Tunesien, Ägypten und Syrien: zwischen Brutalität und Hoffnung

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Von Alexandra Huber

Brutalité et espoir. Die Bloggerin Lina ben Mhenni fehlt in der Diskussionsrunde. Sie wurde am letzte Woche bei einer Demonstration von der tunesischen Polizei zusammengeschlagen und sitzt deswegen vor ihrem PC in Tunesien, via Skype zugeschaltet. Das macht bewusst, dass die Staaten des arabischen Frühlings noch einen langen Weg zum Traum einer friedlichen Demokratie vor sich haben. Auch die Vorstellung, Lina ben Mhenni wäre durch ihre Prominenz doch wohl sicher vor polizeilichen Übergriffen, erweist sich als falsch. Eben das macht sie zur Zielscheibe der Brutalität.
Trotzdem betont sie, wie sehr die Revolution von den neuen Medien abhängt; Facebook, Skype, Youtube. Die Revolution dem Rest der Welt näherzubringen, sie öffentlich zu machen.

Brutality and hope. Mona Abaza, Soziologin an der American University in Cairo, spricht von den „18 magical days“ der ägyptischen Revolution. Eine Zeit, während der eine Stadt still stand. 18 Tage in denen Aktivist_innen Hoffnung schöpften und der arabische Frühling seine Gedanken und Ideen in die Mitte Ägyptens trug. Die Situation in Kairo heute ist eine andere. Die Stadt wurde von den Regierenden mit Mauern geteilt. Auf der einen Seite der Mauer bleibt alles beim Alten, Menschen arbeiten normal in ihren Berufen weiter, abends geht es vielleicht noch zum Fußballgucken oder ins Kino. Gleichzeitig ist Brutalität Alltag. Wenn Panzer Menschen überrollen passiert das „aus Versehen“. Menschen verlieren ihre Augen, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind.
In Kairo sind die Mauern längst zu Leinwänden geworden, auf denen Zeichen der Revolution leuchten und Bilder der Toten prangen. Worte gegen Gewalt. Symbole haben sich etabliert. Der blaue BH, der auf das „sexual harassment” anspielt. Auf den Mauern sind Regenbögen und Tore gemalt. Ein Punkt, den Mona Abaza immer wieder betont, „die Menschen haben ihre Angst verloren“. Sie filmen, berichten, sprayen. Kunst wird zur Waffe. „Straße ohne Mauern“ verkündet ein gemaltes Schild auf einem der Fotos, die Mona Abaza präsentiert. Die Hoffnung auf ein demokratisches Land scheint über die Angst vor Brutalität zu siegen.

Brutalität und Hoffnung. Elias Perabo ist Teil des Projektes „adopt a revolution“, das die Syrer_innen in ihrer Organisation von Demonstrationen und Projekten für eine Demokratie unterstützt. Auch in Syrien ist die Gewalt allgegenwärtig. Über 10 000 Menschen befinden sich in Folter. Perabo erzählt von den zwei Seiten der syrischen Gedanken: auf der einen Seite die überschattende Traurigkeit über die Brutalität, auf der anderen Seite die Hoffnung auf einen Aufbruch.
Die Revolution in Syrien nahm ihren Anfang in den ländlichen Gebieten. Lokale Komitees bildeten sich und schlossen sich zu einer Bewegung zusammen. Fragen eröffnen sich; „In welcher Welt möchte ich leben?“, „Was möchte ich verändern?“. Was Syrien fehlt, ist die internationale Unterstützung, so Elias Perabo. Das Schweigen der westlichen Staaten trägt nicht zur Hoffnung der syrischen Menschen bei. Anfangs trugen die Demonstrat_innen noch vermehrt Schilder mit englischen Sprüchen, diese sind inzwischen selten geworden. Als am Tahrirplatz eine riesige syrische Fahne ausgebreitet wurde, ging das Bild innerhalb weniger Stunden durch die Socialnetworkprofile tausender junger Syrer_innen. Internationale Solidarität scheint das wichtigste für die Demonstrant_innen dort zu sein.

Der Beitrag ist zuerst auf taz.de/hausblog erschienen

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Geschrieben von

tazlab

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