern
Mehr Vielfalt auf den Äckern, Weiden und Wiesen kann dabei helfen, das Risiko einer Missernte zu verringern

Foto: Hermann J. Knippertz/Imago

Ottmar Ilchmann ist Milchbauer in Ostfriesland, einer von denen, die in normalen Jahren zu viel Regen haben und gut aufpassen müssen, dass ihre Weiden nicht zu sumpfig werden. Doch in diesem Sommer ist auch sein Gras vertrocknet. Trotzdem ist er nicht glücklich über die Entschädigungen, die das Bundeslandwirtschaftsministerium den Landwirten jetzt versprochen hat. „Natürlich sind Hilfen willkommen“, sagt er, „aber einerseits ist jedem klar, dass die Millionen den tatsächlichen Schaden nur zum kleinen Teil ausgleichen können, und andererseits kann der Staat nicht einfach alles zahlen, was wir in diesem Jahr verloren haben. Das kann nur über bessere Erzeugerpreise wieder reinkommen.“

Höhere Kosten, mehr Arbeit, geringere Erträge – so ist Ottmar Ilchmanns Bilanz des Dürresommers 2018. Weil es vor allem im Norden monatelang nicht geregnet hat, ist das Gras nicht gewachsen – weder das, das die Kühe draußen hätten fressen sollen, noch das, das die Landwirte als Heu oder Silage für den Winter brauchen. Auch der Mais ist vertrocknet.

Während der heißen, trockenen Tage im Sommer, glaubt Ilchmann, wäre es den Verbrauchern sehr gut zu vermitteln gewesen, dass für Milchprodukte ein höherer Preis verlangt werden muss. Aber genau das ist nicht passiert. Zur Zeit der schlimmsten Dürre sind die Milchpreise sogar gefallen. Ilchmann ist Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL, er engagiert sich auch im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, beide Organisationen kämpfen für kostendeckende Preise, die Bauernhöfen das wirtschaftliche Überleben in Zeiten globaler Märkte ermöglichen sollen.

Im August hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) Ottmar Ilchmann und andere Landwirtinnen und Landwirte aus ganz unterschiedlichen Betrieben zum Dialog über Dürre und Klimawandel eingeladen, auch dort spielte die Preisfrage eine entscheidende Rolle.

Mehr Vielfalt auf den Äckern, Weiden und Wiesen kann dabei helfen, das Risiko einer Missernte zu verringern, darüber waren sich die Landwirte schnell einig. Pflanzen wie Klee oder Luzerne düngen den Boden und machen ihn fruchtbarer, Hecken zwischen den einzelnen Feldern bremsen die Erosion. Beides dient dem Bodenschutz und hilft langfristig gegen Dürre, denn guter Boden kann Wasser besser halten. Eine vielfältige Landschaft mit Büschen, Bäumen und Hecken kann mehr Wasser speichern und die Luft besser kühlen als etwa ein riesiges Stoppelfeld oder ein abgeerntetes Maisfeld, das manche Landwirte bis zum nächsten Frühjahr brachliegen lassen.

Überhaupt ist der Boden der Schlüssel zum Klimaschutz: Guter, strukturreicher Ackerboden und vor allem dauerhaft beweidete Flächen speichern Kohlenstoff. Idealerweise könnte die Landwirtschaft sogar zu einer Kohlenstoffsenke werden und mehr CO₂ aufnehmen, als sie an Emissionen verursacht.

Spielraum für Experimente

Doch der Weg zu einer solchen nachhaltigen, klimafreundlichen Landwirtschaft ist unter den herrschenden Bedingungen unerreichbar: Volatile Preise, globale Märkte, die vor allem nach Mais und Weizen fragen und nicht nach einer bunten Vielfalt unterschiedlicher Kulturen, und dazu eine EU-Agrarpolitik, die noch immer einen großen Teil der Subventionen gleichmäßig über die Flächen der Landwirte verteilt, ohne Klima-, Wasser-, Umwelt- und Naturschutz zu berücksichtigen – das sind keine guten Rahmenbedingungen für Landwirte, die ihre Höfe dürre- und unwetterfest machen müssen.

Deshalb fordern Ottmar Ilchmann und seine Kollegen faire Preise, die den Höfen genug Reserven lassen, um Futter für Notzeiten einzulagern und Luft für Experimente zu haben – Versuche mit Zwischenfrüchten, schonender Bodenbearbeitung und neuen Feldfrüchten. Und um ein bisschen Zeit zu haben, die Erfahrungen mit anderen innovativen Landwirten und Agrarforschern auszutauschen. Unter dem herrschenden Preisdruck aber hätten sie keinen Spielraum für Experimente, klagen viele Landwirte.

Oft verhindern auch bürokratische Hürden eine klimafreundliche Landwirtschaft: So werden Landwirten, die Hecken oder Obstbäume pflanzen, unter Umständen sogar Subventionen gestrichen – wenn sie nicht in komplizierten Verfahren die richtigen Fördermittel für jedes sogenannte Landschaftselement beantragen. Weil die Höfe immer weniger Geld für Milch, Fleisch und Eier bekommen, empfehlen Agrarberater den Betrieben noch immer, ihr Einkommen durch größere Viehbestände zu sichern. In Deutschland werden heute so viele Tiere gehalten, dass Futtermittel, vor allem Soja aus Südamerika, importiert werden müssen. Diesen Teufelskreis können die Landwirte aber nicht allein durchbrechen. Dazu braucht es eine europäische Agrarpolitik, die nicht Masse fördert, sondern Qualität. Dazu müssen wir alle Verantwortung übernehmen – Konsumenten, Investoren, Banken, Lebensmittelhersteller und die Supermarktketten.

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